Freitag, 26. August 2011

PAZ: Heimlicher Kredit der Bundesbank

Deutsche Forderungen innerhalb des Eurosystems auf Rekordhoch

25.08.11
Zweckentfremdung durch die Hintertür: Andere Notenbanken stehen bei der Bundesbank tief in der Kreide. Bild: vario image

Während sich die öffentliche Diskussion in Deutschland noch um den Euro-Rettungsschirm oder die Einführung von Euro-Bonds dreht, haben Länder wie Irland, Griechenland und Portugal längst eine weitere Finanzierungsquelle aufgetan, das Verrechnungssystem der Zentralbanken. – Größter Kreditgeber ist die Bundesbank.

Bereits seit vier Jahren entwickelt sich für die deutschen Steuerzahler zu einem potenziellen Risiko, was sich hinter der Position „Forderungen innerhalb des Euro-Systems“ in der Bilanz der Deutschen Bundesbank verbirgt. Was beim Abschluss des Maastricht-Vertrages über die Europäische Währungsunion noch als kurzfristiger Verrechnungssaldo gedacht war, ist seit dem Jahr 2007 zum längerfristig genutzten Überziehungskredit für Krisenländer herangewachsen. Im Rahmen des sogenannten „Target 2“- Systems, einem Verrechnungssystem der Zentralbanken, stehen Banken der Euro-Zone bei der Deutschen Bundesbank mittlerweile mit hunderten Milliarden Euro in der Kreide. Lagen die Salden in der Zeit zwischen 1999 und dem Jahr 2007 gewöhnlich im Durchschnitt bei 15 Milliarden Euro, so explodieren die Zahlen seit über drei Jahren förmlich. Pro Jahr wächst der Saldo im Schnitt um 100 Milliarden Euro. Der im Juli 2011 erreichte Stand markiert einen Rekordwert: 355,977 Milliarden Euro nach 348,854 Milliarden Euro im Vormonat.
Größter Schuldner bei dem Spiel ist Irland, das so die Liquidität für seinen nationalen Bankensektor sichert. Bis Ende 2010 hatte Irland bereits Verbindlichkeiten in Höhe von 146,1 Milliarden Euro aufgebaut. Allerdings haben auch Griechenland mit 87 Milliarden Eurom, Portugal mit knapp 60 Milliarden Euro und Spanien mit rund 51 Milliarden Euro bis zum Ende 2010 beträchtliche Schulden angehäuft, die inzwischen noch weiter zugenommen haben. Es ist kein Zufall, dass eben die Länder, die so umfangreich bei der Bundesbank anschreiben lassen, auch diejenigen sind, die bereits die Hilfe des Euro-Rettungsschirms in Anspruch nehmen. Die Verbindlichkeiten gegenüber der Bundesbank sind faktisch ein zusätzliches Hilfspaket, von der Öffentlichkeit allerdings kaum beachtet, selten in den Medien gemeldet und dem Bundestag bisher auch keine Debatte wert. Angesichts der Summe von 355 Milliarden Euro ist das erstaunlich. Selbst nach der erfolgten Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF kann dieser nur 440 Milliarden Euro effektiv an Krediten gewähren. Dass die Bundesbank überhaupt wider Willen derartig in Anspruch genommen werden kann, lässt sich eigentlich nur durch Naivität während der Vertragsverhandlungen zum Maastricht-Vertrag begründen. Die damals Verantwortlichen gingen scheinbar davon aus, dass es sich bei den Salden im innereuropäischen Zahlungsverkehr auch in Zukunft um unwesentliche Beträge handeln würde. Eine Begrenzung dieser faktischen Kreditgewährung ist deshalb nicht erfolgt.
Einen etwas klareren Blick für die Realität hatten da die Konstrukteure des US-Zentralbanksystems. Für die zwölf Distriktbanken des Federal Reserve Systems ist zumindest jährlich ein Ausgleich entstandener Salden zur Pflicht gemacht worden.
Bereits seit Monaten warnt Professor Hans-Werner Sinn vom Münchener Ifo-Institut vor den entstandenen Risiken durch die missbräuchliche Nutzung der Zahlungsverkehrssalden für die Bundesbank und die deutschen Steuerzahler. Seiner Meinung nach handelt es sich um „eine Art Kontokorrentkredit, der anderen Ländern gewährt wird“ und der zur Finanzierung von Leistungsbilanz-Defiziten der Euro-Krisenländer genutzt wird.
Zum Problem kann dies werden, sobald eines der Länder zahlungsunfähig wird. Wie die entsprechenden Auswirkungen in der Realität aussehen, wird sich wahrscheinlich schon bald am Beispiel Griechenland beobachten lassen. Dass die griechische Misere wirklich noch auf einen „partiellen Zahlungsausfall“ begrenzt werden kann, wie von EU-Vertretern erhofft, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Im Falle der Insolvenz hätte die Bundesbank Forderungen gegenüber Griechenland von fast 90 Milliarden Euro in ihren Büchern. Als Entgegnung auf die Warnung von Professor Sinn bezüglich der „Target 2“-Salden haben Kritiker bislang nur mit formellen Argumenten argumentieren können, die am Kern der Aussage nichts ändern. Sie pochen darauf, dass rechtlich die Forderungen der Bundesbank gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) bestehen, welche wiederum gegenüber den nationalen Zentralbanken ihre Forderung geltend macht. Sollten die Beträge für die EZB allerdings nicht mehr einbringbar sein, würde für die Bundesbank eine Nachschusspflicht zum Ausgleich der entstandenen Verluste bestehen – immerhin 27 Prozent, wie es dem deutschen EZB-Anteil entspricht. Beim jetzigen Stand müsste im Extremfall die Bundesbank so nicht 355 Milliarden Euro abschreiben, sondern würde knapp unter der 100 Milliarden-Euro-Schwelle bleiben. Kaum ein Trost für die deutschen Steuerzahler. Norman Hanert

Mittwoch, 24. August 2011

Reuters: Was BASF mit Vitaminen verdient

Frankfurt, 24. Aug (Reuters) - Angesichts gestiegener Rohstoffkosten schraubt der Chemieriese BASF seine Preise für das in der Tierernährung verwendete Vitamin B5 nach oben. Die höheren Preise würden ab sofort gelten, sofern die bestehenden Verträge dies erlaubten, teilte BASF am Mittwoch in Ludwigshafen mit. Auch andere Chemiekonzerne, darunter Bayer und Lanxess, hatten zuletzt wegen der Verteuerung vieler Basisstoffe die Preise angehoben. BASF gehört zu den führenden Anbietern von Vitamin B5, das aus dem Salz der Panthothensäure produziert wird.
Der Chemiekonzern kündigte außerdem an, am Stammsitz in Ludwigshafen die Produktion des Vitamins für einige Wochen zu unterbrechen. Grund seien Wartungsarbeiten an den Anlagen.
BASF erwirtschaftete im vergangenen Jahr in seiner Sparte Nutrition & Health, die neben Vitaminen auch Omega-3-Fettsäuren, Enzyme und Lebensmittelzusatzstoffe produziert, 1,48 Milliarden Euro Umsatz - ein Plus von elf Prozent. Durch die Übernahme des Spezialchemiekonzerns Cognis im vergangenen Jahr hatte BASF das Geschäft zuletzt ausgebaut.

(Reporter: Frank Siebelt; redigiert von Sabine Wollrab)
((frank.siebelt@thomsonreuters.com)(+49-69-7565-1281)(Reuters Messaging: frank.siebelt.reuters.com@reuters.net))

Dienstag, 23. August 2011

HB: Beute aus Lybienfeldzug wird verteilt

Bodenschätze: Deutsche Unternehmen schielen auf Libyens Reichtum

Libyen ist reich an Bodenschätzen. Auch deutsche Unternehmen strecken jetzt wieder ihre Fühler aus. Die Enthaltung im Uno-Sicherheitsrat könnte allerdings zur großen Hypothek werden.
Öl-Raffinerie in Brega. Quelle: dpa
Öl-Raffinerie in Brega. Quelle: dpa
Berlin.Auch in Deutschlands Konzernzentralen wird in diesen Tagen aufmerksam beobachtet, was in Libyen geschieht. Zwar ist Machthaber Muammar al-Gaddafi noch nicht weg. Aber jetzt, da sich sein Regime im Untergang befindet, werden schon die Grundlagen für künftige Geschäfte gelegt. Davon will auch die deutsche Wirtschaft profitieren - ganz egal, ob die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zum Libyen-Einsatz nun richtig war oder nicht. Die Aufmerksamkeit kann sich lohnen: Der Wüstenstaat mit seinen riesigen Vorkommen an Öl und Gas gehört zu den reichsten Ländern der arabischen Welt. Energiekonzerne wie RWE Dea oder die BASF-Tochter Wintershall, aber auch Zulieferer und Anlagenbauer für die Ölindustrie waren dort auch schon zu Gaddafi-Zeiten erfolgreich.
Seit Kriegsbeginn sind zwar alle deutschen Mitarbeiter weg, aber libysche „Ortskräfte“ noch da. Zudem muss in der bisherigen „Volksdemokratie“ nach monatelangem Bürgerkrieg und 7500 Nato-Luftangriffen vieles wiederaufgebaut werden. Für die Bauindustrie gibt es einiges zu verdienen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht bei der Infrastruktur „großes Potenzial“.

