Freitag, 29. Juni 2012

zgo: Die tieferen Ursachen angloamerikanischen Expansionsdrangs. Eine Spurensuche

Die tieferen Ursachen angloamerikanischen Expansionsdrangs. Eine Spurensuche

 

http://zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/891-die-tief 

Von WOLFGANG EFFENBERGER

Spätestens mit der Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wurde deutlich, dass die EU kein homogenes Gebilde ist. Denn bei der Schaffung der Euro-Gemeinschaftswährung am 1. Januar 2002 hatten sich die skandinavischen Länder und das Vereinigte Königreich vornehm zurückgehalten, die sich nun in Zeiten eines erodierenden Euros über ihr Pfund und ihre Kronen freuen. Für zeitgeist-Autor Wolfgang Effenberger eine Sache der Mentalität, in der sich traditionelle Seefahrervölker von Kontinentaleuropäern unterscheiden. Diese andere Grundhaltung sei es auch, die angelsächsisch dominierten Ländern, allen voran den USA, bis heute eine Vormachtstellung in der Welt garantiere.

 
Ein erstes verbindendes Band zwischen den zur See fahrenden Völkern Europas wurde bereits vor über tausend Jahren geflochten: Nach Abzug der römischen Besatzung begannen im 5. Jahrhundert Angeln, Sachsen und Jüten die ansässige keltische Bevölkerung zu verdrängen, die teilweise auf das Festland (Bretagne) ausweichen musste. Ab 866 n. Chr. begannen die Wikinger England konzentriert anzugreifen und planmäßig zu erobern. Im Kolonialzeitalter begann das Vereinigte Königreich (UK), eine weitere, untrennbare Verknüpfung zu flechten und den angelsächsischen Triumph zu manifestieren.
Der amerikanische Historiker Lawrence M. Mead1 hat in seiner vielbeachteten Studie „Why Anglos Lead“ den Erfolg der angelsächsischen Nationen untersucht – Großbritannien, USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Für ihn reicht die US-amerikanische Hegemonie bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits im 20. Jahrhundert konnten die Vereinigten Staaten den Weltmachtambitionen von Deutschland, Japan und der Sowjetunion nachhaltig einen Riegel vorschieben. Heute weist die Welt für Mead Ähnlichkeiten mit dem späten viktorianischen Zeitalter auf – mit dem einzigen Unterschied, dass die USA Großbritannien als führende Macht verdrängt haben. Insgesamt behaupten die angelsächsischen Nationen im Weltkonzert ihre Führungsrolle.
Heute weist die Welt Ähnlichkeiten mit dem späten viktorianischen Zeitalter auf – mit dem einzigen Unterschied, dass die Vereinigten Staaten Großbritannien als führende Macht verdrängt haben
Gemeinsam betreiben die sogenannten UK-USA-Staaten – das sind Amerika, das Vereinigte Königreich, Kanada, Australien und Neuseeland – das Schnüffelsystem „Echelon“ (vgl. auch den Beitrag „Wikileaks: Freiheit der Information?“ auf zeitgeist Online).2 Es habe im wesentlichen nur Zugriff auf interkontinentale Kommunikation, die entweder über Kommunikationssatelliten vermittelt wird oder über Unterwasserkabel läuft, die in den obengenannten Ländern anlanden, heißt es im offiziellen Echelon-Bericht3 vom November 2011. Dabei gaben die USA zu, dass sie im Detail abhören, wenn es um international ausgeschriebene Großaufträge geht – im internationalen Bereich ist das mehr als ein unfreundlicher Akt.
„Die Anglo-Staaten –  einzeln oder konzertiert – haben eine besondere Verantwortung für die Weltordnung übernommen. Dabei machen sie sich im Ausland  Chaos und Aggression zunutze, wie es andere Länder in der Regel nicht tun. Alle wichtigen militärischen Operationen der letzten 15 Jahre [inzwischen sind es 21 Jahre] wurden von irgendeinem Anglo-Staat angeführt: abgesehen von dem aktuellen Afghanistan- und dem Irakkonflikt z.B. auch der Golfkrieg von 1991 sowie die sich daraus ergebenden Flugverbotszonen über dem Irak, militärische Operationen in Bosnien 1995 und im Kosovo 1999 und die humanitären Interventionen in Somalia, Haiti, Sierra Leone und Ost Timor4, erklärt Lawrence M. Mead und fragt: Was genau erklärt die Anglo-Vorherrschaft?

