Deutsche Forderungen innerhalb des Eurosystems auf Rekordhoch
25.08.11
Während sich die öffentliche Diskussion in Deutschland noch um den Euro-Rettungsschirm oder die Einführung von Euro-Bonds dreht, haben Länder wie Irland, Griechenland und Portugal längst eine weitere Finanzierungsquelle aufgetan, das Verrechnungssystem der Zentralbanken. – Größter Kreditgeber ist die Bundesbank.
Bereits seit vier Jahren entwickelt sich für die deutschen Steuerzahler zu einem potenziellen Risiko, was sich hinter der Position „Forderungen innerhalb des Euro-Systems“ in der Bilanz der Deutschen Bundesbank verbirgt. Was beim Abschluss des Maastricht-Vertrages über die Europäische Währungsunion noch als kurzfristiger Verrechnungssaldo gedacht war, ist seit dem Jahr 2007 zum längerfristig genutzten Überziehungskredit für Krisenländer herangewachsen. Im Rahmen des sogenannten „Target 2“- Systems, einem Verrechnungssystem der Zentralbanken, stehen Banken der Euro-Zone bei der Deutschen Bundesbank mittlerweile mit hunderten Milliarden Euro in der Kreide. Lagen die Salden in der Zeit zwischen 1999 und dem Jahr 2007 gewöhnlich im Durchschnitt bei 15 Milliarden Euro, so explodieren die Zahlen seit über drei Jahren förmlich. Pro Jahr wächst der Saldo im Schnitt um 100 Milliarden Euro. Der im Juli 2011 erreichte Stand markiert einen Rekordwert: 355,977 Milliarden Euro nach 348,854 Milliarden Euro im Vormonat.
Größter Schuldner bei dem Spiel ist Irland, das so die Liquidität für seinen nationalen Bankensektor sichert. Bis Ende 2010 hatte Irland bereits Verbindlichkeiten in Höhe von 146,1 Milliarden Euro aufgebaut. Allerdings haben auch Griechenland mit 87 Milliarden Eurom, Portugal mit knapp 60 Milliarden Euro und Spanien mit rund 51 Milliarden Euro bis zum Ende 2010 beträchtliche Schulden angehäuft, die inzwischen noch weiter zugenommen haben. Es ist kein Zufall, dass eben die Länder, die so umfangreich bei der Bundesbank anschreiben lassen, auch diejenigen sind, die bereits die Hilfe des Euro-Rettungsschirms in Anspruch nehmen. Die Verbindlichkeiten gegenüber der Bundesbank sind faktisch ein zusätzliches Hilfspaket, von der Öffentlichkeit allerdings kaum beachtet, selten in den Medien gemeldet und dem Bundestag bisher auch keine Debatte wert. Angesichts der Summe von 355 Milliarden Euro ist das erstaunlich. Selbst nach der erfolgten Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF kann dieser nur 440 Milliarden Euro effektiv an Krediten gewähren. Dass die Bundesbank überhaupt wider Willen derartig in Anspruch genommen werden kann, lässt sich eigentlich nur durch Naivität während der Vertragsverhandlungen zum Maastricht-Vertrag begründen. Die damals Verantwortlichen gingen scheinbar davon aus, dass es sich bei den Salden im innereuropäischen Zahlungsverkehr auch in Zukunft um unwesentliche Beträge handeln würde. Eine Begrenzung dieser faktischen Kreditgewährung ist deshalb nicht erfolgt.
Einen etwas klareren Blick für die Realität hatten da die Konstrukteure des US-Zentralbanksystems. Für die zwölf Distriktbanken des Federal Reserve Systems ist zumindest jährlich ein Ausgleich entstandener Salden zur Pflicht gemacht worden.
Bereits seit Monaten warnt Professor Hans-Werner Sinn vom Münchener Ifo-Institut vor den entstandenen Risiken durch die missbräuchliche Nutzung der Zahlungsverkehrssalden für die Bundesbank und die deutschen Steuerzahler. Seiner Meinung nach handelt es sich um „eine Art Kontokorrentkredit, der anderen Ländern gewährt wird“ und der zur Finanzierung von Leistungsbilanz-Defiziten der Euro-Krisenländer genutzt wird.
