Die tieferen Ursachen angloamerikanischen Expansionsdrangs. Eine Spurensuche
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Spätestens mit der Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wurde deutlich, dass die EU kein homogenes Gebilde ist. Denn bei der Schaffung der Euro-Gemeinschaftswährung am 1. Januar 2002 hatten sich die skandinavischen Länder und das Vereinigte Königreich vornehm zurückgehalten, die sich nun in Zeiten eines erodierenden Euros über ihr Pfund und ihre Kronen freuen. Für zeitgeist-Autor Wolfgang Effenberger eine Sache der Mentalität, in der sich traditionelle Seefahrervölker von Kontinentaleuropäern unterscheiden. Diese andere Grundhaltung sei es auch, die angelsächsisch dominierten Ländern, allen voran den USA, bis heute eine Vormachtstellung in der Welt garantiere.
Der amerikanische Historiker Lawrence M. Mead1 hat in seiner vielbeachteten Studie „Why Anglos Lead“ den Erfolg der angelsächsischen Nationen untersucht – Großbritannien, USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Für ihn reicht die US-amerikanische Hegemonie bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits im 20. Jahrhundert konnten die Vereinigten Staaten den Weltmachtambitionen von Deutschland, Japan und der Sowjetunion nachhaltig einen Riegel vorschieben. Heute weist die Welt für Mead Ähnlichkeiten mit dem späten viktorianischen Zeitalter auf – mit dem einzigen Unterschied, dass die USA Großbritannien als führende Macht verdrängt haben. Insgesamt behaupten die angelsächsischen Nationen im Weltkonzert ihre Führungsrolle.
Heute weist die Welt Ähnlichkeiten mit dem späten viktorianischen Zeitalter auf – mit dem einzigen Unterschied, dass die Vereinigten Staaten Großbritannien als führende Macht verdrängt habenGemeinsam betreiben die sogenannten UK-USA-Staaten – das sind Amerika, das Vereinigte Königreich, Kanada, Australien und Neuseeland – das Schnüffelsystem „Echelon“ (vgl. auch den Beitrag „Wikileaks: Freiheit der Information?“ auf zeitgeist Online).2 Es habe im wesentlichen nur Zugriff auf interkontinentale Kommunikation, die entweder über Kommunikationssatelliten vermittelt wird oder über Unterwasserkabel läuft, die in den obengenannten Ländern anlanden, heißt es im offiziellen Echelon-Bericht3 vom November 2011. Dabei gaben die USA zu, dass sie im Detail abhören, wenn es um international ausgeschriebene Großaufträge geht – im internationalen Bereich ist das mehr als ein unfreundlicher Akt.
„Die Anglo-Staaten – einzeln oder konzertiert – haben eine besondere Verantwortung für die Weltordnung übernommen. Dabei machen sie sich im Ausland Chaos und Aggression zunutze, wie es andere Länder in der Regel nicht tun. Alle wichtigen militärischen Operationen der letzten 15 Jahre [inzwischen sind es 21 Jahre] wurden von irgendeinem Anglo-Staat angeführt: abgesehen von dem aktuellen Afghanistan- und dem Irakkonflikt z.B. auch der Golfkrieg von 1991 sowie die sich daraus ergebenden Flugverbotszonen über dem Irak, militärische Operationen in Bosnien 1995 und im Kosovo 1999 und die humanitären Interventionen in Somalia, Haiti, Sierra Leone und Ost Timor“4, erklärt Lawrence M. Mead und fragt: Was genau erklärt die Anglo-Vorherrschaft?
Seine Antworten: Wie die Briten erkaufen sich heute auch die USA einen Großteil ihres auswärtigen Einflusses und finanzieren Verbindungen gegen ihre Rivalen. Die Engländer wurden bekanntlich reich, weil sie einen größeren und freieren Binnenmarkt entwickelten als ihre Rivalen auf dem Kontinent. Zugleich war die angelsächsische Aristokratie offener und förderte die industrielle Revolution; das Ganze eingebettet in eine Regierungsgewalt, die seit 1215 von der Magna Charta geprägt war. Frühzeitig wurden Krämergeist und Monopole abgeschafft. Und nur von hier konnte Adam Smith die Überlegenheit des freien Marktes predigen.