Seefahrervölker hatten schon immer imperialistische Tendenzen. Interessante Koinzidenz, dass ausgerechnet die von den Wikingern begründeten Staaten sich bis heute vom Euro isolierten oder wie Island und Norwegen erst gar nicht der EU beitraten (Bild: Wolfgang Effenberger)

Seine Antworten: Wie die Briten erkaufen sich heute auch die USA einen Großteil ihres auswärtigen Einflusses und finanzieren Verbindungen gegen ihre Rivalen. Die Engländer wurden bekanntlich reich, weil sie einen größeren und freieren Binnenmarkt entwickelten als ihre Rivalen auf dem Kontinent. Zugleich war die angelsächsische Aristokratie offener und förderte die industrielle Revolution; das Ganze eingebettet in eine Regierungsgewalt, die seit 1215 von der Magna Charta geprägt war. Frühzeitig wurden Krämergeist und Monopole abgeschafft. Und nur von hier konnte Adam Smith die Überlegenheit des freien Marktes predigen.
Neben Wohlstand und einer klaren Rechtsprechung macht Mead eine weitere Säule der angelsächsischen Vormachtstellung aus: ein moderner Militärapparat, der weit entfernt von seinem Heimatland operieren kann – wieder ein typisches Merkmal einer Seemacht. War es früher ausschließlich die Marine, kommt heute die Luftbrückenkapazität hinzu. Auch in diesem Punkt müssen die Kontinentalmächte passen.
Die Kombination des ungewöhnlichen Reichtums mit professionellen Militärs erlaubte Großbritannien, Frankreich in den Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts zu besiegen, wobei der Handelsdruck schließlich das Bourbonen-Regime in den Bankrott und in die Revolution steuerte. Auf ähnliche Weise zwangen die USA mittels Militär- und Wirtschaftsdruck das sowjetische Regime in den Zusammenbruch.
Schon Johann Wolfgang Goethe beobachte die Erfolge und Leistungen der Engländer und suchte auf seine Weise nach Erklärungen. Gegenüber seinem engen Vertrauten Johann Peter Eckermann äußerte der große Denker am 12. März 1828, dass „er alle Insulaner und Meeranwohner des gemäßigten Klimas für produktiver und tatkräftiger halte als die Völker im Innern großer Kontinente“.5 Der Engländer jedoch sei Meister, „das Entdeckte gleich zu nutzen, bis es wieder zu neuer Entdeckung und frischer That führt.“6 Und in Weimar wurde Goethes Eindruck bestätigt: „Engländer überhaupt scheinen vor vielen anderen etwas voraus zu haben. Wir sehen hier in Weimar ja nur ein Minimum von ihnen und wahrscheinlich keineswegs die besten; aber was sind das alles tüchtige Leute! Und so jung und siebzehnjährig sie hier auch ankommen, so fühlen sie sich doch in dieser deutschen Fremde keineswegs fremd und verlegen. Vielmehr ist ihr Auftreten und ihr Benehmen in der Gesellschaft so voller Zuversicht und so bequem, als wären sie überall die Herren und als gehöre die Welt überall ihnen.“7
Diese bewunderten Tugenden führte Goethe nicht auf die Geburt oder den Reichtum zurück, sondern ausschließlich darauf, dass die Engländer eben die Courage hätten, das zu sein, wozu die Natur sie gemacht hat. An ihnen sei nichts verbildet und verbogen. Diese Erkenntnis ließ Goethe dann  den Wunsch äußern: „Könnte man nur den Deutschen, nach dem Vorbilde der Engländer, weniger Philosophie und mehr Tatkraft, weniger Theorie und mehr Praxis beibringen, so würde uns schon ein gutes Stück Erlösung zuteil werden.“8
Von zur See fahrenden Menschen werden andere Eigenschaften gefordert als von Waldbewohnern
Ob Goethe mit seiner Beobachtung nun richtig lag, oder ob die sichtbaren Erfolge der Engländer, ob Angel, Sachse oder Wikinger, ausschließlich auf ihre Seefahrerambitionen zurückzuführen sind, sei einmal dahingestellt. Wagen wir stattdessen einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung und die Lebensumstände der Einwohner Kontinentaleuropas. Ihnen boten sich ganz andere natürliche und klimatische Gegebenheiten, an die sie sich anpassen mussten. Denken und Handeln, ja das Verhalten insgesamt, wurden so auf ganz bestimmte Weise nachhaltig geprägt, was sich noch heute in unserem Selbstverständnis zeigt. Vor allem aber bildeten sich deutliche Mentalitätsunterschiede zwischen „Nordsee-Germanen“ und unseren direkten Vorfahren, den „Wald-Germanen“, aus.
So nimmt etwa die Einförmigkeit der Steppe dem Menschen die Heimat im engeren Sinn, ihre Unendlichkeit zwingt ein umherschweifendes Leben auf. Die in der nebligen Landschaft von undurchdringlichen Urwäldern jenseits des Rheins zwischen Jütland und den deutschen Mittelgebirgen lebenden Menschen sahen über den Horizont ihrer Sippe oder des Stammes nicht hinaus. Sie werden als unberechenbar und undiszipliniert geschildert. Um ca. 100 v. Chr. packt sie ein ungeregelter Drang nach Süden. Mit dem gesamten Hausrat, Vieh, Frauen, Greisen und Kindern strebten die Kimbern und Teutonen weg von den Nebelländern zur Sonne. Dabei handelten sie ohne erkennbaren Plan, oft mit widersprüchlichen Interessen. Mit einem Wort: irrational. Und das verunsicherte die in großen Zusammenhängen denkenden Römer. Die Kelten versuchten, sich die lästigen Waldnomaden auf Distanz zu halten, nannten sie unterschiedslos „Germani“. Tacitus hat diesen Begriff übernommen, wobei diese Waldstämme sich selbst nie als Germanen bezeichnet haben - so, wie sich die Huronen oder Irokesen nie als Indianer bezeichnet hätten.
Von Waldbewohnern werden auch in Notsituationen keine schnellen Entschlüsse verlangt. Falls doch, reichen Instinkte aus. Dafür können sie sich mit Mystik beschäftigen und nach erfolgreicher Nahrungsaufnahme in den Tag träumen. Neue und fremde Situationen werden häufig als unangenehm empfunden und möglichst gemieden. Bei sozialen Spannungen kann man sich anderen gegenüber verschließen und ihnen aus dem Weg gehen, während fürchterliche Unwetter gemeinsam in einer schützenden Höhle leichter zu ertragen sind.

