Dienstag, 5. Juli 2011

HB: Moody's stuft Portugals Bonität auf Ramschniveau herab

Negativer Ausblick: Moody's stuft Portugals Bonität auf Ramschniveau herab

Die Ratingagentur Moody's misstraut den Sparmaßnahmen der portugiesischen Regierung - und stuft die langfristigen Anleihen des Landes auf eine Ramschnote ab. Der Euro reagiert mit Kursverlusten.


Die Ratingagentur Moody's stuft Portugal zurück. Quelle: dpa
Die Ratingagentur Moody's stuft Portugal zurück. Quelle: dpa

New York/LissabonDie Ratingagentur Moody's hat Portugal eine heftige Ohrfeige verpasst und als erste Agentur die Bonitätsnote des schuldengeplagten Landes auf Ramschstatus gesenkt. Es gebe ein hohes Risiko, dass Portugal ein zweites Hilfspaket benötige, bevor es an die Kapitalmärkte zurückkehren könne, begründete Moody's am Dienstag den Schritt. Die Agentur bewertet die Kreditwürdigkeit des Landes, das bereits Hilfen der Europäischen Union und des Internationalem Währungsfonds (IWF) über 78 Milliarden Euro erhält, nun mit Ba2 und damit vier Stufen unter dem bisherigen Rating. Der Ausblick sei negativ.

Portugals Regierung erklärte, Moody's würde die jüngst eingeführte Sondersteuer und die politische Unterstützung für den Sparkurs nicht berücksichtigen. Der Euro fiel auf ein Tagestief. Investoren verschreckte die Aussicht, dass neben Griechenland ein weiterer Euro-Staat zusätzliche Unterstützung beantragen könnte.

Moody's hegt nach eigenen Angaben größere Bedenken, dass Portugal nicht in der Lage sein werde, die mit der EU und dem IWF vereinbarten Defizitziele zu erreichen. Zugleich sei das Risiko gestiegen, dass sich das Land im zweiten Halbjahr 2013 und einige Zeit danach nicht zu tragbaren Zinsen Geld leihen könne. Das bisherige Sparpaket sieht vor, dass sich Portugal ab 2013 wieder selbst an den Märkten refinanziert. Der Staat steht laut Moody's vor Herausforderungen bei der Kürzung der Staatsausgaben, den Hilfen für das Finanzsystem sowie einer Ankurbelung des Wirtschaftswachstums.

Analyst Robert Tipp von Prudential sah die Herunterstufung als Beleg dafür, dass die Schuldenkrise - auch, wenn Griechenland ein zweites Paket erhält - nicht vor anderen Ländern Halt macht. Diese Situation werde auch im nächsten oder übernächsten Jahr andauern.

Portugals neue Mitte-Recht-Regierung teilte mit, die Herabstufung verdeutliche die Anfälligkeit der portugiesischen Wirtschaft in der Schuldenkrise. Zugleich versicherte sie, es werde alles getan, um die verschärften Sparanstrengungen zu bewältigen. Anders als die griechische Regierung wird die Koalition in Lissabon in ihrem Sparkurs von den kürzlich abgewählten Sozialdemokraten unterstützt.

Wie schlimm es um Portugals Wirtschaft steht

  • Wirtschaftswachstum

    Portugal leidet seit Jahren unter einem schwachen Wachstum. Hatte das Land nach dem Beitritt zur EU 1986 noch von seinen günstigen Löhnen profitiert und war verlängerte Werkbank für viele europäische Unternehmen, so sind inzwischen Standorte in den neuen EU-Mitgliedsstaaten Polen, Rumänien oder Ungarn attraktiver. In diesem und im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung auch wegen der Sparpakete um jeweils zwei Prozent schrumpfen, verlautete aus Kreisen. 2010 schaffte Portugal noch ein Wachstum von 1,4 Prozent.

