Mittwoch, 22. Februar 2012

Beim WEF, Davos geht es nicht um Dialoge, sondern um Machtbeziehungen

Treffen der Mächtigen

27. Januar 2012 07:44; Akt: 27.01.2012 11:05 Print

«Schwab macht aus heisser Luft Millionen»«Schwab macht aus heisser Luft Millionen»

von Sandro Spaeth - Er schätzt den WEF-Gründer Schwab als klugen, brillanten Mann. Seine Veranstaltung aber findet Jean Ziegler total skandalös: «Davos ist die Ideologiefabrik der Kosmokraten.»

storybild"Kapitalismus"kritiker Professor Jean Ziegler: «Die Gierigen kommen wegen der korrektiven Psychotherapie ans WEF». (Bild: Keystone)
Sie kennen WEF-Gründer Klaus Schwab persönlich. Sie beide sind Professoren an der Uni Genf. Hat er Sie nicht zu seiner diesjährigen Veranstaltung eingeladen?
Jean-Ziegler: Nein. Ich bin gegen diesen WEF-Zirkus. Es geht dort nicht um Dialoge, sondern um Machtbeziehungen. Das WEF mit seinen inhaltsleeren Mottos ist eine korrektive Psychotherapie. Die Herren der Welt, die Kosmokraten, die am Forum teilnehmen, haben einen schlechten Ruf und leiden darunter. Klaus Schwab richtet sie wieder auf.
Haben Sie das Herrn Schwab schon mal gesagt?
Klaus Schwab kennt meine Meinung. Er ist ein kluger, brillanter und freundlicher Mann. Ich bewundere ihn. Ihm gelingt es, mit seinem WEF-Zirkus, der nichts anderes ist als heisse Luft, ein Millionenvermögen zu machen.
Was stört Sie sonst noch am WEF?
Der grosse Skandal ist die Hörigkeit des Bundesrats. Er macht bei diesem Privatfest mit und lässt auch noch den Steuerzahler dafür aufkommen. 5000 Soldaten und Polizisten müssen den Anlass bewachen. Zudem wird auf alle eingeschlagen, die in Zürich und Bern ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrnehmen und gegen das WEF demonstrieren.
Herr Ziegler, am WEF bräuchte es Kritiker wie Sie!
Ich bin im internationalen Organisationskomitee des Weltsozialforums, das 2001 als Gegenbewegung zum WEF ins Leben gerufen wurde und gleichzeitig stattfindet. Zu Beginn probierte Klaus Schwab die Kritiker aus Porto Alegre (Brasilien) per Live-Übertragung zuzuschalten. Ich votierte aber immer gegen solche Scheindialoge.
Weshalb?
Dem WEF genehme Kritiker sind so nur Schaufensterpuppen. Was wir hingegen aufbauen müssen, ist eine Zivilgesellschaft, die gegen die Kosmokraten aufsteht. 

Das WEF tut so, als könne es die Welt verbessern.
Das WEF ist die Ideologiefabrik der Kosmokraten. Es werden in jedem Jahr Ziele gesetzt, aber man kommt nie darauf zurück. Eines der Primärziele 2011 war die weltweite Nahrungsmittelspekulation zu kontrollieren. Sie ist einer der Hauptgründe für den Hunger. Getan wurde nichts.
Woran erkennen Sie das?
Der Preis einer Tonne Reis hat sich in einem Jahr verdoppelt, eine Tonne Weizen ist sogar um 111 Prozent gestiegen. Die Nahrungsmittelspekulation ist 2011 explodiert. Letztes Jahr starben 36 Millionen Menschen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen. Unverständlich ist, dass man am WEF nicht auf das Thema zurückkommt. 2012 spricht Klaus Schwab lieber von irgendwelchen Global Shapers... Das WEF fabriziert die Legitimationstheorie für die kannibalische Weltordnung.

Es wird immer vom Geist von Davos gesprochen. Was halten Sie davon?
Auch das haben Schwabs PR-Fritzen erfunden. Es ist doch Unsinn zu sagen, dass die Herren der Welt in Davos zusammenkommen, um Beziehungen zu knüpfen. Wenn man Präsident von Nestlé, Novartis oder einer Grossbank ist, kann man doch das Telefon nehmen und jedermann anrufen – von Merkel bis zu Sarkozy. Es braucht kein WEF. Die Gierigen kommen wegen der korrektiven Psychotherapie. 