Von zur See fahrenden Menschen werden ganz andere Eigenschaften gefordert. In seiner Fremdheit stellt das Meer ungleich höhere Anforderungen an die fachliche Tüchtigkeit des Menschen als das Land. Während das Meer den Horizont weitete, förderten Bootsbau und -beherrschung den technischen Verstand. Seefahrer müssen, wendig und schnell im Denken, die wechselnden Situationen auf See und an der Küste erfassen. Das führt im wahrsten Sinne des Wortes zwangsläufig zu einer verinnerlichten Weltoffenheit und zu strategischem Denken. Sie kennen ihr Ziel, beherrschen die Navigation und steuern ihre Boote mit aller Willensstärke und dem zum Führen eines hochseetüchtigen Schiffes notwendigen technischen Geschick. Die Vertrautheit mit den Naturgewalten und die jeweilige Anpassungsfähigkeit ist Voraussetzung. Im Unwetter wird allerhöchste Aufmerksamkeit und schnelles Handeln verlangt. Gemachte Erfahrungen müssen gerade in Notsituationen abgerufen und in der jeweiligen Situation weiterentwickelt werden können. Ein Träumer würde sein Ziel nie erreichen.
Und diese Prägung erfuhren Sachsen, Angeln, Jüten sowie die dänischen und norwegischen Wikinger, kurzum alle „Nordsee-Germanen“. Seemächte waren auch immer Anhänger des freien Weltmarktes und Motoren der technischen Evolution. Im 17. Jahrhundert trat England das Erbe des „Maritimen“ an und errichtete als die „Herrin der See“ ein in allen Erdteilen verstreutes britisch-imperialistisches Weltreich. Die englische Welt dachte weniger erd- und heimatverbunden, sondern mehr strukturbetont in Stützpunkten und Verkehrslinien. Das machte das Empire all jenen Völkern überlegen, die wegen der geographischen Topographie unter verengten Horizonten litten. So konnten „instinktsicher“ die Visionen William E. Gladstones durch die Realpolitik von Staatsmännern wie Lord Palmerston, Benjamin Disraeli und den Marquess of Salisbury wirksam durchgesetzt werden, wobei sie die kontinentalen „Reiche wie Deutschland oder Russland mitunter durch pure Verschlagenheit in Schach hielten.“9
Die englische Welt dachte weniger erd- und heimatverbunden, sondern mehr strukturbetont in Stützpunkten und Verkehrslinien
Sogar Kunst und Literatur wurden nachhaltig von dieser Prägung beeinflusst. Anders die Deutschen, die „in ihren Stil oft ein unsinnliches, unfassliches, breites und aufdröselndes Wesen“ hineinbringen, so Goethe zu Eckermann, würden die Engländer „als geborene Redner und als praktische, auf das Reale gerichtete Menschen“ alle gut schreiben.10 In der „deutschen Kunst“ verstellten oft Individualismus und Partikularismus auf eigensinnigste Weise den Weg und konzentrierten die schöpferischen Kräfte auf das Bewahren. Die Romantik „bevorzugt das Verschränkte und Wuchernde, das Komplizierte und Erregte. Spätromanik, Spätgotik, Barock und Rokoko sind dafür Belege. Daraus leitet sich eine Reihe weiterer Merkmale ab: die Freude am Irrationalen, die Begabung für das Phantastische, die Hingabe an die übersteigerte Form, an den derben oder verzerrten Ausdruck“.11
