Regierung unter Druck
Ministerpräsidenten gehen auf Konfrontationskurs
Drei Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrates am Freitag bedürfen, werden möglicherweise keine Mehrheit finden. Beim Gesetz zur Steuersenkung haben fünf der sieben Ministerpräsidenten der CDU ihren Widerstand angedeutet.
Die Kanzlerin unter Druck: Auch Landesregierungen, die von CDU und FDP gebildet werden, fordern Änderungen an den Gesetzesbeschlüssen der Bundesregierung.
05. Juli 2011 2011-07-05 19:36:22
Die Auseinandersetzungen zwischen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen auf der einen Seite und den Ministerpräsidenten der Bundesländer auf der anderen Seite könnten an diesem Freitag im Bundesrat einen neuen Höhepunkt erreichen. Bei drei Gesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, wird es möglicherweise keine Mehrheit geben.
Dazu zählen das Steuervereinfachungsgesetz, das Gesetz zum Emissionshandel sowie das Gesetz zur Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden, das zu den Begleitgesetzen zum Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie gehört. Auch Landesregierungen, die von CDU und FDP gebildet werden, fordern Änderungen. Sie erwarten finanzwirksame Zusagen des Bundes, die in Form von Protokollerklärungen abgegeben werden sollten.
"Ein Beitrag zur steuerpolitischen Gerechtigkeit": Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt
Es hieß, über das Abstimmungsverhalten dieser Landesregierungen werde erst nach dem Gespräch der CDU-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstagabend entschieden werden. Freilich reichen deren Stimmen nicht aus. Die von Union und FDP gebildeten Landesregierungen verfügen über lediglich 25 der 69 Stimmen im Bundesrat.
„Erhebliche Kommunikationsmängel“
In fünf Tagesordnungspunkten wird sich der Bundesrat mit Gesetzesbeschlüssen des Bundestag befassen. Lediglich jene der Erhöhung der Diäten der Bundestagsabgeordneten und der Mittel für die Parteienfinanzierung, die der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen verabschieden will, werden den Bundesrat ohne weiteres passieren. Hingegen ist bei den Gesetzesvorhaben zur Steuervereinfachung, zum Infektionsschutz, zum Emissionshandel und zu einer Reihe von Begleitgesetzen des Atomausstiegs von den Fachausschüssen des Bundesrates die Anrufung des Vermittlungsausschusses gefordert worden.
Die Absprache der Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien, Frau Merkel, Rösler (FDP) und Seehofer (CSU), im Herbst solle ein Gesetz zur Steuersenkung vorlegt werden, hat die Verhandlung vor der Bundesratssitzung erschwert. Der Widerspruch von fünf der sieben Ministerpräsidenten der CDU wurde mit Hinweisen begründet, die Länder könnten zusätzliche Belastungen nicht tragen.
Von erheblichen Kommunikationsmängeln seitens der Bundesregierung ist bei den CDU-Ministerpräsidenten die Rede. Unter ihnen heißt es sogar, die Koalition und die Bundeskanzlerin würden vorherige Zusagen nicht einhalten, auf die Finanzlage der Länder Rücksicht zu nehmen. Bei den Beratungen über den Emissionshandel habe die Bundestagsmehrheit finanzielle Forderungen der Länder abgelehnt, deren Annahme ihnen in Aussicht gestellt worden seien.
Auch weitere Forderungen zur Anrufung des Vermittlungsausschusses bei Begleitgesetzen zum Atomausstieg werden mit Finanzforderungen der Länder begründet. Dazu zählt das Gesetz zur steuerlichen „Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden“, das - als einziges Vorhaben der „Energiewende“ - der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Länder verlangen, der Bund solle „Mindereinnahmen“ von Ländern und Gemeinden „vollständig“ ausgleichen.
Auseinandersetzungen über Steuersenkungspläne
Am Dienstag wurde damit gerechnet, der Bundesrat werde dem Gesetz nicht zustimmen; anschließend werde die Bundesregierung von sich aus den Vermittlungsausschuss anrufen. Die Sitzungen könnten dann im Herbst abgehalten werden. Freilich hieß es, vor allem die Ministerpräsidenten Niedersachsens, McAllister, und Hessens, Bouffier (beide CDU), wollten bis Freitag eine Mehrheit organisieren. Diese beiden Landesregierungen sind seit Mai - abwechselnd, mit Niedersachsen beginnend - für die Bundesratskoordinierung der Unions-geführten Landesregierungen zuständig.
Die übrigen Begleitgesetze zum Atomausstieg sind lediglich „Einspruchsgesetze“ - sie bedürfen also nicht der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates. Da auch die Landesregierungen, an denen SPD und Grüne beteiligt sind, nicht die Mehrheit im Bundesrat stellen, dürfte Anträge auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht angenommen werden. Damit dürfte vor allem das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien den Bundesrat passieren. Das eigentliche Gesetz zum Atomausstieg ist im Bundesrat ohnehin nicht umstritten.