Sie schrieben einst, die Hälfte der Konzernherren und Banker, die nach Davos kommen, sollten längst im Gefängnis sein. Schadet dieses Gebell nicht ihrer Glaubwürdigkeit?
Mittlerweile sollten drei Viertel im Gefängnis sein! Wer mit Nahrungsmitteln spekuliert und damit Millionen Menschen ins Unglück stürzt, gehört hinter Gitter. Was ich sage, ist nicht polemisch, ich analysiere. Als Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates bin ich in der glücklichen Situation, dass ich klar reden kann.

Sie geniessen UNO-Immunität. Würden Sie sonst nicht so stark kritisieren?
Da müsste ich etwas mehr aufpassen. Ich hatte neun Prozesse am Hals, als mir während meiner Zeit als Nationalrat die Immunität aufgehoben wurde. Die UNO-Immunität ist viel stärker. Die Kläger müssten an den Internationalen Gerichtshof nach Den Haag.

Ihre deutlichen Worte haben Sie schon viel Geld gekostet. Denken Sie manchmal, da hätte ich doch besser den Mund gehalten?
Nein. Wenn man wie ich das Privileg eines Uno-Mandats und damit Zugang zu Informationen hat, dann muss man eine klare Sprache sprechen. Wenn ich sagen würde, die Kosmokraten, die in Davos zusammenkommen, seien Wohltäter, könnte ich mich nicht mehr im Spiegel anschauen.

Sie sind einer der ältesten Kapitalismuskritiker und werden in diesem Frühjahr 78 Jahre alt. Dürfen die Mächtigen auf Ihren baldigen Ruhestand hoffen?
So lange man am Leben ist, soll man kämpfen. Insbesondere wenn man so unglaublich privilegiert ist wie ich. Ein Intellektueller wird nie pensioniert. Das würde ja bedeuten, mit Denken aufzuhören. Beim Skifahren fahre ich zwar mittlerweile etwas langsamer. Aber sonst bin ich bestens bei Kräften.


20min Login Facebook Connect
Hinweis der Redaktion: Die Kommentarfunktion für diese Story wurde deaktiviert. Es können daher keine neuen Kommentare mehr gepostet werden.
  • Lex am 29.01.2012 10:19 via via Mobile Report Diesen Beitrag melden

    Ungeschminkte Wahrheit

    Endlich einer der sich getraut die Wahrheit zu sagen! Wer mit Grundnahrungsmittel und Energieressourcen spekuliert, ist ein Gangster und gehört hinter Gitter! Ohne diese gewissenlose Spekulationen müsste niemand auf der Welt an Hunger sterben! Weiter so Herr Ziegler! Chapeau!
  • silvanomeuli am 29.01.2012 08:04 Report Diesen Beitrag melden

    Wieso Nichtkapitalismus = Kommunismus

    Wieso wird jeder der gegen den Kapitalismus ist gleich als Kommunist beschimpft? Sind die menschen schon so ideeenlos und unkreativ das es nur die 2 Modelle gibt und Basta?! Ich für meinen teil denke man nehme die Grundpfeiler der Demokratie mische sie mit etwas Wissenschaftlichen realitätssinn und konstruiert so ein System indem sich Geld durch arbeit generiert und nicht durch Zins. Voilà schon einen Vorschlag parat.

    Genau dieser Vorschlag: Geld durch Arbeit, statt Zins zu generieren, wurde unter dem Namen Mefo-Bank im Deutschen Reich verwirklicht. Sein Erfinder wurde zum Dank zur Inkarnation des Bösen stilisiert, die Idee hingegen wurde vergessen.
  • Duri Candrian am 28.01.2012 23:41 Report Diesen Beitrag melden

    Fressen oder gefressen werden.