Im Gegensatz dazu machte ein eigentümlicher Wirklichkeitssinn die Engländer skeptisch gegenüber dem Barock und der allegorischen Historienmalerei. Dafür stand das Verhältnis von Mensch und Umwelt im Vordergrund. „Diesen Tatsachensinn belegt auch der führende englische Anteil an drei Bewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts, deren Ziel es ist, der Kunst eine konkrete Nutzanwendung zu geben: an der Eisen- bzw. Ingenieurarchitektur, dem modernen Städtebau.“12 In den Jahren zwischen 1790 und 1850 begann die Romantik zunächst als Protest der Jugend gegen die Normen der älteren Generation und war durch ein hohes Maß an Emotionalität und Überschwang gekennzeichnet. In Literatur und Kunst war sie ein Aufbegehren gegen den Klassizismus und nach Nietzsche „eine barbarische, wenngleich noch so entzückende Aussprudelung hitziger und bunter Dinge aus einer ungebändigten Seele ... eine Kunst der Überspannung, der Erregungen, des Widerwillens gegen das Geregelte, Eintönige, Einfache, Logische“.13
Die Romantik als Reaktion gegen den Rationalismus der Aufklärung mit seiner Vergötterung des Intellekts: Ihre Vertreter zogen der mathematischen Ordnung die Fülle und Ungeordnetheit des Lebens vor, wobei sie eine Vorliebe für transzendentalphilosophische und mythische okkultistische Züge entwickelten; sie kehrten der schmucken Eleganz des französischen Gartens den Rücken und wandten sich den verschlungenen Mysterien des deutschen Waldes zu „in welchem sich alle Naturgeheimnisse und Naturwohltaten zusammenfinden … Was die böse, überkluge, nüchterne, lichte und kalte Welt verschuldet und verwickelt, das muß der grüne, geheimnisvolle, bezaubernde, finstere, kulturverschlossene, aber dem Naturrecht getraute Wald wieder lösen und zurechtbiegen. Wer noch ein Herz im Leibe hat, dem muss es weh tun, dass er nicht im Wald wohnen und von Waldbeeren leben kann“.14 Doch es war ein drohender Wald. Die Kinder, die von Beeren lebten, gerieten bald ins Hexenhaus.
Es galt das Unbegrenzte, Schweifende, das Gefühlsmäßige zu erleben. In Märchen konnten die unauslotbaren Abgründe der menschlichen Psyche, die Nachtseiten des Lebens, das Unergründliche sowie das Geheimnisvolle der Natur (symbolisiert in Novalis' „blauer Blume“) abgehandelt werden. Dazu wurde in Deutschland der zerrissenen, verhassten Gegenwart das Idealbild des Mittelalters als einer geschlossen angesehenen Wert- und Gefühlswelt gegenübergestellt. 
Mit der schwärmerischen Verehrung des Mittelalters wurde die romantische Vorstellung von Volkstum und Volksgeist entwickelt und damit die Grundlage des modernen Geschichtsbewusstseins gelegt.
Cricketspielen war sozial, machte auch das Zusammenspiel auf dem Gefechtsfeld leichter – man begegnete sich auf gleicher Augenhöhe
Daraus erwuchs die sogenannte „politische Romantik“ (Ernst Moritz Arndt u. a.)15, die wesentlichen Anteil an der Schaffung eines deutschen Nationalbewusstseins hatte und mit ihrem mystischen Volkstumsbegriff und ihrer organischen Gemeinschaftsidee zur Grundlage für reaktionäre Strömungen bis ins 20. Jahrhundert werden sollte.16 Von derartigen Auswüchsen blieb die angelsächsische Romantik verschont. „Unter der Kombination von Archaismus und Schwärmerei, die nach dem Eindruck des Ausländers die Romantik auszumachen schienen“, schrieb der Historiker Gordon Craig (1913–2005), „schlummerten Kräfte des Schreckens, der Gewalttätigkeit und des Todes.“17 Während die Franzosen die Romantik als „le malaise allemand“ sehen und für den Aufstieg Adolf Hitlers mit verantwortlich machen, rückte der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt (1888–1985) zurecht: Alles Romantische steht im Dienste von anderen unromantischen Ideen.“18

