Mittwoch, 23. November 2011

FAZ: KenFM wegzensiert


„Ken.FM“ im Radio RBB setzt Ken Jebsen vor die Tür

23.11.2011 2011-11-23T17:35:00+0100 ·  Zuerst hat der Rundfunk Berlin Brandenburg den Moderator gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigt. Nun muss er gehen. Und der Chef des Jugendradios „Fritz“ gleich mit.
Von Michael Hanfeld
Im Nachgang hat die Aufregung um eine vermeintlich antisemitische Äußerung in einer Email für den Radiomoderator Ken Jebsen doch ein böses Ende genommen. Der Rundfunk Berlin Brandenburg, der Jebsen zuvor noch gegen den von Henryk M. Broder aufgeworfenen Vorwurf des Antisemitismus in Schutz genommen hatte, hat sich am Mittwoch von dem Moderator getrennt.
Man habe festgestellt, „dass zahlreiche seiner Beiträge nicht den journalistischen Standards des RBB entsprachen“, sagte die Programmdirektorin Claudia Nothelle. Daraufhin habe man „mit ihm verbindliche Vereinbarungen über die Gestaltung der Sendung ,KenFM‘ getroffen.“ Diese habe er „wiederholt nicht eingehalten“. Deshalb müsse man auf seine Mitarbeit verzichten.

„Redaktionell nicht ausreichend geprüft“

Folgen hat das auch für Stefan Warbeck, den Leiter des RBB-Jugendradios „Fritz“, auf dem Jebsens Sendung lief. Warbeck gibt die Verantwortung für das Programm ab und – wird vom RBB auch verantwortlich gemacht. In den vergangenen Monaten seien „mehrere nicht ausreichend redaktionell geprüfte und abgenommene Beiträge“ gelaufen, Warbeck übernehme für die „Versäumnisse“ die Verantwortung, er sehe sich „nicht mehr in der Lage, das Programm angemessen zu leiten“. Es wird nach einer neuen Aufgabe für ihn gesucht.
Mit dem Aufruhr um die Email, in der Ken Jebsen davon gesprochen hatte, er wisse „wer den Holocaust als PR erfunden hat“, hat man seine Sendung im RBB offenbar das erste Mal genauer wahrgenommen. Seine verschwörungstheoretischen Ausführungen ohne Punkt und Komma erscheinen flippig, hatten aber häufig etwas Fragwürdiges. Gegen den Antisemitismus-Vorwurf hatte sich Jebsen gewehrt und sich entschuldigt, der RBB hatte ihn nachvollziehbar verteidigt. Die Jüdische Gemeinde Berlin hatte den RBB jedoch auch nach der zwischenzeitlichen Ehrenerklärung aufgefordert, nicht zur Tagesordnung überzugehen: Könne Jebsen seine Sendung unbeirrt fortführen, wäre das „befremdlich“.
Dem RBB gelang es offenbar nicht, sich mit Jebsen auf eine Arbeitsgrundlage zu einigen. Doch wirkt es einigermaßen seltsam, wenn erst jetzt, nachdem Jebsen seit zehn Jahren auf Sendung ist, und mehr als 545 Sendungen produziert hat, auffällt, dass „in den vergangenen Monaten“ gleich „mehrere, nicht ausreichend redaktionell geprüfte und abgenommene Beiträge“ gelaufen seien. Um Ken.FM hätte sich der RBB besser schon vor dem Eklat gekümmert. Dann wäre dieser inklusive des doppelten Rauswurfs vielleicht zu vermeiden gewesen.

HB:Guttenberg kauft sich frei

Kein Schuldeingeständnis: Plagiator Guttenberg kauft sich frei

Für Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist das gerichtliche Nachspiel der Plagiatsaffäre vorbei. Gegen Zahlung einer Geldauflage hat die Staatsanwaltschaft Hof das Ermittlungsverfahren eingestellt.

Hof In der Plagiatsaffäre um Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Staatsanwaltschaft Hof ihr Ermittlungsverfahren gegen den CSU-Politiker gegen eine Zahlung in Höhe von 20.000 Euro eingestellt. Damit kommt es nicht zu einer Hauptverhandlung gegen Guttenberg, wie die Behörde am Mittwoch mitteilte. Das Amtsgericht Hof und Guttenberg stimmten demnach bereits der Einstellung des Verfahrens zu, der Ex-Minister hat die 20.000 Euro bereits an die Deutsche Krebshilfe gezahlt.
Die Ermittlungen gegen Guttenberg lauteten auf den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung. Die Staatsanwaltschaft entdeckte nach eigenen Angaben in der Dissertation Guttenbergs 23 Passagen, bei denen es sich um strafrechtlich relevante Urheberrechtsverstöße handelte. Weil der durch die Doktorarbeit entstandene Schaden für die Urheber der Passagen aber „marginal“ sei und Guttenberg keine wirtschaftlichen Vorteile aus seiner
Dissertation gezogen habe, sei das Verfahren eingestellt worden. Guttenbergs Verteidiger betonten, mit der Einstellung sei kein strafrechtlicher Schuldvorwurf verbunden und das Verfahren endgültig abgeschlossen.