Libyen: Wie in den Straßen von Tripolis gekämpft wird

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Die meisten Aufträge werden in den nächsten Monaten vermutlich über den „Übergangsrat“ der bisherigen Rebellen vergeben. Da kann sich lohnen, dass dort vor einem Monat schon der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft mit einer größeren Delegation zu Besuch zu war. Helfen soll auch ein Darlehen der Bundesregierung über 100 Millionen Euro, das eben erst unterzeichnet wurde.
Das Geld soll aber nur eine Art Überbrückungshilfe sein, bis der UN-Sicherheitsrat das im Ausland beschlagnahmte Milliardenvermögen des Gaddafi-Regimes wieder freigegeben hat. Allein auf deutschen Konten liegen mehr als 7,2 Milliarden Euro, die nach dem Abgang des selbst ernannten „Revolutionsführers“ dem libyschen Volk zugute kommen sollen - wenn alles seinen demokratischen Gang nimmt.

Bildergalerie: Wie Libyens Rebellen den Sieg feiern

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Im Moment kann sich allerdings noch niemand sicher sein, wie die Entwicklung in Libyen verläuft. Aus wirtschaftlicher Sicht ist vor allem wichtig, dass der Verkauf von Öl wieder in Gang kommt. Allein Deutschland importierte im vergangenen Jahr Öl im Wert von annähernd drei Milliarden Euro. Umgekehrt setzten deutsche Unternehmen Waren im Wert von knapp einer Milliarde Euro ab. Libyen war also eines der wenigen Länder, aus denen Deutschland mehr ein- als ausführte.

Die 40-jährige Herrschaft Gaddafis in Libyen

  • 1969
    Als 27-Jähriger führt Muammar al Gaddafi einen weitgehend friedlichen Putsch an, mit dem die erst seit 1951 bestehende Monarchie gestürzt wird, und etabliert sich bald als unangefochtener Herrscher im Land.
  • 1970
    Gaddafi leitet sozialistische Reformen ein, viele Unternehmen werden verstaatlicht.
  • 1979
    Gaddafi tritt vom Amt des Generalsekretärs des Allgemeinen Volkskongresses zurück, als „Revolutionsführer“ bleibt er de facto Staatsoberhaupt.
  • 80er Jahre
    Gaddafi unterstützt zunehmend Gruppen, die im Westen als terroristisch eingestuft werden, einschließlich der nordirischen IRA sowie radikaler Palästinenserorganisationen. Nach einem Anschlag auf die bei Amerikanern beliebte Diskothek „La Belle“ in Berlin, hinter der das libysche Regime vermutet wird, greifen US-Flugzeuge 1986 Ziele in Libyen an und töten dabei nach Angaben des Regimes die neugeborene Adoptivtochter Gaddafis.
  • 1988
    Bei einem Anschlag auf ein Flugzeug über der schottischen Kleinstadt Lockerbie werden 270 Menschen getötet, die meisten von ihnen Amerikaner. Der Verdacht fällt schnell auf Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes. Das Land gerät international zunehmend in die Isolation.
  • 1992
    Der UN-Sicherheitsrat verhängt Sanktionen gegen Libyen, weil das Land sich weigert, zwei wegen des Attentats verdächtigte Männer auszuliefern.
  • 1999
    Erste Zeichen einer Annäherung an den Westen: Gaddafi schwört dem Terrorismus ab und liefert die beiden Männer aus, die für den Lockerbie-Anschlag verantwortlich gemacht werden.
  • 2001
    Einer der beiden wegen des Lockerbie-Anschlags Angeklagten wird in Schottland zu lebenslanger Haft verurteilt, der andere kommt wieder frei.
  • 2003
    Der UN-Sicherheitsrat hebt die Sanktionen auf. Dafür muss Libyen offiziell die Verantwortung für den Lockerbie-Anschlag übernehmen.und die Gründung der Afrikanischen Union initiieren.  Gaddafi verspricht großzügige Entschädigung für die Angehörigen der Opfer. Zudem erklärt er sich zum Verzicht auf Massenvernichtungswaffen bereit. . 
  • 2004
    Mehrere westliche Regierungschefs besuchen Libyen - unter anderen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Gaddafi besucht die EU-Kommission in Brüssel.
  • 2008
    Fünf bulgarische Krankenschwestern und ein Arzt palästinensischer Abstammung werden nach achtjähriger Haft in Libyen freigelassen. Sie waren beschuldigt worden, Kinder vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Sie gestanden die Tat unter Folter und wurden zum Tode verurteilt.
  • 2009
    Nachdem zunehmend Migranten aus ganz Afrika von Libyen aus mit Booten nach Europa übersetzen, tritt ein erstes Abkommen mit Italien über gemeinsame Meerespatrouillen in Kraft. Der 40. Jahrestag des Putsches wird in Libyen groß gefeiert. Der verurteilte Lockerbie-Attentäter wird wegen einer schweren Erkrankung in Schottland aus der Haft entlassen und in der Heimat als Held empfangen.
  • 2010
    Nach fast zwei Jahren Haft in Libyen kommen zwei Schweizer frei. Die beiden Männer waren wegen angeblicher Verstöße gegen Visa-Vorschriften und illegaler Einreise verurteilt worden, nachdem die Schweizer Polizei im Jahr 2008 einen Sohn von Gaddafi festgenommen hatte. Libyen zog außerdem Investitionen aus der Schweiz ab.
  • Februar 2011
    Wie in anderen Ländern der arabischen Welt gehen in Libyen Demonstranten mit Forderungen nach politischen Reformen auf die Straße. Regimetreue Kräfte gehen gewaltsam gegen die Proteste vor und schießen auf friedliche Demonstranten. Wenige Tage später warnt ein Sohn Gaddafis, Saif al Islam, angesichts der Proteste gegen seinen Vater vor einem Bürgerkrieg.
  • 17. März
    Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet eine Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Für den Entwurf stimmen zehn Mitglieder des Gremiums, fünf enthielten sich, darunter Deutschland, Russland und China. Die Resolution ermächtigt die Mitgliedsstaaten, „alle notwendigen Maßnahmen zu treffen“, um die Zivilbevölkerung in dem nordafrikanischen Land vor den Truppen von Machthaber Mummar al Gaddafi zu schützen. Eine Bodenoffensive wird jedoch ausgeschlossen.
  • 18. März
    Nur wenige Stunden nach der Verhängung einer Flugverbotszone über Libyen durch den Sicherheitsrat ruft die libysche Regierung nach Aussage von Außenminister Mussa Kussa eine Waffenruhe aus und erklärt die Kampfhandlungen für beendet.
  • 19. März
    Beginn der Luftangriffe auf libysche Truppen. Französische Kampfjets fliegen bei Bengasi Einsätze, um ein weiteres Vorrücken der Regierungskräfte auf die Rebellenhochburg zu verhindern. Die langerwartete Gelegenheit, um die neuentwickelten Jets unter Realbedingungen zu präsentieren.
  • 7. Juni
    Der libysche Machthaber kündigt an, „bis zum Tod“ kämpfen zu wollen. In einer im nationalen Fernsehen ausgestrahlten Rede teilt er mit, er werde nicht kapitulieren.
  • 27. Juni
    Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag erlässt Haftbefehl gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al Islam und den libyschen Geheimdienstchef Abdullah al Sanussi. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
  • 1. Juli
    Gaddafi droht mit Anschlägen in Europa, sollte die NATO ihre Luftangriffe gegen sein Regime fortsetzen. Wenn die Angriffe nicht eingestellt würden, „können wir beschließen, euch ähnlich zu behandeln“, erklärt der Diktator in einer vor tausenden Anhängern in Tripolis veröffentlichten Audiobotschaft. „Wenn wir es beschließen, können wir ihn (den Kampf) auch nach Europa bringen.“
  • 22. August
    Nach sechsmonatigem Krieg bringen die Rebellen ( "=die Nato")weite Teile der Hauptstadt Tripolis unter ihre Kontrolle. Noch am Vortag hatte Gaddafi die Bewohner von Tripolis zur Verteidigung der Hauptstadt aufgerufen. „Jetzt ist es an der Zeit, für eure Politik, euer Öl, euer Land zu kämpfen“, rief er in einer vom staatlichen Fernsehen gesendeten Audiobotschaft.
Mit Prognosen zum weiteren Verlauf in Libyen bleibt man in Deutschlands Konzernen vorsichtig. Wintershall-Sprecher Stefan Leunig sagt: „Derzeit ist es noch zu früh zu sagen, wann, wie und unter welchen Voraussetzungen die Produktion wieder aufgenommen werden kann.“ Bei Baukonzernen wie Bilfinger Berger heißt es: „Die Lage ist noch nicht ganz geklärt. Wir beobachten.“ Der Bauriese Strabag will frühestens im Herbst „ein paar Leute nach Libyen schicken, um die Lage zu erkunden“.
Bei Siemens lautet die Sprachregelung: „Es noch zu früh etwas zu sagen.“ Nur hinter vorgehaltener Hand klagen Manager darüber, dass es die deutsche Wirtschaft wegen der Politik schwieriger haben könnte als zum Beispiel die Konkurrenz aus Frankreich oder Großbritannien, die den Rebellen auch mit Luftangriffen halfen. Keiner ist jedoch bereit, dies auch offiziell zu sagen. Der Geschäftsführer des Afrika-Vereins, Hans Maier-Ewert, vermutet nur: „Selbstverständlich wird man sich bei den Siegermächten etwas bedanken wollen("=müssen")