Da spielte man im Empire schon lieber Cricket, den ersten Teamsport des englischen Landadels. Die ersten Clubs waren Dormannschaften, bestehend aus adligen Landbesitzern, seinen Bediensteten und Pächtern. Das war sozial, machte auch das Zusammenspiel auf dem Gefechtsfeld leichter – man begegnete sich auf gleicher Augenhöhe. In der Geschichte des British Empire, so J. E. C. Welldon, Schulleiter der Eliteanstalt von Harrow, zu Beginn des Jahrhunderts, „stehe geschrieben, dass England seine Souveränität seinen Sportarten verdanke. Sport, so Sir Robert Ensor noch 1936, insbesondere die ,organized games‘, sei der wichtigste Beitrag Englands zur Weltkultur“.19 Die Bemerkung des großen britischen Historikers George Macauly Trevelyan (1876–1962), hätten die französischen Aristokraten nur mit ihren Bauern Cricket gespielt, dann wären 1789 ihre Schlösser nicht niedergebrannt worden, trifft diese Gelassenheit der englischen Oberschicht gegenüber der Beteiligung des gemeinen Mannes am Wettkampf.
Im Gegensatz zum Kontinent verfügte die hoch entwickelte bürgerliche Gesellschaft Großbritanniens im 18. und 19. Jahrhundert über genügend Freizeit, Ideenreichtum und entsprechende finanzielle Voraussetzungen, um weitere Sportarten zu ihrer heute noch gültigen Form zu entwickeln. Ein erster Vorläufer des Regattasegelns – heute noch Domäne der Länder mit angelsächsischem Hintergrund – wurde sogar schon 1661 als Segelwettbewerb auf der Themse von Greenwich nach Gravesand ausgetragen. Nachdem 1815 der erste Yachtclub in London gegründet wurde, erfolgte hier 1907 der Zusammenschluss aller Länder-Segelverbände zur IYRU (International Yacht Racing Union).20
1744 wurde im großbritannischen Leith der erste richtige Golfplatz und -club gegründet und die ersten Golfregeln in Stein gemeißelt. Viele von ihnen zählen bis heute noch zum Regelwerk des Golfsports. Das erste professionelle Golfturnier fand im Jahr 1860 im Prestwick Golfclub statt. Während 1790 in London Daniel Mendoza das Boxen mit Handschuhen und nach festen Kampfregeln durchsetzte, trafen sich 1846 in Cambridge Vertreter altehrwürdiger Privatschulen, um ein gemeinsames, möglichst unkompliziertes Regelwerk für den Fußball zu schaffen. 1855 wurde der weltweit erste Fußballverein in Sheffield gegründet. Daneben konnten sich Sportarten wie Tennis, Tischtennis, Badminton und eben auch Cricket entwickeln – dagegen waren die „germanischen“ Sportarten wie Tauziehen, Steinstoßen, Speerwurf und Bogenschießen chancenlos. 
Aus vermeintlichen Schwächen können irgendwann auch Stärken werden. So mussten im Ersten Weltkrieg die die Weltmeere beherrschenden angelsächsischen Vettern um ihre Vormachtstellung zu See fürchten. Und das von ihren hinterwäldlerischen Verwandten! Diese hatten eine gefährliche Waffe in die Meere geschickt, eine Waffe, die ohne Horizont auskam. Mit dem Unterseeboot setzten sie ihre Wald-  und Dickichterfahrung auf äußerst erfolgreiche Weise um. So wie sie zu Zeiten von Tacitus sich vorsichtig  in eine Lichtung oder an einen Waldrand wagten, peilten sie nun mit dem Periskop die Lage, tauchten kurz auf und schossen die Torpedos ab, um dann wieder in der Unendlichkeit des Meeres zu verschwinden.
„Es ist immer England, weil wir eine Insel sind, die einst ein Weltreich aufbaute – wir sind daran gewöhnt, ins Ausland zu gehen, um dort zu kämpfen“
Anlässlich der Ausschreitungen britischer Fans zu Beginn der Fußball-EM in Portugal 2004 fragte Professor Eric Dunning, Hooligan-Experte an der Universität Leicester: „Warum immer England?“ Er nennt vor allem zwei Gründe: die britische Geschichte sowie die Wurzeln des Fußballsports in der Arbeiterklasse. „Es ist immer England, weil wir eine Insel sind, die einst ein Weltreich aufbaute – wir sind daran gewöhnt, ins Ausland zu gehen, um dort zu kämpfen“21 , erläutert er und verweist auf die Geschichte: Schon 1147 legten englische Kreuzfahrer auf dem Weg nach Jerusalem in Lissabon einen Zwischenstopp zum Morden und Brandschatzen ein, später gefolgt von den Freibeutern des Sir Francis Drake und den Söldnern des Generals Wellington. Unter den in Portugal festgenommenen Hooligans befanden sich keineswegs nur Arbeiterkinder. Sie einte interessanterweise ein gehobener Hintergrund: der Spross eines Psychotherapeuten, der Enkel eines Polizeipräsidenten, der Sohn eines Firmenchefs und ein Archäologie-Student.