  • Arbeitsmarkt

    Ende 2010 waren 11,1 Prozent der Portugiesen ohne festen Arbeitsplatz - so viele wie seit Jahrzehnten nicht. Experten rechnen nicht mit einer schnellen Besserung. Seit 2005 wurden zwar einige Reformen auf den Weg gebracht und die Flexibilität am Arbeitsmarkt erhöht. Doch es fehlen Unternehmen, die neue Jobs bereitstellen. Der öffentliche Dienst ist ein wichtiger Arbeitgeber in Portugal: Ungefähr 670.000 Menschen sind beim Staat beschäftigt, das entspricht 13 Prozent aller Arbeitnehmer.

  • Privatwirtschaft

    Die Landwirtschaft spielt in Portugal eine wichtigere Rolle als in vielen anderen europäischen Staaten. Etwa elf Prozent der Erwerbsbevölkerung sind in landwirtschaftlichen Betrieben tätig. Eine wichtigste Pflanze ist dabei die Korkeiche: Pro Jahr werden in Portugal etwa 157.000 Tonnen Kork geerntet, das entspricht der Hälfte der weltweiten Produktion. 28 Prozent aller Arbeitnehmer sind in der Industrie beschäftigt. Besonders wichtig ist dabei die Automobilbranche sowie Zulieferer, Textilunternehmen und Schuhhersteller. Auch der Tourismus spielt eine bedeutende Rolle für die portugiesische Wirtschaft. Bei Dienstleistern arbeiten 61 Prozent aller Beschäftigten.

  • Staatshaushalt

    2010 häufte die Regierung in Portugal ein Haushaltsdefizit von 9,1 Prozent der Wirtschaftsleistung an, das ist mehr als zuvor angegeben. Grund ist, dass die Verluste von öffentlich-privaten Partnerschaften eingerechnet wurden. Damit, und angesichts der schrumpfenden Wirtschaftsleistung, dürfte es schwieriger werden, die Sparziele zu erreichen. Immerhin erhält die Regierung etwas Luft: In diesem Jahr muss sie den Fehlbetrag lediglich auf 5,9 Prozent drosseln, zuvor hatte sie 4,6 Prozent angestrebt. 2012 sind es 4,5 Prozent, 2013 dann drei Prozent.

Premier Pedro Passos Coelho will unter anderem eine einmalig zu zahlende Einkommenssteuer erheben. Auf diese Weise soll die Defizitgrenze von 5,9 Prozent des BIP erreicht werden. Zu dieser hat sich Portugal im Rahmen des 78 Milliarden schweren Rettungspakets mit EU und IWF verpflichtet.

Das Programm sieht außerdem vor, die schon im vergangenen Jahr angehobene Mehrwertsteuer erneut für einige Produkte zu erhöhen. Die Privatisierung der staatlichen Fluggesellschaft TAP, des Flughafenbetreibers ANA, der Post, des Versorgers EDP und eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders soll beschleunigt werden. Außerdem wird der Bau des Hochgeschwindigkeitszugs von Madrid nach Lissabon trotz großen Protests von Seiten des Nachbarlands Spanien auf Eis gelegt.

Das Haushaltsdefizit zum Ende des ersten Quartals war nur auf 8,7 Prozent des BIP gefallen, von 9,2 Prozent drei Monate zuvor. Die sozialistische Vorgängerregierung hatte sich Hoffnungen gemacht, dass das Defizit in den ersten Monaten sehr viel stärker fallen würde, weil da erstmals die Senkung der Beamtengehälter spürbar wurde. Zwar sind die Einnahmen in dem Zeitraum tatsächlich deutlich gestiegen, aber auf der Ausgabenseite hat sich nichts getan.


Kommentare:

  • 05.07.2011, 21:21 UhrAnonymer Benutzer: Mischael

    Ist schon interessant, alle Ratingagenturen kommen aus den USA und wüten bei uns rum, schon mal jemand dran gedacht dass das politisch motiviert ist?

    Mir kann keiner erzählen dass Amerika nicht genauso schlimm dasteht...

    Es wird Zeit dass wir unsere eigenen Ratingagenturen aufbauen und nicht weiter in der devoten Abhängigkeit von den USA leben.