Plagiatsaffäre Die sieben Leben des Baron zu Guttenberg

  • Plagiatsaffäre: Die sieben Leben des Baron zu Guttenberg
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Guttenberg war am 1. März wegen der Plagiatsaffäre um nicht gekennzeichnete Zitate in seiner Doktorarbeit von seinem Amt als Bundesverteidigungsminister zurückgetreten. Im Sommer zog die Familie in die USA um, wo sie Berichten zufolge in Connecticut eine Villa für rund drei Millionen Euro erworben haben soll.
Beim Sicherheitsforum im kanadischen Halifax trat der ehemalige CSU-Shootingstar erstmals wieder öffentlich in Erscheinung. Am kommenden Dienstag soll zudem ein Interview-Buch erscheinen, in dem er nach Verlagsangaben auch zur Plagiatsaffäre Stellung nimmt. Titel: „Vorerst gescheitert“.
Wegen des Verdachts auf Verstöße gegen das Urheberrecht waren 199 Strafanzeigen in Hof eingegangen. Allerdings stammte nach Angaben der Staatsanwaltschaft lediglich eine von einer betroffenen Rechteinhaberin. Monatelang durchforsteten demnach Polizisten und Staatsanwälte Guttenbergs rechtswissenschaftliche Abhandlung unter dem Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“. Die Staatsanwaltschaft überprüfte auch, „ob eine Untreue oder ein Betrug zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland durch Inanspruchnahme der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages“ vorlag. Ein strafbares Verhalten habe man hier nicht feststellen können wollen, hieß es.

Kommentare


  • 23.11.2011, 11:43 Uhrille1975

    ...wie gut, daß wenigstens die Justiz in dt. noch funktioniert. Der Mann ist unschuldig, daß ist doch klar. War doch alles nur ein Versehen. Keine böse Absicht. Nur ein fiese Hetzkampange.
    • 23.11.2011, 13:40 UhrDerBernd

      @ ille1975
      Hetzkampagne? Nun - ich möchte keinen Klempner im Haus haben, der seine Prüfung erschummeln mußte. Und ich hoffe, daß ein Arzt, sollte einer einmal Hand an mich legen müssen, seine Prüfungen ordentlich bestanden hat.

      Außerdem sind mir Typen, die in Kriegsgebieten Interviews geben, sowieso unsympathisch. Solche Kasper sollten wir uns nach 1945 wirklich nicht mahr antun.
  • 23.11.2011, 11:44 UhrAnonymer Benutzer: user111111

    das war ja klar. ich frage was mit mir passiert wäre wenn ich bei meiner disseration abgeschrieben hätte und es zur anklage gekommen wäre.

    aber dr. guttenberg hat ja einen reichen papa der sicherlich gerne die strafe zahlen wird.

    dr. guttenberg verdient ja mit ende 30 immer selbst kein geld.

    ich frage mich, weshalb er nicht das zweite staatsexamen nachholt. das wäre doch mal ein klares zeichen, das er doch was drauf hat.

    dr. guttenberg ist und bleibt ein blender!
  • 23.11.2011, 11:52 Uhrn8schicht

    können wir uns nicht auch aus der eurokriese rauskaufen?
    • 23.11.2011, 12:01 Uhrille1975

      300 MRD scheinen ein gutes Angebot zu sein. Die Rückzahlung da wieder in DM.
  • 23.11.2011, 12:09 Uhrshrinkhead

    Ins Verhältnis zum deutschen Durchschnittsvermögen gesetzt dürfte die Strafe für Guttenberg ungefähr eine Höhe von 5 Euro bedeuten.
    • 23.11.2011, 12:42 UhrAnonymer Benutzer: Satiriker

      Na dann ist die Dt. Krebshilfe ja für allezeit saniert und Herrn Googleberg wurde ein kräftig Denkzettel erteilt.
      In der Liga von Herrn Ackermann kann er damit aber nicht mithalten.
  • 23.11.2011, 12:11 UhrAnonymer Benutzer: sterbende_demokratie

    Oha...
    hat Justitia (mal wieder) für einen „besonderen“ Fall die Augenbinde abgenommen?