Gestern und heute Seefahrer: "Anglos" dominieren über die ganze Welt (Bild: Wolfgang Effenberger, Airpower.at)

Heute sollten die langfristigen Ziele der angelsächsisch dominierten NATO kritisch hinterfragt werden. Auch sollte bei aller kontinentaleuropäischen Euphorie nachdenklich stimmen, dass alle von Wikingern beeinflussten Länder – Großbritannien, Island, Schweden, Norwegen und Dänemark22 – bisher auf eine Teilnahme am EU-Währungssystem verzichten.
ANMERKUNGEN
  1. Lawrence M. Mead ist Professor für Politik an der New York University, wo er über Staatstätigkeit sowie das amerikanische Regierungswesen referiert. Er hat mehrere Bücher zur amerikanischen Gesellschaftspolitik verfasst.
  2. Vgl. „Das FBI gesteht: Ja, wir arbeiten am Schnüffelsystem ,Magic Lantern'“,  veröffentlicht am 13. Dezember 2001 auf Spiegel online
  3. „Dokumentation: Der offizielle Echelon-Bericht von Gerhard Schmid an das EU-Parlament", veröffentlicht am 7. November 2001 unter Spiegel online
  4. Quelle: „Why Anglos Lead“, veröffentlicht am 6. Januar 2006 auf Majorityrights.com 
  5. Zitiert aus: Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. 1823–1832. o. V., Berlin/Leipzig 1835, Bd. 2, S. 264
  6. Zitiert aus: Gustav von Loeper: Goethe's Werke. Neunzehnter Theil. Sprüche in Prosa. S. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1870, S. 201, Nr. 931
  7. Zitiert aus Eckermann, a. a. O., S. 269f.
  8. ebenda.
  9. Zitiert aus: Robert D. Kaplan: Die Welt sicher machen für die Demokratie. Was wir jetzt tun müssen. Die zehn Regeln für das amerikanische Imperium des 21. Jahrhunderts, veröffentlicht am 26. Juli 2003 in Die Welt
  10. Zitiert aus Eckermann, a. a. O., Bd. 1, S. 109
  11. Zitiert aus: Werner Hofmann: Fischer Lexikon Bildenden Kunst. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 1960, Bd.  II, S. 53
  12. Ebenda, S. 71
  13. Zitiert aus Gordon Craig: Über die Deutschen. Beck, München 1982, S. 217
  14. Bogumil Goltz zitiert in: Craig, a. a. O., S. 220
  15. Siehe Schüler-Duden „Die Literatur“, Dudenverlag, Mannheim 1989
  16. Das Biedermeier wird zur Charakterisierung „deutscher Kultur und Politik“ deshalb ausgeklammert, weil es eines der weniger ruhmreichen Kapitel derselben ist; allerdings ein besonders einflussreiches!
  17. Zitiert aus Craig, a. a. O., S. 217
  18. Ebenda, S. 236
  19. Zitiert aus: Jürgen Kaube: Mit dem Commonwealth auf Augenhöhe. Erschienen in: Zeitschrift für Kulturaustausch, Heft 1/2000
  20. Vgl. Bob Bond: The Handbook of Sailing, o. V., London 1985
  21. „Tradition der Kreuzfahrer“ (dpa), veröffentlicht am 18. Juni 2004 in der SZ, Nr. 138, S. 36
  22. Großbritannien, Schweden und Dänemark als Mitglieder der EU, Island und Norwegen als Mitglieder des EWR (Europäischen Wirtschaftsraumes)

zgo: Was ist wirklich der Unterschied zwischen Griechenland und einem Privatschuldner

Was ist wirklich der Unterschied zwischen Griechenland und einem Privatschuldner?


"Double Dip": vom Zusammenbruch unseres Finanzsystems

http://zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/835-qdouble-dipq-vom-zusammenbruch-unseres-finanzsystems.html 

Von Univ.-Lektor Prof. Prof. Mag. Dr. WALTER WEISS

Dass wir kurz vor einem Kollaps unseres Finanzsystems stehen, wird heute wohl kaum noch jemand bestreiten. Was viel mehr interessiert, ist, ob es eine Rettung geben kann. Und wenn ja, wie diese aussehen könnte. Der österreichische Philosoph und zeitgeist-Autor Prof. Dr. Walter Weiss („Crash as crash can“ sowie „Wirtschafts- und Wissenschaftsethik im Zerfall – wohin, Mensch?“) gibt zunächst eine umfassend-sachkundigen und ungeschönten Überblick über den tatsächlichen Status Quo, um dann Antworten auf Fragen zu geben, die viele lieber noch verdrängen: Wie geht es mit Dollar und mit dem Euro weiter? Welche Alternativen gibt es überhaupt noch? Und welche Folgen hätte ein zweiter, richtiger Crash für unsere Volkswirtschaft, aber auch für Staat und Gesellschaft im Allgemeinen?