Sechs Monate Aufstand gegen Gaddafi

  • 15. Februar
    Beginn der Proteste gegen Gaddafi, die in Bengasi und El Baida gewaltsam niedergeschlagen werden, sich aber bald auf andere Städte ausdehnen.
  • 22. Februar
    Gaddafis Justizminister Mustafa Abdel Dschalil und Innenminister Abdel Fatah Junes schließen sich den Aufständischen an. Einen Tag später ist der Osten Libyens von der ägyptischen Grenze bis nach Adschdabija in der Hand der Rebellen.
  • 28. Februar
    Nach den USA verhängt auch die EU Sanktionen gegen die Regierung Gaddafis.
  • 10. März
    Frankreich erkennt als erstes Land den Nationalen Übergangsrat der Rebellen als „einzige Vertretung Libyens“ an.
  • 17. März
    Angesichts der drohenden Einnahme der Rebellenhochburg Bengasi erlaubt der UN-Sicherheitsrat zum Schutz der Zivilbevölkerung den Einsatz von Gewalt. Deutschland enthält sich bei der Abstimmung. Am nächsten Tag beginnt(tötet) eine Koalition unter Führung von Frankreich, Großbritannien und den USA(die ersten Zivilisten) mit Luftangriffen.
  • 31. März
    Die NATO übernimmt das Kommando des Libyen-Einsatzes.
  • 13. April
    Die Libyen-Kontaktgruppe, in der alle am Militäreinsatz beteiligten Staaten vertreten sind, fordert den Rücktritt Gaddafis.
  • 20. April
    Nach Großbritannien entsenden auch Frankreich und Italien Militärberater zu den Rebellen.("Sie übernehmen die Kontrolle und Führung der Rebellen.") Die Front stablisiert sich zwischen Brega und Adschdabija.
  • 1. Mai
    Gaddafis jüngster Sohn Seif elArab und drei seiner Enkelkinderwerden bei einem NATO-Luftangriffin Tripolis getötet.
  • 11. Mai
    Nach einer zweimonatigen Belagerung nehmen die Rebellen den Flughafen der Hafenstadt Misrata ein und durchbrechen damit die Belagerung.
  • 27. Juni
    Der Internationale Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Gaddafi, seinen Sohn Seif el Islam und Geheimdienstchef Abdallah el Senussi.
  • 29. Juni
    Frankreich erklärt, Waffen für die Rebellen in den Nefussa-Bergen im Westen des Landes abgeworfen zu haben
  • 15. Juli
    Die Libyen-Kontaktgruppe erkennt den Übergangsrat der Rebellen als die „einzige legitime Regierung“ des Landes an.
  • 9. August
    Die Gaddafi-Regierung wirft der NATO vor, bei einem Luftangriff auf Sliten 85 Zivilisten getötet zu haben. Die NATO weist dies zurück.
  • 17. August
    Der Übergangsrat stellt einen Zeitplan für die Übergabe der Macht an eine demokratische Regierung nach dem Sturz Gaddafis vor. Zwei Tage später geben die Rebellen nach der Einnahme von Gharjan im Süden der Hauptstadt die Eroberung von Sawijah im Westen und Sliten im Osten bekannt.
  • 20. August
    Die Rebellen melden die vollständige Einnahme des östlichen Ölhafens Brega, müssen sich später aber wieder in Randbereiche des Ortes zurückziehen.
  • 21. August
    Die Aufständischen rücken in Tripolis ein und bringen weite Teil der Hauptstadt unter ihre Kontrolle. Gaddafis Sohn Seif el Islam wird festgenommen, der Machthaber gibt sich in Audiobotschaften weiter kämpferisch.
  • 22. August
    Die Kämpfe konzentrieren sich auf das Viertel um Gaddafis Residenz, in der sich der 69-Jährige aufhalten soll.
Im Auswärtigen Amt hält man die Argumentation, dass Aufträge von Militäreinsätzen abhängig sind, auch für ziemlich zynisch.("da absolut zutreffend, wie die Beispiele Afganistan und Irak gezeigt haben") Außenminister Guido Westerwelle sagte dazu am Dienstag nur: „Ich weiß, wie sehr die deutsche Wirtschaft geschätzt wird. Und ich weiß, wie sehr unser deutsches Engagement geschätzt wird beim Wiederaufbau. Und ich habe gar keine Zweifel daran, dass man darauf zurückgreifen wird.“

Montag, 22. August 2011

BAZ: SVP bietet Geld für Parteiübertritt

SVP bot CVP-Politikern Geld für Parteiübertritt

Aktualisiert am 21.08.2011 202 Kommentare
Erstmals erzählen CVP-Politiker öffentlich, wie ihnen die SVP einen Übertritt schmackhaft machen wollte. Das Angebot: Geld und Unterstützung beim politischen Aufstieg.
Meist beginnt alles mit einem lockeren Spruch: SVP-Präsident Toni Brunner.
Meist beginnt alles mit einem lockeren Spruch: SVP-Präsident Toni Brunner.
Bild: Keystone
Geld und Karriere-Förderung: Das habe ihnen die SVP in Gesprächen angeboten, erzählen zwei CVP-Politiker erstmals öffentlich in der Zeitung «Sonntag». Beide lehnten ab. Emmanuel Kilchenmann (31), Freiburger CVP-Nachwuchshoffnung, wurde von der SVP geködert. Mit Geld. Das bestätigt er: «Man sagte mir, ich würde stark gefördert, sowohl finanziell wie auch beim Aufstieg in meiner politischen Karriere.»
Die Freiburger SVP-Vertreter hätten ihm gesagt, die SVP sei «national eine viel grössere und potentere Maschine als die CVP und fördere die Karrierechancen der 25- bis 40 jährigen besser». Kilchenmann ist national unbekannt. Er ist Vorstandsmitglied der CVP Freiburg und Zentralpräsident des Schweizerischen Studentenvereins, hat Wirtschaft und Recht studiert. «Eine Zahl wurde keine genannt, weil ich absagte», so Kilchenmann. «Aber es war klar, dass es finanzielle Aspekte gab. Mich kann man allerdings nicht kaufen. Ich verrate meine Werte nicht.»
Erfolgreiche Abwerbungen?
Erfolgreicher verliefen die Verhandlungen mit Nationalrat Thomas Müller (SG), der Anfangs Jahr von der CVP zur SVP wechselte. Auch hier soll Geld im Spiel gewesen sein. Die SVP habe Müller vor dem Wechsel angeboten, seinen Wahlkampf zu finanzieren, zitiert der «Sonntag» eine «bestens informierte Quelle». Müller selbst dementiert dies entschieden.
Meist beginnt alles mit einem lockeren Spruch beim Bier, am Apéro. «Du würdest gut zu uns passen», hörte auch CVP-Nationalrat Markus Zemp (AG). Genau wie CVP-Wahlkampfleiter Gerhard Pfister (ZG). Und offenbar auch CVP-Nationalrat Pius Segmüller (LU). Stehen die Signale auf Übertritt, beginnen ernsthafte Gespräche. Gerüchten zufolge haben solche sowohl mit Zemp wie mit Pfister stattgefunden. Aus SVP-Insider-Kreisen heisst es gar, man habe Pfister ein Ständerats-Mandat angeboten. Zemp wie Pfister dementieren entschieden.
«Wir sorgen für Sie»
Einen Abwerbungs-Versuch hatte auch Elmar Mäder erlebt, als er 1998 als Kommandant der Schweizergarde zurücktrat. Er habe im Bundeshaus zufällig SVP-Nationalrat Rudolf Joder getroffen, erzählt der heutige St. Galler Nationalrats-Kandidat. «Das kurze Gespräch ging darum, was ich beruflich zu tun gedenke. Ich hatte keine konkrete Vorstellung. Joder erklärte, ‹kommen Sie zur SVP, wir sorgen für Sie›.» Mäder gibt gegenüber dem «Sonntag» zu Protokoll, er habe sich gefühlt wie eine politische Hure, die von einem SVP-Freier angebaggert werde.
Für Mäder ist klar: «Die Gesinnung ist kein Kriterium, um in die SVP aufgenommen zu werden. Das Mitglied braucht keine eigene Meinung, denn ‹wir sorgen für Sie› gilt auch in dieser Hinsicht.»
SVP-Präsident Toni Brunner betont gegenüber dem «Sonntag» lediglich, die Darstellung von Zemp und Pfister seien korrekt: «Die SVP geht auf niemanden aktiv zu.» (ami)
Erstellt: 21.08.2011, 12:59 Uhr