    Deutschland ist mittlerweile durch und durch korrupt!
  • 23.11.2011, 12:15 UhrPeterScholz1

    Recht ist käuflich!
    • 23.11.2011, 13:50 UhrAnonymer Benutzer: petervonbremen

      Klar ist Recht käuflich. Niemand würde auch ernsthaft behaupten, dass Recht etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat.

      Im Prinzip ist das Urteil aus meiner Sicht auch i.O.. Nur die Höhe ist lächerlich. Mit Faktor 25 hätte es ggf. auch einen Karl Theodor zum Nachdenken gebracht. Außerdem, was hat die Krebshilfe damit zu tun? Das Geld hätte ausschließlich an eine Schule oder Hochschule/Universität gehen dürfen. So sieht man nur, dass alles nur eine Farce ist.

Donnerstag, 3. November 2011

dradio: Tatsächliche Arbeitslosenquote

31.05.2011
Es gebe drei Millionen offizielle Arbeitslose und "mindestens eine, eher zwei Millionen verdeckte Arbeitslose", schätzt Gerd Bosbach. (Bild: AP) Es gebe drei Millionen offizielle Arbeitslose und "mindestens eine, eher zwei Millionen verdeckte Arbeitslose", schätzt Gerd Bosbach. (Bild: AP)

"Es wird einfach wegdefiniert, dieser hohe Berg von Arbeitslosen"

Professor für Statistik über den Zahlenschwindel der Bundesagentur für Arbeit

Gerd Bosbach im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler

Bei der Erfassung der Arbeitslosenzahlen sowie bei der Interpretation der Zahlen werde regelmäßig getrickst, sagt Gerd Bosbach, Professor für Statistik an der Fachhochschule Koblenz. Heute legt die Agentur für Arbeit ihre Arbeitslosenstatistik für den vergangenen Monat vor.
Jan-Christoph Kitzler: Heute gibt es mal wieder Schlagzeilen aus Nürnberg, heute wird die monatliche Arbeitslosenstatistik veröffentlicht, und das ist fast eine Art Ritual, wenn alle Nachrichten dann darüber berichten, wenn die Politiker, die sich mit dem deutschen Arbeitsmarkt befassen, ihre Statements abgeben. Nur eines wird an so einem Tag normalerweise nicht getan: Die Zahlen selbst werden nicht grundsätzlich infrage gezogen. Zahlen suggerieren klare Verhältnisse und messbare Ergebnisse, und deshalb sind sie besonders glaubwürdig. Doch es gibt berechtigte Gründe, die Arbeitsmarktzahlen anzuzweifeln. Darüber spreche ich jetzt mit Gerd Bosbach, er ist Professor für Mathematik an der Fachhochschule Koblenz. Schönen guten Morgen!

Gerd Bosbach: Ja, guten Morgen!

Kitzler: Was ist denn eigentlich faul an den Arbeitsmarktzahlen? Vor allem die Art, wie sie zustande kommen, oder doch eher die Art, wie sie hinterher interpretiert werden?

Bosbach: Also erst mal sollte man sich die Illusion nehmen, dass Zahlen, die jemand vorstellt, halt objektive Fakten sind. Derjenige will sich damit genauso schönfärben wie ein Bewerber, der ein Passfoto vorlegt. Und entsprechend hat er halt zwei Methoden. Er kann halt an der Erfassung etwas ändern, das passiert in absoluter Regelmäßigkeit bei der Erfassung der Arbeitslosenzahlen und im Regelfall zur Untertreibung der Zahl, und er kann bei der Interpretation der Zahlen reden, auch das ist regelmäßig zu sehen. Gehen im Winter die Arbeitslosenzahlen bergauf, dann nimmt man eher den Vergleich zum Vorjahr, weil der vielleicht nicht so schlimm aussieht wie im Vergleich zum Vormonat. Gehen die Arbeitslosenzahlen aber im Frühjahr bergab, wie sie auch wohl heute wieder bergab gehen, oder im Mai bergab gegangen sind, dann nimmt man den Vergleich zum Vormonat, weil man da besser aussieht. Diese Interpretation und Darstellung, die macht jeder, der Zahlen vorstellt, weil Sie müssen sich mal in die Situation der Bundesregierung reinversetzen, und die BA arbeitet ja für sie: sollen sie denn schlechte Zahlen vorweisen, Monat für Monat schlechte Zahlen? Da versuchen sie, doch was Schönes darzustellen.