Neben Wohlstand und einer klaren Rechtsprechung macht Mead eine weitere Säule der angelsächsischen Vormachtstellung aus: ein moderner Militärapparat, der weit entfernt von seinem Heimatland operieren kann – wieder ein typisches Merkmal einer Seemacht. War es früher ausschließlich die Marine, kommt heute die Luftbrückenkapazität hinzu. Auch in diesem Punkt müssen die Kontinentalmächte passen.
Die Kombination des ungewöhnlichen Reichtums mit professionellen Militärs erlaubte Großbritannien, Frankreich in den Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts zu besiegen, wobei der Handelsdruck schließlich das Bourbonen-Regime in den Bankrott und in die Revolution steuerte. Auf ähnliche Weise zwangen die USA mittels Militär- und Wirtschaftsdruck das sowjetische Regime in den Zusammenbruch.
Schon Johann Wolfgang Goethe beobachte die Erfolge und Leistungen der Engländer und suchte auf seine Weise nach Erklärungen. Gegenüber seinem engen Vertrauten Johann Peter Eckermann äußerte der große Denker am 12. März 1828, dass „er alle Insulaner und Meeranwohner des gemäßigten Klimas für produktiver und tatkräftiger halte als die Völker im Innern großer Kontinente“.5 Der Engländer jedoch sei Meister, „das Entdeckte gleich zu nutzen, bis es wieder zu neuer Entdeckung und frischer That führt.“6 Und in Weimar wurde Goethes Eindruck bestätigt: „Engländer überhaupt scheinen vor vielen anderen etwas voraus zu haben. Wir sehen hier in Weimar ja nur ein Minimum von ihnen und wahrscheinlich keineswegs die besten; aber was sind das alles tüchtige Leute! Und so jung und siebzehnjährig sie hier auch ankommen, so fühlen sie sich doch in dieser deutschen Fremde keineswegs fremd und verlegen. Vielmehr ist ihr Auftreten und ihr Benehmen in der Gesellschaft so voller Zuversicht und so bequem, als wären sie überall die Herren und als gehöre die Welt überall ihnen.“7
Diese bewunderten Tugenden führte Goethe nicht auf die Geburt oder den Reichtum zurück, sondern ausschließlich darauf, dass die Engländer eben die Courage hätten, das zu sein, wozu die Natur sie gemacht hat. An ihnen sei nichts verbildet und verbogen. Diese Erkenntnis ließ Goethe dann den Wunsch äußern: „Könnte man nur den Deutschen, nach dem Vorbilde der Engländer, weniger Philosophie und mehr Tatkraft, weniger Theorie und mehr Praxis beibringen, so würde uns schon ein gutes Stück Erlösung zuteil werden.“8
Von zur See fahrenden Menschen werden andere Eigenschaften gefordert als von WaldbewohnernOb Goethe mit seiner Beobachtung nun richtig lag, oder ob die sichtbaren Erfolge der Engländer, ob Angel, Sachse oder Wikinger, ausschließlich auf ihre Seefahrerambitionen zurückzuführen sind, sei einmal dahingestellt. Wagen wir stattdessen einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung und die Lebensumstände der Einwohner Kontinentaleuropas. Ihnen boten sich ganz andere natürliche und klimatische Gegebenheiten, an die sie sich anpassen mussten. Denken und Handeln, ja das Verhalten insgesamt, wurden so auf ganz bestimmte Weise nachhaltig geprägt, was sich noch heute in unserem Selbstverständnis zeigt. Vor allem aber bildeten sich deutliche Mentalitätsunterschiede zwischen „Nordsee-Germanen“ und unseren direkten Vorfahren, den „Wald-Germanen“, aus.
So nimmt etwa die Einförmigkeit der Steppe dem Menschen die Heimat im engeren Sinn, ihre Unendlichkeit zwingt ein umherschweifendes Leben auf. Die in der nebligen Landschaft von undurchdringlichen Urwäldern jenseits des Rheins zwischen Jütland und den deutschen Mittelgebirgen lebenden Menschen sahen über den Horizont ihrer Sippe oder des Stammes nicht hinaus. Sie werden als unberechenbar und undiszipliniert geschildert. Um ca. 100 v. Chr. packt sie ein ungeregelter Drang nach Süden. Mit dem gesamten Hausrat, Vieh, Frauen, Greisen und Kindern strebten die Kimbern und Teutonen weg von den Nebelländern zur Sonne. Dabei handelten sie ohne erkennbaren Plan, oft mit widersprüchlichen Interessen. Mit einem Wort: irrational. Und das verunsicherte die in großen Zusammenhängen denkenden Römer. Die Kelten versuchten, sich die lästigen Waldnomaden auf Distanz zu halten, nannten sie unterschiedslos „Germani“. Tacitus hat diesen Begriff übernommen, wobei diese Waldstämme sich selbst nie als Germanen bezeichnet haben - so, wie sich die Huronen oder Irokesen nie als Indianer bezeichnet hätten.