Heinz Vogelsang

11:50 Uhr
Melden 3 Empfehlungen
Demnächst BR-Wahl durchs Volk: Wer am meisten Geld in den Topf wirft, wird Bundesratskandidat. Herr Blocher schreibt vor wer es ist. Niemand anders darf gewählt werden. So steht es in den Statuten der SVP. Antworten

Heinrich Mäder

11:36 Uhr
Melden 6 Empfehlungen
Aber nachher müssen die Sünnelianbeter zu allem Ja sagen. Und dürfen ja nicht aufmucken oder besser sein als der Vorstand. Drohungen und Erpressungen gehören zum Alltag. Denkt z.B. an den Ausschluss der SVP des Kantons Graubünden. Wie Herr Blocher die Leute erpresst hat. So will er sich in der ganzen Schweiz durchsetzen. Antworten

Peter Müller

11:35 Uhr
Melden 5 Empfehlungen
Wieso bloss wundert mich das nicht?? SVP = Totengräber der Schweizer Demokratie. Schweizer wählen SVP = andere Meinung = kein richtiger Schweizer. Entweder Du bist für uns oder Du bist gegen uns. Nur unsere Meinung ist die richtige Meinung, es gibt nur den totalen SVP-Weg. Vordergrund: Stimmenfang mit Fremdenfeindlichkeit; Vordergrund: Politik für den Geldadel. Antworten

Igor Bandalo

11:25 Uhr
Melden 4 Empfehlungen
Ich bin - gelinde gesagt - entsetzt. Selbst wenn die Anschuldigungen nur zum Teil stimmen. Ich erwarte eine Untersuchung SVP intern, denn rechtlich ist dagegen nicht vorzugehen. Einzig der Wähler könnte die Partei, die Korruption nicht nur fördert, sondern aktiv betreibt, in unserem System abstrafen. Doch solange sie weiter Sand streuen darf mit ihren Millionen, bleibt das Wunschdenken. Antworten

Roger Wegmüller

11:21 Uhr
Melden 7 Empfehlungen
Die SVP ist die unschweizerischte Partei hierzulande. Respekt, Toleranz, Offenheit und Demokratie sind für die Partei Fremdwörter. Werte, die uns Schweizer wichtig sind und uns von anderen Unterscheiden. Antworten

Mauro Cossino

11:15 Uhr
Melden 1 Empfehlung
Sich in eine Partei wählen zu lassen, um dann zu einer anderen zu wechseln hat für mich etwas von 'Schein-Ehe', also Missbrauch. Und wer kennt sich damit am besten aus? Genau! Antworten

Mike Blocher

11:10 Uhr
Melden 4 Empfehlungen
Back to the Roots würde ich der SVP empfehlen, denn all die "Böcke", die in den letzten Jahren geschossen wurden, haben die Fronten verhärtet: Fehlerhafte Statistiken bei Abstimmungen, Dr. Blocher lügt Stände und Volk an, Abwahl BR Metzler, Rausschmiss SVP-Graubünden, Schwarzmalerei bezüglich Ausländer dabei geht die Bevölkerung in Europa zurück, masslose Werbung, prall gefüllter Geldbeutel etc. Antworten

Fiorindo Hollenstein

10:52 Uhr
Melden 6 Empfehlungen
Nun alles ist käuflich wenn man genug Geld hat. Anscheinend stink auch das fremde Geld der SVP nicht. Antworten

Hp Rick

10:52 Uhr
Melden 9 Empfehlungen
Eine P R A L L gefüllte „Kriegskasse“ es ist an der Zeit sich einige ganz Grosse zu angeln Fulvio der Belli, BR Schleier-Anfang, oder ein Ausländer; geradezu ein Schnäppchen Silvio Illusioni (Achtung; bringt sein eigenes Geld mit) also, DIE idealen Verstärkungen auf jeder Position. Und als PEÄR Direktor Georges TUBLjuu Bush jun; der TOTALE Sieg wäre der SVP sicher…???? Antworten

Marcel Zuercher

11:55 Uhr
Melden
Wenn Kommentare wie ihrer die Gegenseitse darstellen sollen, dann weiss ich beim besten Willen nicht, wad waehlen. Niveaumaessig in etwa dieselbe Stufe.

Reuters: Bundesbank: Euro-Zone wird Transferunion

Bundesbank warnt Euro-Zone vor Marsch in Transferunion

22 Aug 2011 - 11:01
* Prinzip "Gegenseitiger Haftungsausschluss" geschwächt ("aka aufgegeben")
    * ESM sollte gelockerte Zinskonditionen nicht übernehmen 
    * Sekundärmarktkäufe von Anleihen setzen Fehlanreize 
 
    Berlin, 22. Aug (Reuters) -   
Die Bundesbank warnt die Euro-Zone nach den jüngsten Beschlüssen 
in der Schuldenkrise vor einem Marsch in eine Transferunion. Das 
Gipfeltreffen vom 21. Juli sei ein "weiterer großer Schritt in 
Richtung gemeinschaftlicher Haftung", kritisierte die Notenbank 
in ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht. Durch die 
Beschlüsse drohe der ursprünglich vereinbarte institutionelle 
Rahmen der Währungsunion zunehmend an Konsistenz zu verlieren. 
Wichtige Grundprinzipien wie finanzpolitische Eigenverantwortung 
und ein gegenseitiger Haftungsausschluss würden "weiter deutlich 
geschwächt".      
    Die Bundesbank hält es für einen gravierenden Fehler, dass 
die Kreditbedingungen für die vor der Pleite bewahrten 
Euro-Staaten Griechenland, Portugal und Irland gelockert wurden. 
Damit werde der Anreiz deutlich gesenkt, durch finanz- und 
wirtschaftspolitische Reformen möglichst schnell wieder solidere 
öffentliche Haushalte zu erreichen und an den Kapitalmarkt 
zurückzukehren. Die Notenbank warnt zugleich davor, die von dem 
vorläufigen Rettungsfonds EFSF gewährten günstigen 
Zinskonditionen auch auf den Mitte 2013 startenden dauerhaften 
Rettungsfonds ESM zu übertragen. Damit würde der Anreiz erhöht, 
ein Hilfsprogramm zu beantragen.   
    Die Bundesbank sieht auch die Entscheidung kritisch, dem 
EFSF die Möglichkeit einzuräumen, künftig Staatsanleihen nach 
ihrer Ausgabe am Kapitalmarkt aufkaufen zu können: "Durch 
Sekundärmarktkäufe werden die Anreize für eine angemessene 
Finanzpolitik zusätzlich reduziert." Während Staaten mit 
unsolider Haushaltspolitik auf Hilfen rechnen könnten, würden 
fiskalisch stabile Länder stärker zur Finanzierung herangezogen. 
Die Anleihen-Ankäufe sind vor einer gesetzlichen Umsetzung der 
Gipfelbeschlüsse noch Aufgabe der Europäischen Zentralbank 
(EZB). Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte als 
EZB-Ratsmitglied nach Reuters-Informationen zuletzt vergeblich 
gegen eine Wiederbelebung des Ankaufprogramms gestimmt, das die 
EZB nach Marktturbulenzen um Anleihen Spaniens und Italiens 
wiederaufgelegt hatte. Auch die geplante Übernahme der Ankäufe 
durch die EFSF sieht die Bundesbank kritisch: "Sofern Anleihen 
von Ländern ohne Hilfsprogramme am Sekundärmarkt gekauft werden, 
ist unklar, wie eine strikte Bindung an Konsolidierungs- und 
Reformauflagen durchgesetzt werden kann."

