Im Gespräch: Ekkehard Wenger „Sparer, verkrümelt euch, oder verprasst eure Habe!“
15.06.2012 ·
Der Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger hält eine
Finanztransaktionssteuer für Unsinn. Das Sparen, vor allem in Aktien,
müsse gefördert und nicht belastet werden. Auch Peer Steinbrück bekommt
sein Fett weg.
Professor Wenger, Bundesregierung
und Opposition haben sich im Prinzip auf die Einführung einer
Finanztransaktionssteuer verständigt. Ist diese Steuer sinnvoll?
Nein, eine solche Steuer ist nur Ausdruck der
geistigen Verwirrung, die die westeuropäischen Gefälligkeitsdemokratien
erfasst hat. Fast überall in Europa ist auf Pump konsumiert worden, und
jetzt platzen die Schuldenblasen. Notwendig wären Anreize zur Bildung
von Ersparnissen und deren Umsetzung in produktive Investitionen.
Stattdessen sollen jetzt ausgerechnet die europäischen Sparer geschröpft
und die Kapitallenkung über die Finanzmärkte behindert werden. Es ist
kein Wunder, wenn der Rest der Welt glaubt, Europa habe sich in ein
Irrenhaus verwandelt.Die Banken sollen doch die Steuer zahlen und nicht die Sparer, sagen die Politiker. Glauben Sie wirklich, dass die Banken dann die Steuer in voller Höhe auf ihre Kunden überwälzen können?
Die Gebühren, die der Privatkunde für den
Wertpapierhandel zahlen muss, stehen dank der vielen günstigen
Direktbanken seit Jahren unter hohem Wettbewerbsdruck. Daher halte ich
es für völlig ausgeschlossen, dass die Banken auf einen Teil ihrer noch
verbliebenen Marge verzichten, damit die Kunden die Steuer nicht allein
tragen müssen. Insoweit wird es zu einer vollen Überwälzung kommen. Im
Geschäft mit institutionellen Anlegern wird das genauso eintreten. Bei
den Banken bleibt die Steuerbelastung nur dann liegen, wenn sie
Wertpapierkäufe und -verkäufe für den Eigenbestand tätigen.
Das freut doch die Politiker. Diesen
Eigenhandel der Banken, den man seit Beginn der Finanzkrise eindämmen
will, würde man mit der Steuer treffen?Ja. Wer das gut findet, der übersieht freilich, dass der Eigenhandel der Banken wesentlich zur Liquidität an den Börsen beiträgt. Schrumpft die Liquidität, steigen die Geld-Brief-Spannen und die Kursschwankungen. Das schreckt die Anleger ab und beeinträchtigt damit die Finanzierungskraft der Börsen.
Mit dem gleichen Argument wird der über Computerprogramme ausgelöste Hochfrequenzhandel, der für mehr als die Hälfte der Börsenumsätze steht, gerechtfertigt. Ist dermaßen viel Liquidität, die durch Umschichtungen in Millisekunden geschaffen wird, wirklich so wichtig?
Es gibt keine Untersuchung, aus der hervorgeht, dass der Hochfrequenzhandel per saldo mehr Gefahren als Nutzen bringt. Einzelne Computerpannen sind dafür kein Beweis - höchstens dafür, dass der Hochfrequenzhandel - wie alles in der Welt - noch Verbesserungspotential aufweist. Aber selbst wenn der Hochfrequenzhandel tatsächlich schädlich wäre, wäre das kein Argument dafür, dass der Rest der Welt mit einer absolut kontraproduktiven Steuer überzogen wird. Erforderlich wären dann Maßnahmen, die direkt gegen den Hochfrequenzhandel gerichtet sind, und nicht eine gemeinschädliche Steuer, die gerade der Hochfrequenzhandel am leichtesten vermeiden kann.
Wie das?
Anstelle der Deutschen Börse würde ich einfach meine Computer in Dubai oder Singapur aufstellen und wenn nötig dafür eine dem dortigen Recht unterstehende Tochtergesellschaft gründen. Dann findet der Hochfrequenzhandel mit deutschen Aktien eben dort statt. Auch andere Großanleger würden in Länder, wo es keine Finanztransaktionssteuer gibt, ausweichen und Deutschland als Finanzplatz meiden. Schweden, das schon einmal eine Finanztransaktionssteuer hatte, ist heute dagegen. Warum wohl? Ich kann nur warnen: Mit einer Finanztransaktionssteuer schießt sich Deutschland selbst ins Knie.
Aber Deutschland will die Steuer in ganz Europa durchsetzen. In England gibt es sogar schon eine „kleine“ Finanztransaktionssteuer, die Stempelsteuer. So schädlich kann sie doch nicht sein, wenn sogar Europas wichtigster Finanzplatz damit lebt?