    Wie Homer Simpsons schon gegrölt hat: U-S-A, U-S-A, :-)

  • 05.07.2011, 21:34 UhrAnonymer Benutzer: Vorsatz

    Wer jetzt noch Zweifel haben sollte. Europa soll platt gemacht werden. Es ist völlig egal, welche Anstregungen ein Land wie Portugal macht, es wird einfach ignoriert. Wie kann man ein Land um vier Stufen auf ein Schlag zurücksetzen ?? Ist das ein Witz ? Er wird Zeit, dass Europa endlich Einigkeit beweist. So geht geht es final nicht weiter. Hoffentlich werden diese Agenturen endlich in die Schranken verwiesen. P.S.: Morgen wird Portugal wieder eine Anleihe plazieren. Ist doch komisch, oder ?

    • 05.07.2011, 22:36 UhrAnonymer Benutzer: Vorsatz

      "Es wird Zeit, dass Europa endlich Einigkeit beweist"
      .
      Wollen wir hoffen, dass über diese Frage kein großer Europäischer Einigungskrieg ausbricht.

  • 05.07.2011, 21:45 UhrPeterScholz1

    Schäuble, Kundschaft!!!

  • 05.07.2011, 21:51 UhrAnonymer Benutzer: twhome

    von thomas: ich kann dem mischael nur zustimmen. es kann ja mal gar nicht sein, dass die grossen drei rating agenturen so ein ultra einfluss auf die internat. finanzmärkte haben.

    • 05.07.2011, 23:18 UhrAnonymer Benutzer: ahnungsloser

      die machen da auf dicke welle und haben noch gar keine ahnung vom roll-back.

    • 05.07.2011, 23:49 UhrAnonymer Benutzer: Chrizo

      Nein, nicht die Ratigagenturen sind daran Schuld wenn wir uns an diese Ratings klammern! Viel mehr sind es unsere Politiker, die Banken und Versicherern und Fondsgesellschaften verpflichten, in Abhängigkeit von Ratings zB Eigenkapital vorzuhalten. Man kann nicht auf der einen Seite den Agenturen diese Macht dadurch verschaffen und auf der anderen Seite diese aber nicht wollen. So gehts nicht!

      Und außerdem, sind wir doch mal ehrlich: Länder wie Portugal und Griechenland sind nicht durch die Herabstufung der Ratingagenturen insolvent, sie SIND einfach pleite. Man sollte hier daran denken, dass nicht die Ratingagenturen daran Schuld sind, dass die Staaten ihre endlose Schuldenorgie seit Jahrzehnten feiern!!! Es sind allein Politiker, die dies verursacht haben und jetzt, wie immer, mit dem Finger auf die zeigen, die lediglich die schlechte Botschaft überbringen sollen.

      Ich gebe allerdings zu, dass natürlich auch die USA kein AAA verdient. Keine Frage. Den besten Ansatz hat meiner Meinung nach eine chinesische Ratingagentur. Da stehen bei den Staaten Norwegen, Australien usw. oben. Sicher aber nicht die USA, UK und erst recht kein im Euro gefangenes Land.
      http://www.dagongcredit.com/dagongweb/uf/Sovereign%20Credit%20Rating%20Report%20of%2050%20Countries%20in%202010.pdf Seite 5

  • 05.07.2011, 21:54 UhrAnonymer Benutzer: schorschi

    was im Beitrag fehlt, sind die Handelsbilanzen.

    Zitat Eurostat http://www.eds-destatis.de/de/press/download/2010/10/152-2010-10-15.pdf



    "Bezüglich des Handels der einzelnen Mitgliedstaaten erzielte Deutschland den höchsten Überschuss (+87,7 Mrd.
    Euro im Januar-Juli 2010), gefolgt von Irland (+24,7 Mrd.) und den Niederlanden (+22,1 Mrd.).
    Das Vereinigte Königreich (-63,6 Mrd.) verbuchte das größte Defizit, gefolgt von Frankreich (-33,6 Mrd.), Spanien (-30,2 Mrd.),
    Griechenland (-14,4 Mrd.), Italien (-12,5 Mrd.) und Portugal (-11,4 Mrd.)."



    Anmerk.: Jan-Juli; der Trend ist aber klar ersichtlich - wer über und wer unter seinen Verhältnissen lebt.


    ... ach ja: die USA schießen mit ihrem Handelsbilanzdefizit absolut natürlich den Vogel ab - relativ pro Kopf allerdings nicht.