Sonntag, 21. August 2011

Spiegel: Schuldenplan USA wird Schrumpfstaat

US-Schuldenplan

Supermacht wird Schrumpfstaat

Von Marc Pitzke, New York
01.08.2011
Republikanische Politiker im US-Senat: Sieg der Tea Party
Zur Großansicht
DPA
Republikanische Politiker im US-Senat: Sieg der Tea Party
Das Sparpaket, auf das sich US-Präsident Obama mit den Republikanern verständigte, ist historisch - in seinem Ausmaß wie in seiner Unbarmherzigkeit: Der Staat schrumpft, Sozialausgaben werden gedrosselt, öffentliche Dienste gestrichen. Eine Analyse der wichtigsten Vereinbarungen.
Staatliche Sparpakete sind von Natur aus unbeliebt. Dieses jedoch, das die Tea Party in der US-Schuldenkrise erzwungen hat, übertrifft seine Vorgänger: Es ist historisch nicht nur in seinem Ausmaß und seiner Unbarmherzigkeit - sondern auch in der Empörung, das es auslöst. Der Demokrat Steve Cohen beschreibt sein qualvolles Dilemma so: "Ich hatte Nierensteine, mit denen einfacher fertig zu werden war als mit dem hier."
"Das hier" sind Einsparungen, Einschnitte und Abstriche in Höhe von 2,4 Billionen Dollar über zehn Jahre hinweg. Vor allem der linke Flügel der Demokraten revoltierte, wiewohl vergeblich - am Ende hatten sie keine Wahl. Dies sei ein "glasiertes Satan-Sandwich", empörte sich der Abgeordnete Emanuel Cleaver, der Vorsitzende des Congressional Black Caucus, der Schwarzen-Fraktion des gesamten Kongresses.
"Dieser Deal verspielt die Lebensgrundlage der Menschen für die Stimmen von ein paar nie zufriedenzustellenden Rechtsradikalen", schimpfte auch der progressive Abgeordnete Raúl Grijalva aus Arizona. "
In der Tat markiert der Plan einen Sieg der Tea Party, indem er einen radikalen Umbau des Staates in die Wege leitet - ein revolutionäres Umdenken dessen, wie und wo die US-Regierung Geld ausgibt und einnimmt.
Sozialausgaben werden gedrosselt, Hilfen gekappt, öffentliche Dienste gestrichen. Staatliche Investitionen in die weiterhin wacklige Konjunktur bleiben ebenfalls auf der Strecke - eine dramatische Kehrtwende im Vergleich zu den massiven US-Rettungspaketen für die Wall Street und die Industrie nach der Finanzkrise 2008. Nur eine Gruppe dürfte am Ende fast ungeschoren davonkommen - die Reichsten der Reichen.
Bei allem Eigenlob, das in der Nacht zum Montag vom Kapitolshügel bis ins Weiße Haus hallte: Die USA schrumpfen sich kaputt, von einer Supermacht zu einem Staatsskelett. US-Präsident Barack Obama resümierte das in seinem spätabendlichen TV-Auftritt mit einem lakonischen Nebensatz: Die Regierung werde auf ein Maß zurückgestutzt, das sie zuletzt vor mehr als einem halben Jahrhundert hatte, als noch Dwight Eisenhower im Oval Office saß.
An diesem Montag wollen die Fraktionschefs im Repräsentantenhaus und Senat das Sparpaket ihren Mitgliedern vorlegen.

SPIEGEL ONLINE fasst die bisher bekannten Punkte zusammen.
Die Zahlen
  • Die US-Schuldengrenze wird nach Angaben des Weißen Hauses schrittweise um "mindestens 2,1 Billionen Dollar" angehoben - zunächst um fast eine Billion Dollar bis Ende dieses Jahres, der Rest folgt dann bis Ende 2012. "Das eliminiert die Notwendigkeit einer weiteren Anhebung bis 2013", erklärte das Weiße Haus in der Nacht.
  • Diese Summe soll mit Ausgabenkürzungen, Mehreinnahmen und allerlei Buchhaltungstricks flankiert werden, die sogar noch etwas höher ausfallen und insgesamt rund 2,4 Billionen Dollar betragen. Das dürfte die USA bis 2013 über die Runden bringen. Sprich: Die nächste, bestimmt fällige Schuldenkrise wird vertagt, und zwar bis nach der US-Präsidentschaftswahl 2012 - ein Punkt, den Obama und die Demokraten durchsetzten.
  • In einer ersten Etappe sollen die Staatsausgaben für die nächsten zehn Jahre um jetzt bereits festgelegte 917 Milliarden Dollar gekürzt werden. Die zweite Etappe soll dann von einem Sonderausschuss präzisiert werden, dem sogenannten Super Congress.
Der Super-Kongress
  • Bis zum Thanksgiving-Fest am 24. November soll dieser Sonderausschuss, der aus sechs Demokraten und sechs Republikanern (je drei pro Kammer) bestehen wird, Vorschläge für weitere Sparmaßnahmen von 1,5 Billionen Dollar erarbeiten. "In dieser Phase", sagte Obama in der Nacht, "steht alles zur Debatte." Sprich: auch Renten, Sozialausgaben und die Krankenversicherung für Senioren und Arme. "Dieser Ausschuss wird ohne die Bedrohung einer staatlichen Zahlungsunfähigkeit arbeiten", erklärte das Weiße Haus. Dies stelle sicher, dass sich "die Störung und riskante Politik der letzten Monate" nicht wiederholten.
  • Sollte sich dieser Super-Kongress dennoch bis zur Thanksgiving-Frist auf keine konkreten Maßnahmen einigen können oder der Kongress diese dann nicht bis Weihnachten 2011 absegnen wollen, würden automatische Kürzungen in Kraft treten. Diese sollen zur Abschreckung so drakonisch werden, dass sie beide Parteien gleichermaßen schmerzen würden - etwa Sozialausgaben (Demokraten) und Verteidigungsausgaben (Republikaner). Dies soll als Verhandlungsanreiz dienen.
Der Regierungsapparat
  • Die von den Kürzungen betroffenen Behörden kommen aus allen Bereichen. Details blieben zunächst zwar noch schwammig, aber Tausende Programme sind bedroht. Zum Beispiel der Park Service, der die US-Nationalparks betreut und jetzt schon amputiert ist, das Arbeitsministerium, das die Arbeitslosenhilfe verwaltet, die Steuerbehörde IRS sowie Subventionen für die Landwirtschaft.
Das Militär
  • Bis zuletzt rangen Demokraten und Republikaner darum, ob das Pentagon und der US-Verteidigungshaushalt von den Sparmaßnahmen verschont werden. Schließlich einigten sie sich darauf, dass die Hälfte aller Kürzungen auf Militärausgaben entfallen sollen, davon allein 350 Milliarden Dollar im Rahmen der ersten Sparstufe und mindestens 500 Milliarden Dollar in der zweiten - eine der wenigen Konzessionen der Republikaner und ein Punkt, um den John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, heftig geschachert hatte. Es sind die ersten Kürzungen des US-Militärhaushalts seit den neunziger Jahren.
Renten und Sozialbezüge
  • Die Renten und Sozialbezüge werden fürs Erste nicht gekappt. Doch in der zweiten Sparphase stehen auch sie zur Verhandlung - darunter auch die wichtigsten Erfolge der Demokraten: die Krankenversicherungen für Senioren (Medicare) und Arme (Medicaid) sowie Sozialbezüge wie das Arbeitslosengeld und Lebensmittelmarken. Nur die automatischen Kürzungen im Falle eines Versagen des Super-Kongresses würden die monatlichen Renten- und Sozialschecks kategorisch aussparen.
  • Dahinter steckt die Hoffnung, dass sich die US-Konjunktur bis dahin ausreichend erholt hat, um den Schmerz der Einschnitte zu mildern. Auch sollen Medicare-Kürzungen allenfalls drei Prozent aller nichtmilitärischen Einsparungen betragen - eine Bedingung der Demokraten.
  • Ärzte, Krankenhäuser und Altersheime müssen sich nach Schätzung von Experten nun trotzdem auf noch weniger Staatsgelder einstellen als bisher. Auch die Krankenversicherung dürfte generell für alle Amerikaner noch teurer werden, da die Konzerne höhere Kosten auf ihre Kunden abschieben werden. So wird auch die Gesundheitsreform ausgehöhlt.
Die Steuern
  • Die Republikaner stemmten sich vehement gegen jegliche Steuererhöhungen. Viele Abgeordnete vor allem aus der Tea Party hatten vor ihren Wählern entsprechende "Bürgschaften" abgelegt. Das Sparpaket vertagt diese Debatte zunächst einmal - das Sparpaket enthält keinerlei Steuerpläne.
  • Das Thema dürfte aber spätestens bei den Beratungen des Super-Kongresses erneut zur Sprache kommen. "Wir müssen die wohlhabendsten Amerikaner und die größten Konzerne auffordern, ihren fairen Anteil zu leisten, indem sie Steuervorteile und Sonderabschläge aufgeben", forderte Obama noch am selben Abend. Auch ein Merkblatt des Weißen Hauses enthielt den Hinweis auf eine "Steuerreform". Klartext: Fortsetzung folgt.
Die Folgen
  • Das Weiße Haus betonte in der Nacht zwar, dass dieses Sparpaket arme und Mittelschicht-Amerikaner weitgehend verschone. Doch progressive Organisationen äußerten sofort Zweifel an dieser Sicht. Dieser Deal, erklärte Justin Ruben, Exekutivdirektor der Bürgerbewegung MoveOn.org, sei "ein desaströser Plan für Arbeiterfamilien". Amerikas Mittelklasse und Senioren würden "die Hauptlast des Schuldenabkommens" tragen. Auch Stephanie Taylor, Mitbegründerin des Progressive Change Campaign Committee, sprach von "furchtbaren Konsequenzen für Mittelklassefamilien".
  • Noch dramatischer sieht es der Ökonom, Nobelpreisträger und Kolumnist Paul Krugman: Der Plan würde die US-Rezession und deren Folgen nur noch vertiefen. Es werde so weit kommen, sagte er dem TV-Network ABC, dass die USA Japan während dessen "verlorenem Jahrzehnt" geradezu "beneiden" würden. Die US-Arbeitslosenquote werde seiner Schätzung nach Ende 2012 nun weiter über neun Prozent liegen - zur Zeit der Präsidentschaftswahl, wohlgemerkt: "Diese Ausgabenkürzungen werden die Arbeitslosigkeit verschlimmern."
  • Auch andere Analysten beurteilten die konjunkturellen Konsequenzen des Deals eher negativ. So hatte die Prognosegruppe Macroeconomic Advisors schon zuvor geschätzt, dass der ursprüngliche Sparplan des Demokratenchefs im Senat, Harry Reid, das US-Wirtschaftswachstum um jährlich 0,25 Prozentpunkte drosseln würde. Der konkurrierende Plan John Boehners würde 0,10 Prozentpunkte abschlagen. Das jetzige Rahmenabkommen liegt irgendwo dazwischen. "Die Arbeitslosigkeit wird höher sein, als sie es sonst wäre", prophezeite Mohamed El-Erian, der Chef des weltgrößten Anleiheninvestors Pimco, auf ABC. "Das Wachstum wird niedriger sein als sonst, und die wirtschaftliche Ungleichheit wird schlimmer sein als sonst." Krugmans düsteres Fazit des Schuldendramas: "Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels." 