„Ich weiß es nicht.“

Es war im November 2010 in einer Sendung des alltäglichen Morgenjournals von „Ö1“ gewesen, dem Paradesender des Österreichischen Rundfunks, als der damalige Finanzminister Österreichs, Josef Pröll7, von einem mutigen Journalsprecher zum Griechenland-Rettungsschirm, der damals gerade am Aufspannen war, interviewt worden war: Ob das nicht ein wenig riskant sei für die österreichischen Steuerzahler? Nein, es bestünde für die Bürger nicht nur Österreichs, sondern der gesamten EU keinerlei Gefahr, denn es handle sich ja um kein Geldgeschenk an die Griechen, sondern nur um eine Art Bürgschaft der EU, an der sich eben auch Österreich beteilige. Ob im Falle des Schlagend-Werdens dieser Haftung da nicht doch einiges auf die Österreicher zukäme, erkundigtes sich der Interviewer besorgt. Nein, denn das könne nie schlagend werden, da die Griechen den Weg aus ihrer Krise alleine schaffen würden. Und wenn nicht? Undenkbar.
Der Interviewer gab weder nach noch auf und meinte besorgt, wie denn das sei bei einem Privatkredit, zu dessen Erlangung doch fallweise auch ein Bürge verlangt werde. Dieser Bürge müsse doch dann im Falle der Illiquidität des Schuldners einspringen, oder? Bei Griechenland sei das etwas völlig anderes, meinte der Finanzexperte, und man könne und dürfe beides nicht miteinander vergleichen. „Aha“, meinte nach dieser Eröffnung der Interviewer (Hubert Arnim-Ellissen) perplex und verdutzt ... und hatte mit seinem solcherart geäußerten Erstaunen eine veritable Beschwerde des ÖVP-Finanzministers beim ORF (dem Österreichischen Rundfunks) am Hals. Die sofortige Absetzung des unbotmäßigen Fragers wurde vehement eingefordert. Das Angebot des Redakteurs, mit dem Finanzminister ein nochmaliges offenes Gespräch über Bürgschaften und Schuldner zu führen, wurde nicht einmal beantwortet. Allerdings wurde der ORF-Mitarbeiter auch nicht gefeuert ... Aha.
Was ist wirklich der Unterschied zwischen Griechenland und einem Privatschuldner? Wir kennen die Antwort: „Too big to fail“, also: „Zu groß, um bankrott zu gehen.“ Bei Lehman Brothers nützte deren schiere Größe allerdings nichts – hatte doch ein Gutteil europäischer Öffentlicher ihr „Familiensilber“ in die USA verkauft und zurückgeleast und die Käufer über diese Bank ihre Zahlungen getätigt ... bei noch offenen Beträgen ... Tagtäglich gehen bis heute in den USA kleinere – aber auch größere – Lokalbanken pleite, die man in Luftinvestments mit hohen Renditeversprechen hineingelockt hat – vornehmlich aber wegen nicht rückzahlbarer Kredite sich übernommen habender US-amerikanischer Häuslebauer. Diese waren Opfer von Fannie Mae (Federal National Mortgage Association, FNMA) und von Freddie Mac (Federal Home Loan Mortgage Corporation, FHLMC) geworden: Beide waren Hypothekenbanken, die völlig sorglos Immobilien im Wert von 2.400 Mrd. Dollar gebündelt und besichert hatten – bis der Wert der Hypotheken unter die Kreditsummen sank, und der Staat beiden Pleitiers bis Ende 2010 rund 112 Mrd. an Finanzspritzen zuschießen musste ... aus Steuergeldern natürlich.
Jeden Tag werden über 5 Mrd. (!) Greenbacks „auf Luft gedruckt“ und in die marode US-Wirtschaft eingespeist
Nicht pleite geht natürlich die FED, die „Federal Reserve Bank“, von Ignoranten zumeist fälschlich als „Notenbank“ der USA bezeichnet, was sie aber nicht ist. Sie ist vielmehr ein Kartell jener Großbanken, die der ehemals bekannteste Rechtspopulist Österreichs, Jörg Haider mit „Ostküste“ bezeichnet hatte. Die FED ist niemandem verantwortlich, am wenigsten dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Regierung und: Sie hat auch die Oberhoheit über die Geldpresse. Jeden Tag werden über 5 Mrd. (!) Greenbacks „auf Luft gedruckt“ (in Wirklichkeit elektronisch in die Welt gesetzt) und in die marode US-Wirtschaft eingespeist. Jede ordentliche Nationalbank einer anderen Volkswirtschaft hätte mit einem derartig skrupellosen Vorgehen eine Hyperinflation ausgelöst – nicht die FED. Weshalb nicht?
Real- und Giralgeld