Von Waldbewohnern werden auch in Notsituationen keine schnellen Entschlüsse verlangt. Falls doch, reichen Instinkte aus. Dafür können sie sich mit Mystik beschäftigen und nach erfolgreicher Nahrungsaufnahme in den Tag träumen. Neue und fremde Situationen werden häufig als unangenehm empfunden und möglichst gemieden. Bei sozialen Spannungen kann man sich anderen gegenüber verschließen und ihnen aus dem Weg gehen, während fürchterliche Unwetter gemeinsam in einer schützenden Höhle leichter zu ertragen sind.
Von zur See fahrenden Menschen werden ganz andere Eigenschaften gefordert. In seiner Fremdheit stellt das Meer ungleich höhere Anforderungen an die fachliche Tüchtigkeit des Menschen als das Land. Während das Meer den Horizont weitete, förderten Bootsbau und -beherrschung den technischen Verstand. Seefahrer müssen, wendig und schnell im Denken, die wechselnden Situationen auf See und an der Küste erfassen. Das führt im wahrsten Sinne des Wortes zwangsläufig zu einer verinnerlichten Weltoffenheit und zu strategischem Denken. Sie kennen ihr Ziel, beherrschen die Navigation und steuern ihre Boote mit aller Willensstärke und dem zum Führen eines hochseetüchtigen Schiffes notwendigen technischen Geschick. Die Vertrautheit mit den Naturgewalten und die jeweilige Anpassungsfähigkeit ist Voraussetzung. Im Unwetter wird allerhöchste Aufmerksamkeit und schnelles Handeln verlangt. Gemachte Erfahrungen müssen gerade in Notsituationen abgerufen und in der jeweiligen Situation weiterentwickelt werden können. Ein Träumer würde sein Ziel nie erreichen.
Und diese Prägung erfuhren Sachsen, Angeln, Jüten sowie die dänischen und norwegischen Wikinger, kurzum alle „Nordsee-Germanen“. Seemächte waren auch immer Anhänger des freien Weltmarktes und Motoren der technischen Evolution. Im 17. Jahrhundert trat England das Erbe des „Maritimen“ an und errichtete als die „Herrin der See“ ein in allen Erdteilen verstreutes britisch-imperialistisches Weltreich. Die englische Welt dachte weniger erd- und heimatverbunden, sondern mehr strukturbetont in Stützpunkten und Verkehrslinien. Das machte das Empire all jenen Völkern überlegen, die wegen der geographischen Topographie unter verengten Horizonten litten. So konnten „instinktsicher“ die Visionen William E. Gladstones durch die Realpolitik von Staatsmännern wie Lord Palmerston, Benjamin Disraeli und den Marquess of Salisbury wirksam durchgesetzt werden, wobei sie die kontinentalen „Reiche wie Deutschland oder Russland mitunter durch pure Verschlagenheit in Schach hielten.“9
Die englische Welt dachte weniger erd- und heimatverbunden, sondern mehr strukturbetont in Stützpunkten und VerkehrslinienSogar Kunst und Literatur wurden nachhaltig von dieser Prägung beeinflusst. Anders die Deutschen, die „in ihren Stil oft ein unsinnliches, unfassliches, breites und aufdröselndes Wesen“ hineinbringen, so Goethe zu Eckermann, würden die Engländer „als geborene Redner und als praktische, auf das Reale gerichtete Menschen“ alle gut schreiben.10 In der „deutschen Kunst“ verstellten oft Individualismus und Partikularismus auf eigensinnigste Weise den Weg und konzentrierten die schöpferischen Kräfte auf das Bewahren. Die Romantik „bevorzugt das Verschränkte und Wuchernde, das Komplizierte und Erregte. Spätromanik, Spätgotik, Barock und Rokoko sind dafür Belege. Daraus leitet sich eine Reihe weiterer Merkmale ab: die Freude am Irrationalen, die Begabung für das Phantastische, die Hingabe an die übersteigerte Form, an den derben oder verzerrten Ausdruck“.11