    ... derartige Tabellen zu erstellen wäre eigentlich der Job von einem Wirtschaftsblatt - Zahlen Daten Fakten, anstatt "Wirtschaftspropaganda" im Dienste von ... wem auch immer.

    • 06.07.2011, 00:03 UhrAnonymer Benutzer: Hans

      Gut herausgearbeitet.

      Dennoch, fangen Sie nicht an - wie der ungebildete Großteil dieser Erde - USA mit einzelnen Staaten zu vergleichen. Sowohl das Vereinigte Königreich (UK) als auch die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sind eine Staatengemeinschaft. Sie mit "normalen" Staaten zu vergleichen kommt dem bekannten "Äpfel- mit Birnen-Vergleich" nahe.

      Ich weiß es zwar nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher das die amerikanischen Ratingagenturen auch in den USA wüten bei den einzelnen Mitgliedsstaaten. Wäre schön, wenn man dazu mal was lesen würde.

  • 05.07.2011, 21:59 UhrAnonymer Benutzer: Echo

    Griechenland ist Pleite. Basta! Die Ratingagenturen sprechen nur das aus, was eh jeder weiß. Portugal ist auch Pleite. Basta! Bei den USA trauen sich die Ratingagenturen das noch nicht auszusprechen. Aber ist doch Verständlich. Die Politik macht denen ja auch die Hölle heiß. Selbst Ackermann hat ja letztes Jahr erfahren was passiert, wenn man sagt, dass Griechenland pleite ist.


    • 05.07.2011, 22:40 UhrAnonymer Benutzer: Buerger

      Portugal ist pleite. Nur die allerdümmsten BRD-Bürger machen dafür irgendwelche Ratingagenturen verantwortlich.

    • 05.07.2011, 22:46 UhrAnonymer Benutzer: Wolle

      @ Mischael & Vorsatz

      Herrschaften!

      Der Euro und die Euro-Zone haben fertig, wie Flasche leer. :-))

      Einen Schuldenberg von etwa 10.000.000.000.000 € hat die Euro-Zone angehäuft.

      +++Man sollte die gesamte Euro-Zone auf "Default" abstufen. +++ :-))

      ***Apropos Amerikaner.***

      Vor etwa 1,5 Jahren ist eine Info aus einem FED-Meeting durchgesickert.

      Falls die Info keine "Nebelkerze" war, werden die Amerikaner bald wieder auf der "Pole Position" stehen.

      Den Euro und die Euro-Zone können Sie in der Tonne begraben. :-))

      Gruß

    • 05.07.2011, 22:52 UhrAnonymer Benutzer: azaziel

      Mit Sicherheit handeln Ratingagenturen im eigenen Interesse und mit Sicherheit stehen sie dabei unter Einfluss ihrer Kunden, auch staatlicher Kunden. Diese Schwaeche ist laengst erkannt. Aber wollen wir wirklich darauf mit der Gruendung europaeischer Ratingagenturen antworten? Waere uns Steuerzahlern damit gedient, wenn eine europaeische Ratingagentur unter Einfluss von EU Politikern Griechenland- und Portugalanleihen mit AAA bewertet? Vielleicht hofft mancher Politiker gar auf eine Europaeische Ratingsbehoerde? Um Gotteswillen!

      Den Ratingagencies muss man das von Politikern eingeraeumte Bewertungsmonopol nehmen. Kein Kreditgeber darf sich auf das Urteil einer solchen Agency verlassen duerfen. Er muss seine eigene sorgfaeltige Kreditwuerdigkeitspruefung vornehmen. Soweit sich ein Glaeubiger kommerzieller Hilfe bei der Bewertung bedient, soll das den gleichen Stellenwert haben wie die Empfehlung einer Aktie durch einen privaten Boersenbrief.

    • 05.07.2011, 22:55 UhrAnonymer Benutzer: Hanschen

      Na, welch neue Erkenntnis?!
      Ich bin auch kein Freund der "unabhängigen" Ratingagenturen, trotzdem geben sie die "Meinung" des Marktes wieder.

      Wer kommt noch? Spanien, Italien, vielleicht Frankreich?

      Es reicht. Weg mit dem Euro!

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