Fragen zur US-Schuldenkrise

Was ist die Schuldengrenze?

In den USA gibt es ein gesetzliches Limit, bis zu dem sich der Staat verschulden darf. Bis zum Ersten Weltkrieg musste der Kongress noch jede einzelne Staatsanleihe genehmigen. Das war aufgrund der hohen Kriegskosten dann aber nicht mehr praktikabel. Daher wurde 1917 die Schuldengrenze eingeführt. Sie wird in der Regel mehrmals pro Jahr erhöht. Allein seit 1980 bereits 51 Mal

Warum könnte der US-Regierung das Geld ausgehen?

Bereits Mitte Mai 2011 hatten die Schulden der USA die Grenze von knapp 14,3 Billionen Dollar erreicht. Finanzminister Timothy Geithner hat sich seitdem mit Sondermaßnahmen durchgehangelt und verhindert, dass die USA zahlungsunfähig werden. Sollte der Kongress bis zum 2. August die Schuldengrenze nicht anheben, wird die Regierung wohl nicht mehr alle Rechnungen bezahlen können.

Worum geht der Streit?

Demokraten und Republikaner haben komplett unterschiedliche Vorstellungen, wie der Haushalt saniert werden kann. Die demokratische Partei von Präsident Barack Obama will neben Ausgabenkürzungen auch höhere Steuern für reiche Bürger durchsetzen. Die Republikaner lehnen das kategorisch ab. Stattdessen wollen sie radikale Einsparungen im Sozialsystem. Kritiker werfen den Republikanern aber vor, damit vor den im Januar 2013 anstehenden Wahlen das Thema weiter für ihre Zwecke zu nutzen. Besonders der radikale Flügel der Republikaner, die sogenannte Tea Party, erschwert es der Parteiführung, einer Kompromisslösung zuzustimmen.

Werden die USA weiter ihre Schulden begleichen?

Ein Zahlungsausfall dürfte laut Experten nur wenige Tage anhalten. Die USA würden aber wohl versuchen, ihre Schulden weiter zu bedienen. Die Zahlungsfähigkeit der USA insgesamt steht zunächst nicht in Frage. Auch nach einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Rating-Agenturen gibt es nur wenige Alternativen zur Anlage in Dollar. Sollte es jedoch auch hier zu Ausfällen kommen, hätte dies schwerwiegende Folgen. Dies könnte von der Rating-Agentur als teilweiser Kreditausfall (Selective Default) gewertet werden.

Kann es zu einem Finanzmarktschock kommen?

Die Finanzmärkte gehen derzeit immer noch davon aus, dass es zu einer Einigung kommt. Die Unruhe nahm jedoch zuletzt zu und Anleger schichteten aus dem Dollar in den Schweizer Franken und in Gold um. Zudem stiegen die Renditen von US-Staatsanleihen an. Sollten die USA tatsächlich ihre Schulden nicht mehr bedienen, dann wäre die außergewöhnliche Stellung von US-Staatsanleihen als sicherste und liquideste Anlageform gefährdet. Die Reaktionen könnten laut Experten heftiger ausfallen als nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008.

Wie verhalten sich die Rating-Agenturen?

Bei einer Nichtanhebung der Schuldengrenze dürften alle Rating-Agenturen die Kreditwürdigkeit der USA herabstufen. Die Rating-Agentur Standard & Poor's fordert aber nicht nur eine zeitgerechte Anhebung der Schuldengrenze. Notwendig seien auch nachvollziehbare Schritte zum Abbau der Schulden. Ansonsten könnten die USA auch bei einer Anhebung der Schuldengrenze ihre Topnote "AAA" verlieren. dpa-AF

    Freitag, 12. August 2011

    HB: Weltwirtschaftskrise in Sicht

    Deutschland im Visier: „Spekulanten wetten auf den Weltuntergang“

    exklusiv In der Schuldenkrise könnte auch Deutschland in schwieriges Fahrwasser geraten. Darauf deuten die gestiegen Kosten für Kreditausfallversicherungen hin. Ein Ökonom schlägt Alarm und fordert, die Angriffe abzuwehren.

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    Weltkugel. Quelle: dpa
    Weltkugel. Quelle: dpa

    DüsseldorfAngesichts der Finanzmarktspekulationen gegen Frankreich und Deutschland fordert der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, ein verbot des Handels mit Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, kurz: CDS). Die einzig rationale Motivation der Anbieter und Käufer von CDS könne gegenwärtig nur deren gewinnträchtiger Weiterverkauf an Gutgläubige sein. „Das aber ist kein produktiver Handel, sondern ein mieses Wettspiel, das schlicht verboten gehört“, sagte Horn Handelsblatt Online.

    Im Krisenmodus: Wie sich Notenbanken gegen den Weltcrash stemmen

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    Unter Investoren geht nicht nur die Angst um, dass die Euro-Schuldenkrise weitere Länder erfasst und in den Abwärtsstrudel reißt. Zudem bezweifeln immer mehr Anleger, dass europäische Politiker die Krise in den Griff kriegen. In Bankenkreisen gilt es daher als wahrscheinlich, dass die Lage an den Refinanzierungsmärkten vorerst schwierig bleibt. Verschärft wird die Krise durch spekulative Investoren, die auf den Kollaps von Staaten und Banken wetten.