Eine Börsenumsatzsteuer nach britischem Vorbild einzuführen, die sich im Wesentlichen auf den formalen Eigentumswechsel bei Aktien konzentriert, würde ich für das Allerdümmste halten. Die Aktienanlage hierzulande ist schon genug diskriminiert. Seit der Einführung der Abgeltungsteuer 2009 zahlt der Anleger auf Dividenden und Zinsen den gleichen Steuersatz, obwohl auf Unternehmensebene bereits Gewinnsteuern erhoben werden, die höher sind als die gesamte Steuerbelastung von Zinsen. Diese Art der Diskriminierung von Risikokapital ist in Zeiten, in denen die Finanzierung über Banken immer schwieriger wird, ein ganz besonderer Irrsinn - den wir übrigens Herrn Steinbrück verdanken, dem angeblichen Wirtschafts- und Finanzexperten der SPD.
Lassen Sie uns zum britischen Vorbild Stempelsteuer zurückkommen.
Gerne. Wenn wie in Großbritannien nur der formale Eigentumswechsel besteuert wird, werden Anleger auf Derivate ausweichen. Genau das ist in England passiert: Dort werden überwiegend Contracts for Difference gehandelt, mit denen sich bei reduziertem Kapitaleinsatz auf Kursänderungen der den Kontrakten zugrundeliegenden Aktien spekulieren und die Stempelsteuer umgehen lässt. Ist es das, was wir in Deutschland wollen? Diese Derivate haben zur Folge, dass der stimmberechtigte Aktionär nicht mehr der ökonomische Risikoträger ist. Das wünschenswerte Zusammenwirken von Haftung und Kontrolle, etwa des Vorstands auf der Hauptversammlung, wäre noch mehr gestört als heute ohnehin schon.
Haben Sie kein Verständnis dafür, dass die Politik versucht, die Verursacher der Finanzkrise mit einer Steuer an den Kosten der Krise zu beteiligen?
Von Symbolpolitik halte ich gar nichts. Wenn die Politiker meinen, sie müssten mit gemeinschädlichen Initiativen wie der Finanztransaktionssteuer ihre Wähler beruhigen, weil die in dem Glauben gelassen werden, es treffe die Verursacher der Finanzkrise, dann gibt es für steuer- und wirtschaftspolitischen Unsinn keine Grenzen mehr. Dann können wir gleich die wirtschaftspolitischen Rezepte der griechischen Linksparteien übernehmen und ganz Europa zielsicher an die Wand fahren. Vielleicht gibt es aber hierzulande noch ein paar Politiker, die der Bevölkerung vermitteln, dass die jetzt geplante Finanztransaktionssteuer in erster Linie von den Versicherungs- und Wertpapiersparern gezahlt wird und nicht von den Banken oder anderen Verursachern der Finanzkrise.
Eine Finanztransaktionssteuer würde auch Riester-Sparer treffen?
Je nachdem, wie oft das in den Riester- und Rürup-Fonds angesparte Kapital an der Börse umgeschichtet wird, schrumpfen die daraus am Ende finanzierbaren Renten teilweise um zweistellige Prozentsätze. Bevor wir die aus persönlichen Ansparvorgängen resultierenden Renten kürzen, sollten wir lieber alle anderen Renten und vor allem die Beamten-, Abgeordneten- und Minister-Pensionen zusammenstreichen. Im Unterschied zur Finanztransaktionssteuer wäre das dann auch ein echter Beitrag zur Sanierung der Staats- und Rentenfinanzen. Aber hierzulande sind wir ja wohl schon so weit, dass der Griff in die Taschen des Beitrags- und Steuerzahlers eine höhere Legitimität für sich in Anspruch nehmen kann als der Schutz privater Ersparnisse. Auf die soll jetzt zugegriffen werden, damit die, die dem Staat und der Allgemeinheit auf der Tasche liegen, jedenfalls bis auf weiteres ungeschoren davonkommen. SPD und Grüne winken ja schon mit der Vermögensteuer, damit die Lasten der Finanzkrise aus der Sicht ihrer Klientel besser verteilt werden.
Noch mal: Warum ist das falsch?
Die Lasten der Finanzkrise sind jedenfalls hierzulande vor allem auf dem Rücken der Wertpapiersparer gelandet. Mit Aktien hat man seit über einem Jahrzehnt selbst vor Steuern und vor Inflation Geld verloren; der Anleihesparer ist etwas besser dran, aber die Mini-Renditen, die er jetzt erhält, decken nicht einmal die Inflationsrate. Wenn man dann noch nur die bereits bisher erhobenen Steuern einkalkuliert, wird einem schon schwarz vor Augen. Sparer, verkrümelt euch, oder verprasst eure Habe, solange es noch geht. Gute Nacht Deutschland, gute Nacht, Europa.
Das Gespräch führte Hanno Mußler.
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