Zum Problem kann dies werden, sobald eines der Länder zahlungsunfähig wird. Wie die entsprechenden Auswirkungen in der Realität aussehen, wird sich wahrscheinlich schon bald am Beispiel Griechenland beobachten lassen. Dass die griechische Misere wirklich noch auf einen „partiellen Zahlungsausfall“ begrenzt werden kann, wie von EU-Vertretern erhofft, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Im Falle der Insolvenz hätte die Bundesbank Forderungen gegenüber Griechenland von fast 90 Milliarden Euro in ihren Büchern. Als Entgegnung auf die Warnung von Professor Sinn bezüglich der „Target 2“-Salden haben Kritiker bislang nur mit formellen Argumenten argumentieren können, die am Kern der Aussage nichts ändern. Sie pochen darauf, dass rechtlich die Forderungen der Bundesbank gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) bestehen, welche wiederum gegenüber den nationalen Zentralbanken ihre Forderung geltend macht. Sollten die Beträge für die EZB allerdings nicht mehr einbringbar sein, würde für die Bundesbank eine Nachschusspflicht zum Ausgleich der entstandenen Verluste bestehen – immerhin 27 Prozent, wie es dem deutschen EZB-Anteil entspricht. Beim jetzigen Stand müsste im Extremfall die Bundesbank so nicht 355 Milliarden Euro abschreiben, sondern würde knapp unter der 100 Milliarden-Euro-Schwelle bleiben. Kaum ein Trost für die deutschen Steuerzahler. Norman Hanert
Bereits seit vier Jahren entwickelt sich für die deutschen Steuerzahler zu einem potenziellen Risiko, was sich hinter der Position „Forderungen innerhalb des Euro-Systems“ in der Bilanz der Deutschen Bundesbank verbirgt. Was beim Abschluss des Maastricht-Vertrages über die Europäische Währungsunion noch als kurzfristiger Verrechnungssaldo gedacht war, ist seit dem Jahr 2007 zum längerfristig genutzten Überziehungskredit für Krisenländer herangewachsen. Im Rahmen des sogenannten „Target 2“- Systems, einem Verrechnungssystem der Zentralbanken, stehen Banken der Euro-Zone bei der Deutschen Bundesbank mittlerweile mit hunderten Milliarden Euro in der Kreide. Lagen die Salden in der Zeit zwischen 1999 und dem Jahr 2007 gewöhnlich im Durchschnitt bei 15 Milliarden Euro, so explodieren die Zahlen seit über drei Jahren förmlich. Pro Jahr wächst der Saldo im Schnitt um 100 Milliarden Euro. Der im Juli 2011 erreichte Stand markiert einen Rekordwert: 355,977 Milliarden Euro nach 348,854 Milliarden Euro im Vormonat.
Größter Schuldner bei dem Spiel ist Irland, das so die Liquidität für seinen nationalen Bankensektor sichert. Bis Ende 2010 hatte Irland bereits Verbindlichkeiten in Höhe von 146,1 Milliarden Euro aufgebaut. Allerdings haben auch Griechenland mit 87 Milliarden Eurom, Portugal mit knapp 60 Milliarden Euro und Spanien mit rund 51 Milliarden Euro bis zum Ende 2010 beträchtliche Schulden angehäuft, die inzwischen noch weiter zugenommen haben. Es ist kein Zufall, dass eben die Länder, die so umfangreich bei der Bundesbank anschreiben lassen, auch diejenigen sind, die bereits die Hilfe des Euro-Rettungsschirms in Anspruch nehmen. Die Verbindlichkeiten gegenüber der Bundesbank sind faktisch ein zusätzliches Hilfspaket, von der Öffentlichkeit allerdings kaum beachtet, selten in den Medien gemeldet und dem Bundestag bisher auch keine Debatte wert. Angesichts der Summe von 355 Milliarden Euro ist das erstaunlich. Selbst nach der erfolgten Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF kann dieser nur 440 Milliarden Euro effektiv an Krediten gewähren. Dass die Bundesbank überhaupt wider Willen derartig in Anspruch genommen werden kann, lässt sich eigentlich nur durch Naivität während der Vertragsverhandlungen zum Maastricht-Vertrag begründen. Die damals Verantwortlichen gingen scheinbar davon aus, dass es sich bei den Salden im innereuropäischen Zahlungsverkehr auch in Zukunft um unwesentliche Beträge handeln würde. Eine Begrenzung dieser faktischen Kreditgewährung ist deshalb nicht erfolgt.
Einen etwas klareren Blick für die Realität hatten da die Konstrukteure des US-Zentralbanksystems. Für die zwölf Distriktbanken des Federal Reserve Systems ist zumindest jährlich ein Ausgleich entstandener Salden zur Pflicht gemacht worden.
Bereits seit Monaten warnt Professor Hans-Werner Sinn vom Münchener Ifo-Institut vor den entstandenen Risiken durch die missbräuchliche Nutzung der Zahlungsverkehrssalden für die Bundesbank und die deutschen Steuerzahler. Seiner Meinung nach handelt es sich um „eine Art Kontokorrentkredit, der anderen Ländern gewährt wird“ und der zur Finanzierung von Leistungsbilanz-Defiziten der Euro-Krisenländer genutzt wird.
Zum Problem kann dies werden, sobald eines der Länder zahlungsunfähig wird. Wie die entsprechenden Auswirkungen in der Realität aussehen, wird sich wahrscheinlich schon bald am Beispiel Griechenland beobachten lassen. Dass die griechische Misere wirklich noch auf einen „partiellen Zahlungsausfall“ begrenzt werden kann, wie von EU-Vertretern erhofft, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Im Falle der Insolvenz hätte die Bundesbank Forderungen gegenüber Griechenland von fast 90 Milliarden Euro in ihren Büchern. Als Entgegnung auf die Warnung von Professor Sinn bezüglich der „Target 2“-Salden haben Kritiker bislang nur mit formellen Argumenten argumentieren können, die am Kern der Aussage nichts ändern. Sie pochen darauf, dass rechtlich die Forderungen der Bundesbank gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) bestehen, welche wiederum gegenüber den nationalen Zentralbanken ihre Forderung geltend macht. Sollten die Beträge für die EZB allerdings nicht mehr einbringbar sein, würde für die Bundesbank eine Nachschusspflicht zum Ausgleich der entstandenen Verluste bestehen – immerhin 27 Prozent, wie es dem deutschen EZB-Anteil entspricht. Beim jetzigen Stand müsste im Extremfall die Bundesbank so nicht 355 Milliarden Euro abschreiben, sondern würde knapp unter der 100 Milliarden-Euro-Schwelle bleiben. Kaum ein Trost für die deutschen Steuerzahler. Norman Hanert
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