    „Wenn Panik herrscht, setzt der Verstand aus, denn diese CDS sind gleichsam Wetten auf den Weltuntergang“, sagte IMK-Chef Horn dazu. Wenn sowohl die Bundesregierung als auch die französische Regierung in die Verlegenheit kämen, ihre Schulden nicht mehr bedienen zu können, dann seien die meisten Regierungen inklusive der USA und Japan schon längst zahlungsunfähig. „Es gehört nicht viel Phantasie dazu vorherzusagen, dass dann die Finanzmärkte insgesamt zusammengebrochen sein werden“, so Horn. „Daher würden die Besitzer einer CDS in dieser Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit völlig leer ausgehen, weil diejenigen, die die CDS begeben haben, selbst pleite sind.“

    Der Tag an den Märkten (Stand: 18:00 Uhr)

    Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), Michael Hüther, machte die Politik für die momentanen teilweise scharfen Marktreaktionen mitverantwortlich. „Wir erleben in diesen Tagen, wie eine fundamentale Neubewertung der Staatsverschuldung und weitgehende Zweifel an der politischen Handlungsfähigkeit vieler Staaten die Finanzmärkte in Übertreibungen führt", sagte Hüther Handelsblatt Online. "Die Laxheit der letzten Dekade führt nun zu einer völligen Schuldenintoleranz." Dabei hätten Finanzinnovationen, wie bestimmte Ordertechniken eine besondere Bedeutung erhalten. Politik kann dagegen nicht aber schnell wirksam agieren. "Spekulanten verlieren dann ihre Grundlage, wenn die Erwartungen gebrochen werden", sagte der IW-Chef. Deutschland und Frankreich seien Herren ihrer Staatsfinanzen. Die Konsolidierungszwänge seien erkannt und adressiert. "Insofern daran keine Zweifel begründet sind, sollten sich auch die Märkte beruhigen." Manchmal müsse man einfach abwarten, so Hüther.

    "Alle werden abgestraft"

    „Die Märkte sind zu - da ist eine allgemeine Verängstigung zu spüren“, beschreibt ein Investmentbanker die Situation. Die größten Schwierigkeiten haben kleine und mittelgroße Banken aus Italien und Spanien. Sie konnten ihre Refinanzierungsbedürfnisse für dieses Jahr in vielen Fällen anders als die Großbanken nicht schon im ersten Halbjahr decken. Wie stark das Misstrauen gegenüber vielen dieser Institute ist, zeigt sich an den Kosten für die Absicherung von deren Schulden. So ist es mittlerweile doppelt so teuer als zu Jahresbeginn, Schuldpapiere der italienischen Banco Popolare und Banco Popolare di Milano sowie der spanischen Bankinter zu versichern. Die Kreditversicherungen (CDS) für andere Geldhäuser sind zwar auch gestiegen, aber nicht so deutlich.

    Wie die Politik die Schuldenkrise lösen will

    • Stabilitätsunion

      Als jüngste Idee hat Wirtschaftsminister Philipp Rösler eine „Stabilitätsunion“ vorgeschlagen. Ein Stabilitätsrat in der Euro-Zone soll im Krisenfall entscheiden, wie einem Land geholfen werden kann, auch mit Geld aus dem
      EU-Strukturhilfetopf. Zudem soll es automatische Sanktionsmechanismen gegen Euro-Staaten geben, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten. Der Vorteil: Mit dem Vorschlag signalisiert Deutschland, dass es zu einer engeren
      Zusammenarbeit bereit ist. Der Nachteil: Etliche Euroländer-Regierungen wie Frankreich haben automatische Sanktionen für Defizitsünder bereits abgelehnt, so dass mitten in der Krise neuer Streit im Club der 17 Euro-Staaten droht.

    • EFSF-Aufstockung

      Sowohl EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso als auch Frankreichs Finanzminister Francois Baroin haben eine erneute Aufstockung des gerade erst aufgestockten vorläufigen Euro-Rettungsfonds EFSF durch die Eurostaaten über die vereinbarten 440 Milliarden Euro hinaus ins Gespräch gebracht. Damit soll notfalls auch Staaten wie Spanien oder Italien geholfen werden können. Der Vorteil: Auch viele Akteure an den Finanzmärkten fordern eine größtmögliche Flexibilität des Euro-Rettungsschirms, damit sich Besitzer von Staatsanleihen der beiden Länder sicher sein können, dass sie ihr Geld zurückerhalten, und die Risikozuschläge wieder sinken. Der
      Nachteil: Die nötige Zustimmung der nationalen Parlamente zu der bisher beschlossenen Aufstockung des EFSF im Herbst würde bei einer weiteren Ausweitung massiv erschwert, weil die anderen Euro-Staaten damit immer mehr Risiken im Falle einer Staatspleite auf sich häufen. Die Bundesregierung hat die Vorschläge deshalb umgehend abgelehnt.

    • Gold-Verkäufe

      Etliche Bundestagsabgeordnete haben gefordert, dass die angeschlagenen Euro-Staaten ihre Goldreserven verkaufen sollen, um damit ihren Schuldenstand zu verringern. Der Vorteil: Euro-Staaten könnten angesichts des
      hohen Goldpreises erhebliche Einnahmen erzielen und die Akzeptanz der Geber-Ländern für weitere Hilfen erhöhen. Der Nachteil: Die meisten Staaten haben die Entscheidung über Goldverkäufe den unabhängigen Notenbanken übertragen, die sich gegen eine politische Bevormundung wehren. Experten warnen zudem, dass das Grundproblem, nämlich die Vertrauenskrise, durch den Verkauf der Goldvorräte nicht beseitigt wird - sondern ein solcher Schritt wie eine Panikmaßnahme wirkt.

    • Umsetzung der EU-Beschlüsse, Nationale Reformen

      Grundhaltung der Bundesregierung war bisher, Ruhe zu bewahren und erst einmal die Beschlüsse des Euro-Sondergipfels vom 21. Juli bis Ende September umzusetzen. Sonst stünde nicht einmal die bisher vereinbarte Aufstockung des EFSF auf 440 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Vertrauen der Investoren könnten angeschlagene Euro-Staaten ohnehin nur durch nationale Reformen wie Schuldenabbau und eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Der Vorteil: Dies entwertet nicht die bisherigen, noch gar nicht umgesetzten EU-Beschlüsse. Der Nachteil: Vielen Akteuren reicht die bloße Umsetzung der bisherigen Beschlüsse nicht mehr aus, um die Unruhe an den Finanzmärkten einzudämmen.

    Vor allem US-Geldmarktfonds - eine wichtige Quelle für die kurzfristige Refinanzierung europäischer Banken - haben sich in den vergangenen beiden Monaten von Euro-Banken zurückgezogen. Nach Berechnungen von JP Morgan haben sie ihr Engagement um mehr als ein Fünftel reduziert. „Einige Häuser haben Schwierigkeiten, die fehlenden Mittel anderswo aufzutreiben“, sagt ein europäischer Spitzenbanker. Denn potenzielle Investoren mit einer starken Präsenz in Asien wie Standard Chartered ziehen es Finanzkreisen zufolge vor, ihre Gelder dort anzulegen.

    Vielen Häusern bleibt nur die Europäische Zentralbank (EZB), die den Banken regelmäßig Liquidität bereitstellt. So standen die Institute in dieser Woche Schlange, um sich in einem sechsmonatigen Refinanzierungsgeschäft mit der Notenbank rund 50 Milliarden Euro zu sichern. „Diese Maßnahmen der EZB sollten vorbeugend wirken“, urteilen die Analysten von Goldman Sachs. Denn die Notenbank teile mittlerweile immer genau soviel zu wie nachgefragt werde. „Der Markt ist gestresst, aber der Stress ist geringer als zu Lehman-Zeiten, da die Notenbanken aktiver sind“, sagt Commerzbank-Zinsstratege Christoph Rieger.

    Doch die Lehman-Krise hat gezeigt, wie schwierig es ist, eine Abwärtsspirale an den Märkten aufzuhalten. „Damals gab es zumindest noch eine Flucht in die Qualität, sprich in gute Banken“, sagt ein Vorstand einer europäischen Großbank. „Heute wird alles und jeder abgestraft."

    Wie steuert die Europäische Zentralbank durch die Schuldenkrise?