Im Gegensatz dazu machte ein eigentümlicher Wirklichkeitssinn die Engländer skeptisch gegenüber dem Barock und der allegorischen Historienmalerei. Dafür stand das Verhältnis von Mensch und Umwelt im Vordergrund. „Diesen Tatsachensinn belegt auch der führende englische Anteil an drei Bewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts, deren Ziel es ist, der Kunst eine konkrete Nutzanwendung zu geben: an der Eisen- bzw. Ingenieurarchitektur, dem modernen Städtebau.“12 In den Jahren zwischen 1790 und 1850 begann die Romantik zunächst als Protest der Jugend gegen die Normen der älteren Generation und war durch ein hohes Maß an Emotionalität und Überschwang gekennzeichnet. In Literatur und Kunst war sie ein Aufbegehren gegen den Klassizismus und nach Nietzsche „eine barbarische, wenngleich noch so entzückende Aussprudelung hitziger und bunter Dinge aus einer ungebändigten Seele ... eine Kunst der Überspannung, der Erregungen, des Widerwillens gegen das Geregelte, Eintönige, Einfache, Logische“.13
Die Romantik als Reaktion gegen den Rationalismus der Aufklärung mit seiner Vergötterung des Intellekts: Ihre Vertreter zogen der mathematischen Ordnung die Fülle und Ungeordnetheit des Lebens vor, wobei sie eine Vorliebe für transzendentalphilosophische und mythische okkultistische Züge entwickelten; sie kehrten der schmucken Eleganz des französischen Gartens den Rücken und wandten sich den verschlungenen Mysterien des deutschen Waldes zu „in welchem sich alle Naturgeheimnisse und Naturwohltaten zusammenfinden … Was die böse, überkluge, nüchterne, lichte und kalte Welt verschuldet und verwickelt, das muß der grüne, geheimnisvolle, bezaubernde, finstere, kulturverschlossene, aber dem Naturrecht getraute Wald wieder lösen und zurechtbiegen. Wer noch ein Herz im Leibe hat, dem muss es weh tun, dass er nicht im Wald wohnen und von Waldbeeren leben kann“.14 Doch es war ein drohender Wald. Die Kinder, die von Beeren lebten, gerieten bald ins Hexenhaus.
Es galt das Unbegrenzte, Schweifende, das Gefühlsmäßige zu erleben. In Märchen konnten die unauslotbaren Abgründe der menschlichen Psyche, die Nachtseiten des Lebens, das Unergründliche sowie das Geheimnisvolle der Natur (symbolisiert in Novalis' „blauer Blume“) abgehandelt werden. Dazu wurde in Deutschland der zerrissenen, verhassten Gegenwart das Idealbild des Mittelalters als einer geschlossen angesehenen Wert- und Gefühlswelt gegenübergestellt.
Mit der schwärmerischen Verehrung des Mittelalters wurde die romantische Vorstellung von Volkstum und Volksgeist entwickelt und damit die Grundlage des modernen Geschichtsbewusstseins gelegt.