Unterdessen wurden die Auseinandersetzungen über die Steuersenkungspläne der Koalition zwischen Bundes- und Landespolitikern fortgesetzt. Die CSU-Landesvorsitzende Gerda Hasselfeldt nannte das Vorhaben einen Beitrag zur steuerpolitischen Gerechtigkeit, weil „kleine und mittlere“ Einkommen entlastet, die „kalte“ Steuerprogression bekämpft und auch die Sozialabgaben gesenkt werden sollten.
Den Widerstand von CDU-Ministerpräsidenten wies sie mit dem Hinweis zurück, dass diese sich dem Vorwurf aussetzten, gegen das Gebot der sozialen Gerechtigkeit zu verstoßen. Auch sehe sie „keine Notwendigkeit“, dass der Bund die auf die Länder zukommenden Belastungen übernehme. Hingegen sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion Altmaier (CDU): „Wir wissen, dass wir am Ende die Länderkammer brauchen.“
Text: F.A.Z.Bildmaterial: AFP, dapd
Lesermeinungen zum Beitrag
Am 30. Juni lief die Frist für eine Reform des Wahlrechts ab.
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Das Bundesverfassungsgericht hatte vor drei Jahren entschieden, daß ein Teil des deutschen Wahlrechts verfassungswidrig sei.
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Die Politische Kaste setzte sich über den Spruch aus Karlsruhe hinweg, mit der Folge, daß bei einem Scheitern der Merkel-Regierung keine rechtliche Grundlage für Neuwahlen existiert.
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Und nun stellen wir uns einmal vor, die Länderfürsten machten Ernst und Merkel wirft entnervt hin...
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Dann ist sie da, die Staatskrise.
Doch davon merkt man nicht viel. Fünf von sieben MP sagen offen, daß sie nicht mitziehen werden (oder erst nach "Einzelgesprächen" bereit sein könnten, ihre Meinungen zu ändern). Diese Denkweise muß man erst einmal verdauen. Wie so vieles andere auch.
Regieren kann schwierig sein, unbestritten, aber die Zeiten sind vorbei, wo man noch glaubte, Augen zu und durch, und die Probleme sind gelöst. Frau Merkel sollte lernen, daß ihr Politikstil unzeitgemäß ist und keine Mehrheit schafft. Jedenfalls nicht für ihre Partei. Die anderen denken eh an sich zuerst, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
Wegen ein paar lumpiger Milliarden fängt da plötzlich das große Geschrei an?
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Wo waren denn die Herren Politiker, als es um die hunderten Milliarden des Euro-"Rettungsschirms" ging?
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Das jetzt sind doch wirklich völlig nebensächliche Summen im Vergleich zu den illegalen Euro-Hilfen! Da hat aber seltsamerweise niemand etwas gesagt. Warum wohl?
erbärmlich schlechtes Management. Einfach blamabel. Wenn man schon sachlich/fachlich Unsinniges durchsetzen will, dann doch wenigstens gut managen. Aber das kann sie offensichtlich auch nicht. Ob die CDU nun langsam wach wird? Oder muß erst der Wähler die Frau M. wegfegen?
stoppt diesen Nonsens. Ich bin FDP-Mitglied, aber was da zusammen geschustert wurde ist es einfach nicht würdig umgesetzt zu werden. Mit ein bisschen Glück wird die Gier der Ministerpräsidenten dieses Land vor noch ein bisschen mehr Unsinn bewahren. Faszinierend dass ich als "Gelber" nun schon jubeln muss wenn die eigene Regierung gestoppt wird...
Diätenerhöhung? Na klar, einstimmig beschlossen. 10 EUR pro Jahr Ersparnis für die Leute, die die Diäten erwirtschaften? Neeh, das geht ja gaaaar nicht!!! Politiker, man muss sie einfach lieben!
Die Institution Bundesrat ist eine Fehlkonstruktion und widerspricht der Gewaltenteilung. Bundes- und Landtage sind 'Gesetzgeber'; der Bundesrat setzt sich aber aus der Executive der Länder zusammen und nicht aus den Landtagen. Das erhöht die Verhandlungsmacht und verführt zum Mißbrauch. - Probleme trennen hilft immer! - Der Bund legt die Einkommenssteuersätze (bzw. -kurve) fest und jedes Land und jede Kommune entscheidet über seine Eink.Steuern selber, indem lediglich ein fester Prozentsatz auf die Eink.St. (je Land und je Kommune) vom Landtag u.ä. festgelegt wird. Im Gegenzug reduzieren sich die Mitentscheidungsbefugnisse des Bundesrates! Finanzen also trennen! - Und wenn der Bund Steuern erhöhen oder senken will, genügt ebenfalls die Festlegung eines fixen Faktors auf die Eink.Steuer. Das ist einfach, gerecht (!), flexibel und vermeidet eine ständige Steuerdiskussion. - Davon zu trennen sind etwaige Korrekturen wegen Geldentwertung.
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