    • Warum muss die EZB einschreiten und nun auch Staatsanleihen aus Spanien und Italien kaufen?

      Aus Sicht von Beobachtern bleibt der EZB derzeit kaum etwas anderes übrig. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen der beiden großen Euro-Staaten waren zuletzt deutlich gestiegen. Für Italien und Spanien, die ohnehin schon unter einer hohen Schuldenlast ächzen, wurde es dadurch immer teurer, sich zu refinanzieren. „Die Notenbank greift als Feuerlöscher ein, so lange es andere nicht tun können“, sagt Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert. „Sie greift immer dann ein, wenn die Gefahr einer Kettenreaktion groß ist.“ Zwar soll künftig der europäische Rettungsfonds EFSF Anleihen von Krisenstaaten kaufen können. Dem Beschluss des Euro-Gipfels vom 21. Juli müssen aber noch die nationalen Parlamente zustimmen und das dürfte noch eine Weile dauern.

    • Wie reagieren die Märkte?

      Am Montag sanken die Renditen zehnjähriger italienischer und spanischer Anleihen kräftig. Dadurch wird die Refinanzierung für Rom und Madrid wieder günstiger. Zuletzt waren die Renditen für zehnjährige Anleihen über die von Experten als kritisch angesehene Marke von sechs Prozent geklettert.

    • Die Übernahme von Staatsschulden wird als Tabubruch der EZB gesehen. Warum?

      Ihre Unabhängigkeit von der Politik ist ein herausragendes Merkmal der europäischen Notenbank. Wenn die Währungshüter nun Geld drucken, um damit Staatsanleihen zu kaufen, verwischen sie diese eigentlich klare Trennung von Haushalts- und Geldpolitik. Es könne der Eindruck entstehen, die Notenbank reagiere auf Zuruf der Politik, sagte der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt der „Welt am Sonntag“. Denn die EZB finanziert im Endeffekt die Staatsschulden derjenigen, die mit ihrer allzu laxen Haushaltspolitik gegen den Stabilitätspakt verstoßen haben. Das könnte sich negativ auf die Disziplin der Haushaltspolitiker auswirken - auch in weiteren Ländern, befürchten Ökonomen. Die EZB weist das zurück. Sie wolle mit dem Programm nur die Wirkung ihrer Geldpolitik sicherstellen.

    • Was passiert wenn die Staaten pleitegehen und die EZB auf den Ramschpapieren sitzenbleibt?

      Sollte tatsächlich einer der 17-Eurostaaten seine Schulden nicht mehr bedienen können, müssen die Gläubiger - also auch die Notenbanken - auf ihr Geld ganz oder teilweise verzichten. Die EZB müsste die Ramschanleihen als Verlust verbuchen und mit ihren Gewinnen verrechnen. Unter dem Strich könnte dann ein Minus stehen. Verluste und Gewinne der EZB entfallen nach einem bestimmten Schlüssel auf die nationalen Notenbanken. Die Bundesbank erhält wegen der Größe der deutschen Volkswirtschaft den größten Anteil der Gewinne aber auch möglicher Verluste. Für das Bundesfinanzministerium würde dies weniger Geld bedeuten, da die Bundesbank ihren Gewinn an Berlin überweist. „Kommt es ganz schlimm, könnten die Zentralbanken im Notfall aber auch einen Teil ihres Goldes verkaufen“, sagt Schubert.

    • Woher kommt das Geld für die Anleihekäufe ?

      Die Währungshüter können unbegrenzt Geld drucken - auch, um Anleihen zu kaufen. Dadurch kann allerdings das Inflationsrisiko steigen.

    • Seit wann kauft die Notenbank Staatsanleihen?

      Die Notenbank hat am 10. Mai 2010 beschlossen, auf unbestimmte Zeit und in nicht genannter Höhe Staatsanleihen zu kaufen. Damit reagierte sie mit einer historischen Kehrtwende auf die schwere Euro-Krise, die Griechenland damals erstmals an den Rand der Staatspleite gebracht hatte. Zuvor hatte sich die EZB immer strikt gegen einen solchen Schritt gewehrt. Dass die Notenbank indirekt die Schulden klammer Staaten finanzieren könnte, hatte bis dahin als Tabubruch gegolten. Zuletzt standen Bonds im Wert von mehr als 70 Milliarden Euro in den Büchern der EZB - aus Griechenland, Portugal und Irland.

    EU-weites Leerverkaufsverbot unwahrscheinlich

    Der steile Abwärtstrend an den Aktienbörsen hat auch die neue europäische Finanzmarktaufsicht ESMA auf den Plan gerufen. „Die Regulierer beobachten die Volatilität und die ordentliche Funktionsweise der Märkte
    verstärkt“, sagte ein Sprecher der ESMA. „Wir sind in engem Kontakt zu den nationalen Regulierern und verfolgen die Entwicklungen eng.“ Er wollte sich nicht dazu äußern, ob das in Teilen Europas geltende Leerverkaufs-Verbot ausgeweitet wird. Die ESMA selbst könnte kein solches Verbot verhängen, wohl aber die Beschlüsse der Behörden in einzelnen Staaten koordinieren.
    Ein pauschales Leerverkaufsverbot für Aktien in der EU ist aber wohl sehr unwahrscheinlich, wie ein mit der Situation vertrauter Marktaufseher der Nachrichtenagentur Reuters sagte. An der Athener Börse sind nach massiven Kursverlusten Leerverkäufe für zwei Monate verboten. Das hatte Spekulationen genährt, diese Regelung könne EU-weit eingeführt werden.
    Leerverkäufe können Kursausschläge einer Aktie drastisch beschleunigen. Investoren wie Hedge-Fonds wetten dabei auf fallende Kurse. Sie leihen sich etwa Aktien, verkaufen diese und versuchen, sich anschließend billiger wieder damit einzudecken. Ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und von Staatsanleihen von Euro-Ländern sind seit vergangenem Sommer in Deutschland per Gesetz ganz verboten. Bei derartigen Geschäften haben Investoren die verkauften Papiere sich noch nicht einmal geliehen, was die Risiken noch erhöht.
    Der Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber äußerte indes Verständnis für die Ängste von Investoren, dass die Euro-Schuldenkrise auch Länder wie Frankreich erfassen und in den Abwärtsstrudel reißen könnte. „Die Märkte haben allen Grund nicht nur Italiens Schuldnerqualität, sondern auch die Bonität Frankreichs zu problematisieren“, sagte der Professor an der Technischen Universität Berlin Handelsblatt Online. Zu lange habe Frankreich zusammen mit Ländern als geborener AAA-Schuldner gegolten.

    "Frankreich ist der nächste Wackelkandidat"

    „Doch neben den chronischen Handelsbilanzdefiziten müsste die schwächelnde Wettbewerbsfähigkeit des Landes sowie die lange Zeit vernachlässigte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte die Rating-Agenturen auf die Spur bringen: Frankreich ist der nächste Wackelkandidat“, betonte Kerber.

    Nur ganz zu Anfang seiner Amtszeit habe der französische Präsident Nicolas Sarkozy versucht, der Ausgabeninflation der Gebietskörperschaften Herr zu werden. Doch dann habe er die Konsolidierungspolitik wieder ad acta gelegt und sogar den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück im EU-Rat der Finanzminister (Ecofin) belehrt, dass der Stabilitätspakt für Frankreich nur dann gelte, wenn der französische Staatschef dies zulasse. „Sein jetziger Kurswechsel ist lediglich verbaler Art“, sagte Kerber. „Sarkozy versucht, mit deklaratorischer Politik die Märkte zu beruhigen. Doch die wollen Zahlen und Fakten sehen.“ Mit realen Einsparungen müsse sich

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    Sarkozy schon aus Rücksicht auf seine Klientel Zeit lassen. „Er würde den gesamten militärisch-industriellen Sektor des Landes – also seine Spender –gegen sich aufbringen, wenn er die kostspieligen Rüstungsprogramme für strategische Atom U-Boote oder gar das Baracuda-Programm für Angriffs-U-Boote schon jetzt stoppen oder gar kürzen würde“, gab der Finanzexperte zu bedenken.

    Die Stunde der Wahrheit für Frankreich kommt nach Ansicht Kerbers spätestens nach seiner Wiederwahl im nächsten Jahr. Dafür lägen die Sparlisten bereits fertig in der Schublade. Aber niemand werde das Tabu brechen, einem Präsidenten vor den Wahlen Sparvorschläge zu machen und deren Umsetzung anzumahnen. „Für die Märkte bleibt Frankreich also eine wichtige Baustelle."