Cricketspielen war sozial, machte auch das Zusammenspiel auf dem Gefechtsfeld leichter – man begegnete sich auf gleicher AugenhöheDaraus erwuchs die sogenannte „politische Romantik“ (Ernst Moritz Arndt u. a.)15, die wesentlichen Anteil an der Schaffung eines deutschen Nationalbewusstseins hatte und mit ihrem mystischen Volkstumsbegriff und ihrer organischen Gemeinschaftsidee zur Grundlage für reaktionäre Strömungen bis ins 20. Jahrhundert werden sollte.16 Von derartigen Auswüchsen blieb die angelsächsische Romantik verschont. „Unter der Kombination von Archaismus und Schwärmerei, die nach dem Eindruck des Ausländers die Romantik auszumachen schienen“, schrieb der Historiker Gordon Craig (1913–2005), „schlummerten Kräfte des Schreckens, der Gewalttätigkeit und des Todes.“17 Während die Franzosen die Romantik als „le malaise allemand“ sehen und für den Aufstieg Adolf Hitlers mit verantwortlich machen, rückte der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt (1888–1985) zurecht: „Alles Romantische steht im Dienste von anderen unromantischen Ideen.“18
Da spielte man im Empire schon lieber Cricket, den ersten Teamsport des englischen Landadels. Die ersten Clubs waren Dormannschaften, bestehend aus adligen Landbesitzern, seinen Bediensteten und Pächtern. Das war sozial, machte auch das Zusammenspiel auf dem Gefechtsfeld leichter – man begegnete sich auf gleicher Augenhöhe. In der Geschichte des British Empire, so J. E. C. Welldon, Schulleiter der Eliteanstalt von Harrow, zu Beginn des Jahrhunderts, „stehe geschrieben, dass England seine Souveränität seinen Sportarten verdanke. Sport, so Sir Robert Ensor noch 1936, insbesondere die ,organized games‘, sei der wichtigste Beitrag Englands zur Weltkultur“.19 Die Bemerkung des großen britischen Historikers George Macauly Trevelyan (1876–1962), hätten die französischen Aristokraten nur mit ihren Bauern Cricket gespielt, dann wären 1789 ihre Schlösser nicht niedergebrannt worden, trifft diese Gelassenheit der englischen Oberschicht gegenüber der Beteiligung des gemeinen Mannes am Wettkampf.
Im Gegensatz zum Kontinent verfügte die hoch entwickelte bürgerliche Gesellschaft Großbritanniens im 18. und 19. Jahrhundert über genügend Freizeit, Ideenreichtum und entsprechende finanzielle Voraussetzungen, um weitere Sportarten zu ihrer heute noch gültigen Form zu entwickeln. Ein erster Vorläufer des Regattasegelns – heute noch Domäne der Länder mit angelsächsischem Hintergrund – wurde sogar schon 1661 als Segelwettbewerb auf der Themse von Greenwich nach Gravesand ausgetragen. Nachdem 1815 der erste Yachtclub in London gegründet wurde, erfolgte hier 1907 der Zusammenschluss aller Länder-Segelverbände zur IYRU (International Yacht Racing Union).20
1744 wurde im großbritannischen Leith der erste richtige Golfplatz und -club gegründet und die ersten Golfregeln in Stein gemeißelt. Viele von ihnen zählen bis heute noch zum Regelwerk des Golfsports. Das erste professionelle Golfturnier fand im Jahr 1860 im Prestwick Golfclub statt. Während 1790 in London Daniel Mendoza das Boxen mit Handschuhen und nach festen Kampfregeln durchsetzte, trafen sich 1846 in Cambridge Vertreter altehrwürdiger Privatschulen, um ein gemeinsames, möglichst unkompliziertes Regelwerk für den Fußball zu schaffen. 1855 wurde der weltweit erste Fußballverein in Sheffield gegründet. Daneben konnten sich Sportarten wie Tennis, Tischtennis, Badminton und eben auch Cricket entwickeln – dagegen waren die „germanischen“ Sportarten wie Tauziehen, Steinstoßen, Speerwurf und Bogenschießen chancenlos.
Aus vermeintlichen Schwächen können irgendwann auch Stärken werden.
So mussten im Ersten Weltkrieg die die Weltmeere beherrschenden
angelsächsischen Vettern um ihre Vormachtstellung zu See fürchten. Und
das von ihren hinterwäldlerischen Verwandten! Diese hatten eine
gefährliche Waffe in die Meere geschickt, eine Waffe, die ohne Horizont
auskam. Mit dem Unterseeboot setzten sie ihre Wald- und
Dickichterfahrung auf äußerst erfolgreiche Weise um. So wie sie zu
Zeiten von Tacitus sich vorsichtig in eine Lichtung oder an einen
Waldrand wagten, peilten sie nun mit dem Periskop die Lage, tauchten
kurz auf und schossen die Torpedos ab, um dann wieder in der
Unendlichkeit des Meeres zu verschwinden.
