Donnerstag, 30. Juni 2011

PAZ: US-Immobilienkrise in der zweiten Runde, Goldmann Sachs zieht sich zurück

US-Immobilienkrise in der zweiten Runde

Zahl der nicht mehr bedienten Kredite wächst – Preise brechen dramatisch ein

30.06.11
Die Bank gewinnt fast immer: Im Jahre 2010 wurden über eine Million Immobilien zwangsgeräumt. Bild: pa

Das Platzen der Preisblase auf dem US-Häusermarkt war im Jahr 2007 Auslöser der bis jetzt andauernden weltweiten Finanzkrise. Nach einer kurzen Stabilisierungphase droht sich die Lage auf dem Immobilienmarkt erneut zuzuspitzen.

Über eine Million Mal endete im Jahr 2010 der Traum vieler Amerikaner vom eigenen Heim in der Zwangsräumung. Im Rahmen des „Foreclosure-Verfahrens“ wurden im vergangenen Jahr über eine Million Immobilien geräumt und zwangsversteigert, nachdem die Kreditraten nicht mehr bezahlt wurden. Dieser Rekordwert hätte sogar noch höher ausfallen können. Im Herbst 2010 haben etliche Banken die von ihnen vorangetriebenen Zwangsversteigerungen vorübergehend ausgesetzt. Aufgrund fehlerhafter Unterlagen waren sie vor Gericht nicht in der Lage zu beweisen, dass sie wirklich Eigentümer der Hypotheken waren. Mitunter waren täglich tausende Zwangsvollstreckungsdokumente bei den Gerichten vorgelegt worden, ohne dass eine Prüfung der Unterlagen stattgefunden hatte.
Folge diese „Foreclosuregate“- Skandals war, dass einige Großbanken sich dem Vorwurf ausgesetzt sahen, Eigenheimbesitzer zu Unrecht auf die Straße gesetzt zu haben. Für die Banken dauert es inzwischen immer länger, ihre Ansprüche durchzusetzen. In den 27 Bundesstaaten, in denen Gerichte bei dem Verfahren eingeschaltet werden müssen, stauen sich immer mehr Fälle. Laut der „New York Times“, die sich auf Untersuchungen des Immobilien-Dienstleisters LPS Applied Analytics beruft, ist damit zu rechnen, dass die 213000 Fälle, die im Staat New York derzeit noch unbearbeitet sind, erst in 62 Jahren abgeschlossen sind, wenn das derzeitige Tempo beibehalten wird. In New Yersey, das eine ähnliche Prozedur wie New York anwendet, ist mit einer Verfahrensdauer von 49 Jahren zu rechnen. Florida, Massachusetts und Illinois werden immerhin noch ein Jahrzehnt benötigen. Die Gerichte brechen nicht nur unter der großen Zahl der Verfahren zusammen, sondern auch immer mehr Bewohner wehren sich juristisch und schöpfen sämtliche Rechtsmittel aus. Beobachter sehen den Grund darin, dass in den Zwangsvollstreckungsverfahren zunehmend Vertreter der Mittelschicht Gegner der Banken sind. Im Gegensatz zu den Verfahren, in die einkommensschwache Immobilienkäufer des „Sub-Prime-Segments“ verwickelt waren, wird nun immer häufiger ein Anwalt eingeschaltet.
Die Erlöse, die von den Banken aus den zwangsversteigerten Häusern erzielt werden, liegen im Durchschnitt ein Drittel unter dem Marktpreis. Die Millionen von zwangsversteigerten Häusern treffen auf eine sinkende Nachfrage. Wachsende Arbeitslosenzahlen und ein steigendes Zinsniveau führen zu einem Teufelskreis auf dem Immobilienmarkt. Staatliche Hilfsprogramme und steuerliche Anreize haben die Häuserpreise nur für begrenzte Zeit stabilisieren können. Nach dem Auslaufen der Programme sinken die Preise wieder, so dass inzwischen das Preisniveau von 2002 erreicht ist.
Gleichzeitig wächst die Zahl der nicht mehr bedienten Immobilien-Kredite. Im April waren landesweit 6,39 Millionen Finanzierungen entweder bereits in der Zwangsvollstreckung oder wurden als notleidende Kredite eingestuft, für die seit mindestens 90 Tagen keine Raten mehr bezahlt wurden. Noch düsterer sieht es indessen bei gewerblichen Immobilien aus. Der „Real All Property Type Aggregate Index“ der Ratingagentur Moody’s ist im April auf den niedrigsten Stand seit dem Auflegen des Index im Jahr 2000 gefallen. Im Vergleich zum Hoch im Jahr 2007 haben sich die Preise für gewerbliche Immobilien im Jahr 2011 um 49 Prozent nahezu halbiert. Folge dieses Preisverfalls ist, dass aktuell die Hälfte der Hypotheken für Gewerbeimmobilien „unter Wasser steht“. Zum Höhepunkt der Preisblase gekauft, sind die Immobilien nach dem Preisverfall inzwischen weniger Wert als die noch ausstehende Hypothek.
Von Professor Robert Shiller, Mitinitiator des im Immobiliensektor viel beachteten „Case-Shiller-Index“, wird auch bei Wohnimmobilien ein weiterer Preisrückang von zehn bis 25 Prozent in den nächsten Jahren für wahrscheinlich gehalten. Er schließt sogar eine Wiederholung der japanischen Entwicklung nicht aus: Nach dem Platzen der Immobilien-Blase in den 90er-Jahren fielen in Japan die Preise 15 Jahre lang, so dass Immobilien zwei Drittel ihres Wertes verloren. Im Jahr 2006 stiegen die Preise kurzzeitig an, bevor sie zum erneuten Sinkflug ansetzten. Ergebnis dieser über 20-jährigen Krise in Japan sind die sogenannten „Zombie“-Banken. Die in den 80er-Jahren mächtigsten Banken der Welt werden seitdem mit billigen Krediten künstlich am Leben gehalten.
Das Schicksal der japanischen Konkurrenz dürfte auch bei Goldman-Sachs bekannt sein. Die Investmentbank hat unlängst ihren Rückzug aus dem wenig einträglichen US-Hypothekengeschäft bekannt gegeben.
Norman Hanert

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