Kitzler: Sie haben angedeutet, die Zahlen werden auch schon bei der Erhebung geschönt. Können Sie das mal konkret machen, wie das passiert?

Bosbach: Ja, das mit dem Schönen sind halt Gesetzesveränderungen, oder Verordnungsänderungen, die juristisch einwandfrei sind. Also man zählt halt Kranke nicht mit, man zählt alle Leute nicht mit, die in Weiterbildungsmaßnahmen sind, man ändert dann aber auch immer wieder, früher wurden Ein-Euro-Jober als arbeitslos gezählt, dafür wurde dann gesagt, dass diese ganze große Gruppe auch aus der Statistik rausfällt, es werden über 58-Jährige - das ist den meisten bekannt -, fast über alle über 58-Jährige zählen, obwohl sie Geld bekommen von der Bundesagentur, obwohl sie arbeiten wollen, sie zählen einfach nicht mehr mit, wenn sie ein Jahr lang halt kein Angebot mehr gehabt haben, und dafür sorgen die Bundesagenturen. Und dann gab es halt vor knapp zwei Jahren die mir bekannte letzte größere Änderung, und die zeigt, wie man denkt. Da wird nämlich gesagt, alle Arbeitslosen, die privaten Vermittlern zur Vermittlung übergeben wurden, zählen nicht mehr als arbeitslos. Und das ist nach einer Verordnung so fest definiert, dass im Sinne der Verordnung die Leute wohl richtig zählen.

Kitzler: Das heißt, es ist natürlich auch schwierig, diese Zahlen zu vergleichen, wenn immer wieder die Berechnungsgrundlagen geändert werden. - Kommen wir noch mal zu dem Umgang mit den Zahlen. Es gibt ja viele Strategien, die Arbeitslosigkeit kleinzureden. Jetzt ist immer im Gespräch der sogenannte Facharbeitermangel. Das heißt, es ist ja eigentlich eine fast positive Nachricht. Ist das auch so eine Strategie?

Bosbach: Ich halte den Facharbeitermangel für eine Mär, die aus gewissen absichtlichen Gründen in die Öffentlichkeit gebracht werden. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, deshalb erkläre ich lieber, weshalb es eine Mär ist. Wenn es Facharbeitermangel gäbe, dann müssten die Löhne für Ingenieure steigen, dann müssten die Studierenden, die ihren Abschluss in der Tasche haben, nicht nur Praktika oder Zwei-Jahres-Verträge zu niedrigen Löhnen bekommen, denn wenn es einen Mangel gäbe, würden die Firmen um sie werben, würden ihnen Dauerverträge anbieten zu einer guten Entlohnung. All das sehen wir nicht. Wir sehen stattdessen an den Hochschulen auch gerade in den naturwissenschaftlich-technischen Bereichen riesige Mengen von Studierenden, die jetzt Jahr für Jahr ihren Abschluss machen und auf den Arbeitsmarkt kommen. Wir sehen bei der Bundesagentur für Arbeit bis auf Vulkaniseure und ein paar ganz spezielle Sorten, bis auf die sehen wir überall ein großes Angebot arbeitsloser Ingenieure, 50-Jähriger. Und jetzt mal einfach für den Bürger auch nachvollziehbar: Wenn es diesen Facharbeitermangel gäbe, dann würden doch unsere Firmen heute nach Spanien, nach Italien gehen, wo Jugendarbeitslosigkeit mit fast 50 Prozent da ist, und würden von dort aus qualifizierte Facharbeiter mitnehmen.

Kitzler: Noch kurz zum Schluss. Sind Sie auch ähnlich skeptisch, was die Vollbeschäftigung angeht? Bei den guten Arbeitsmarktzahlen ist das ja schon wieder so ein bisschen am Horizont.

Bosbach: Ja. Drei Millionen offizielle Arbeitslose und mindestens eine, eher zwei Millionen verdeckte Arbeitslose. Bei vier bis fünf Millionen Arbeitslosen sehe ich keine Vollbeschäftigung. Vollbeschäftigung wäre bei mir unter 500.000. Es wird einfach wegdefiniert, dieser hohe Berg von Arbeitslosen, auch mit der Schuldzuweisung. "Da sind sie doch selber schuld, sie könnten doch arbeiten."

Kitzler: So sieht es Gerd Bosbach, Professor für Statistik an der Fachhochschule Koblenz. Wir sprachen über den Schwindel mit den Arbeitsmarktzahlen. Vielen Dank und einen schönen Tag.

Bosbach: Danke auch!