„Es ist immer England, weil wir eine Insel sind, die einst ein Weltreich aufbaute – wir sind daran gewöhnt, ins Ausland zu gehen, um dort zu kämpfen“Anlässlich der Ausschreitungen britischer Fans zu Beginn der Fußball-EM in Portugal 2004 fragte Professor Eric Dunning, Hooligan-Experte an der Universität Leicester: „Warum immer England?“ Er nennt vor allem zwei Gründe: die britische Geschichte sowie die Wurzeln des Fußballsports in der Arbeiterklasse. „Es ist immer England, weil wir eine Insel sind, die einst ein Weltreich aufbaute – wir sind daran gewöhnt, ins Ausland zu gehen, um dort zu kämpfen“21 , erläutert er und verweist auf die Geschichte: Schon 1147 legten englische Kreuzfahrer auf dem Weg nach Jerusalem in Lissabon einen Zwischenstopp zum Morden und Brandschatzen ein, später gefolgt von den Freibeutern des Sir Francis Drake und den Söldnern des Generals Wellington. Unter den in Portugal festgenommenen Hooligans befanden sich keineswegs nur Arbeiterkinder. Sie einte interessanterweise ein gehobener Hintergrund: der Spross eines Psychotherapeuten, der Enkel eines Polizeipräsidenten, der Sohn eines Firmenchefs und ein Archäologie-Student.
Heute sollten die langfristigen Ziele der angelsächsisch dominierten NATO kritisch hinterfragt werden. Auch sollte bei aller kontinentaleuropäischen Euphorie nachdenklich stimmen, dass alle von Wikingern beeinflussten Länder – Großbritannien, Island, Schweden, Norwegen und Dänemark22 – bisher auf eine Teilnahme am EU-Währungssystem verzichten.
ANMERKUNGEN
- Lawrence M. Mead ist Professor für Politik an der New York University, wo er über Staatstätigkeit sowie das amerikanische Regierungswesen referiert. Er hat mehrere Bücher zur amerikanischen Gesellschaftspolitik verfasst.
- Vgl. „Das FBI gesteht: Ja, wir arbeiten am Schnüffelsystem ,Magic Lantern'“, veröffentlicht am 13. Dezember 2001 auf Spiegel online
- „Dokumentation: Der offizielle Echelon-Bericht von Gerhard Schmid an das EU-Parlament", veröffentlicht am 7. November 2001 unter Spiegel online
- Quelle: „Why Anglos Lead“, veröffentlicht am 6. Januar 2006 auf Majorityrights.com
- Zitiert aus: Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. 1823–1832. o. V., Berlin/Leipzig 1835, Bd. 2, S. 264
- Zitiert aus: Gustav von Loeper: Goethe's Werke. Neunzehnter Theil. Sprüche in Prosa. S. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1870, S. 201, Nr. 931
- Zitiert aus Eckermann, a. a. O., S. 269f.
- ebenda.
- Zitiert aus: Robert D. Kaplan: Die Welt sicher machen für die Demokratie. Was wir jetzt tun müssen. Die zehn Regeln für das amerikanische Imperium des 21. Jahrhunderts, veröffentlicht am 26. Juli 2003 in Die Welt
- Zitiert aus Eckermann, a. a. O., Bd. 1, S. 109
- Zitiert aus: Werner Hofmann: Fischer Lexikon Bildenden Kunst. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 1960, Bd. II, S. 53
- Ebenda, S. 71
- Zitiert aus Gordon Craig: Über die Deutschen. Beck, München 1982, S. 217
- Bogumil Goltz zitiert in: Craig, a. a. O., S. 220
- Siehe Schüler-Duden „Die Literatur“, Dudenverlag, Mannheim 1989
- Das Biedermeier wird zur Charakterisierung „deutscher Kultur und Politik“ deshalb ausgeklammert, weil es eines der weniger ruhmreichen Kapitel derselben ist; allerdings ein besonders einflussreiches!
- Zitiert aus Craig, a. a. O., S. 217
- Ebenda, S. 236
- Zitiert aus: Jürgen Kaube: Mit dem Commonwealth auf Augenhöhe. Erschienen in: Zeitschrift für Kulturaustausch, Heft 1/2000
- Vgl. Bob Bond: The Handbook of Sailing, o. V., London 1985
- „Tradition der Kreuzfahrer“ (dpa), veröffentlicht am 18. Juni 2004 in der SZ, Nr. 138, S. 36
- Großbritannien, Schweden und Dänemark als Mitglieder der EU, Island und Norwegen als Mitglieder des EWR (Europäischen Wirtschaftsraumes)
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