    Der Kapitalismus gehört auch zur Materie des Lebens. Bis zum kleinsten Lebewesen versucht alles, sich nach aller Möglichkleit zu bereichern, um seine eigene Existenz in Zukunft zu sichern und zu wachsen. Funktioniert dies auf Dauer leicht, mutiert das Lebewesen zur neuen Situation und verlangt nach immer mehr. Wenn es so gross wird, dass es sich selbst nicht mehr tragen kann, stirbt das Lebewesen in der bisherigen Form ab, und baut darauf auf, bis es wiederum sich nicht mehr selbst tragen kann, und abstirbt.Wenn es nicht so wäre, wären auch wir nicht da. Immer nach dem Prinzip des Stärkeren.

Samstag, 18. Februar 2012

FAZ: EZB betrügt Steuerzahler mit Anleihentausch


Griechische Staatsanleihen Gläubiger dritter Klasse

18.02.2012 ·  Wenn in Griechenland in Kürze der Schuldenschnitt vollzogen wird, ist die EZB fein raus. Ein juristischer Trick schützt die Bilanz der Zentralbank. Mitten im Spiel werden einfach die Regeln geändert.
Von Holger Steltzner
Jetzt wissen die Gläubiger, woran sie sind. Käufer von Anleihen der Euro-Krisenstaaten sind nur Anleger dritter Klasse. Gleiches Recht für alle gilt nicht für den Sparer, der so dumm war, sein Geld in griechische Anleihen zu stecken. Denn der wird nun rasiert, während für den größten Gläubiger des bankrotten Landes, die Europäische Zentralbank, Sonderrechte durchgeboxt werden.
Wenn Griechenland in Kürze ein Gesetz erlässt, durch den der erzwungene - jedoch „freiwillig“ genannte - Schuldenschnitt vollzogen wird, ist die EZB fein raus. Ein juristischer Trick (Tausch der Wertpapierkennung) macht aus alten Anleihen neue. So schützt die Zentralbank ihre Bilanz vor Verlusten und kann weiter so tun, als ob der umstrittene Kauf von Staatsanleihen aus Krisenländern mit dem Ziel, die Renditen für Italien & Co. zu drücken, frei von jedem Risiko sei.

Aus einer Fehlentscheidung wird eine Fehlerkette

Offenbar sitzen Illusionskünstler nicht nur in der EU-Kommission in Brüssel, sondern auch im Eurotower in Frankfurt. Mitten im Spiel ändert die EZB die Regeln zu ihren Gunsten und gibt vor, sich schützend vor den Steuerzahler zu stellen, den andererseits die Politik für das nächste Hilfspaket für Hellas noch stärker in Haftung nimmt. Dann fordert die EZB die nationalen Notenbanken und Regierungen auch noch auf, ihre Gewinne aus moralischen Gründen den notleidenden Griechen zu spenden. Fremdes Geld lässt sich leicht verschenken.
„Es ist eine Stärke unseres Rechtsstaats, dass er jeden gleich behandelt“, hat Bundeskanzlerin Merkel nach dem Rücktritt von Bundespräsident Wulff gesagt. Das gilt von heute an nicht mehr am Kapitalmarkt. Wann wohl der erste Hedgefonds seine Anleihen fällig stellt und vor den Kadi zieht? Besitzer von Anleihen aus Italien, Spanien oder Portugal wissen nun, was ihnen blüht. Am besten sind die Kredite vom IWF geschützt, für die zur Not die Garantiestaaten einspringen müssen. Bevorrechtigt sind auch öffentlich-rechtliche Gläubiger in Europa. Der Anleger ist der Letzte, den bei der Umverteilung der Risiken die Hunde beißen. Mit jedem neuen Hilfspaket, jeder neuen Geldspritze der EZB und jeder weiteren Absenkung der Sicherheiten für die Refinanzierung von Banken verschiebt sich das Risiko weiter zu seinen Lasten.
So wird die Rückkehr der Krisenländer an den Markt immer schwieriger. Aus einer Fehlentscheidung, dem Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, wird eine Fehlerkette. Wenn nun auch noch für die Anlagebestände der Notenbanken getrickst wird, könnte dieses Manöver die Euro-Krise wieder eskalieren lassen.
Quelle: F.A.Z.