Der US-Dollar ist die sogenannte globale „Welt-Leitwährung“, das heißt der Großteil der US-Währung (heute über 80 %) kursiert nicht im Land, sondern außerhalb des nationalen Wirtschaftsraumes. Innerhalb eines solchen sollte nämlich ein gewisses Gleichgewicht zwischen umlaufender Währung und konsumierten Gütern herrschen. Dass dieses „Gleichgewicht“ mit der Erfindung des Buch-/Giralgeldes längst keines mehr ist und sein soll, weiß jeder gelehrte Ökonom, inzwischen aber auch jeder einfache Bankkunde, denn: Mit einer Kreditgewährung (und jede Überziehung eines Bankkontos ist Kredit!) wird das in der Realwirtschaft umlaufende Geld um genau den Kreditbetrag erhöht: Der Kreditgeber (die Bank) gibt das Geld her, das es auch realiter, zumindest zu einem gewissen Prozentsatz, in bar haben sollte, besichert etwa durch die Einlagen der Sparer. Dass diese „ordentliche“ Geldgebarung einer Geschäftsbank (Stichwort: Mindestreservenpolitik) längst nicht mehr so funktioniert und dem verborgten Geld oft nur mehr Bruchteile an „Realgeld“ (oder gar nur an Schulden) entsprechen, ist heute auch Gemeinwissen. Die „gegensteuernden“ Baseler Abkommen verlangen für Staatsanleihen keine Hinterlegung von Eigenkapital und durch „innovative“ Konstruktionen kann im Privatbereich das 200-fache der Eigenmittel an Geld geschöpft werden. Außerdem werden die Baseler Abkommen von den USA nicht umgesetzt.
Dies verleitet zu einem Exkurs zur Sondersituation des US-Dollar: Seine Leitwährungsfunktion wurde über das unter Präsident Nixon gemeinsam mit der britischen Finanzwelt erfundene „Petrodollar-Recycling“ abgesichert. Ein Großteil des Welthandels – insbesondere Erdöl – wird in Dollar abgewickelt, und Dollar-Anleihen werden im Ausland noch immer akzeptiert (vgl. China). Dadurch wird US-Inflationsgeld kanalisiert. Der Großteil des Fiat Money wird jedoch über die „Finanzblasenwirtschaft“ gebunden, die in den USA erfunden wurde und von der Londoner „City“ mitadministriert wird.
Hat derjenige, der sich auf obige Weise Geld besorgte, dieses nun nicht in Waren oder unbewegliches Vermögen investiert, sondern in virtuelle Werte (z. B. Futures), mit dem Auf und Ab von Währungen spekuliert, ist er auf Termingeschäfte eingegangen, hat er in Hedge Fonds einbezahlt und/oder Derivate aller möglicher Formen gekauft, war damit das Geld der Realwirtschaft entzogen und in die Finanzblasenwirtschaft eingespeist worden. Da zumeist mit US-Dollars spekuliert wird, sind solche Beträge jedenfalls außer Landes – oder als Giralgeld vorhanden – und tangieren die nationale Wirtschaft zumindest nicht vordergründig: Das geborgte Geld wird ja nicht in Waren investiert (und könnte damit deren Preisstabilität bei zu großer Nachfrage gefährden), sondern „arbeitet“ als Fiat-Geld außerhalb der Realwirtschaft im virtuellen Raum der Finanzblasenwirtschaft.
Jede ordentliche Nationalbank hätte mit einem derartig skrupellosen Vorgehen eine Hyperinflation ausgelöst – nicht die FED
Die Realwirtschaft beginnt erst dann aus dem Ruder zu laufen, wenn Kredite nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden und die Rückzahlungsraten auszubleiben beginnen. Reagiert die Bank mit sofortigem Fälligstellen des Kredites, ist als erstes das besicherte Objekt (zumeist das Haus, aber auch das Auto) perdu; in Folge bricht auch der Konsum des jetzt mitunter sogar obdachlos Gewordenen weg. Passiert das millionenfach (wie beim Platzen der Immobilienblase in den USA), gehen auch die Gläubigerbanken pleite – oder sie werden – wie im Falle von Freddie Mac und Fannie Mae – von der Regierung entweder mit Steuergeld oder schlicht mit extra dafür gedrucktem Geld „gerettet“. Da keine Regierung der Welt (außer der Schweiz, Norwegen, China und ein paar anderen Auserwählten) über ausreichend Devisenreserven verfügt, sondern sich schon längst verschuldet hat (um z. B. die ständig steigenden Sozialansprüche ihrer Bevölkerung abzudecken), bleibt nur der Weg der staatlichen Kreditaufnahme: in Form von Staatsanleihen (Bonds) beim Bankenapparat. Der gibt Geld sehr gerne an Regierungen – man braucht diese Kredite gemäß den Baseler Finanzregeln ja nicht mit Eigenkapital zu unterlegen –, und was gäbe es Sichereres als einen Staat? Wie sollte der auch pleite gehen? Was wollte man ihm „pfänden“? Seine Berge? Seen? Inseln? Seine staatlichen Unternehmen, seine Infrastruktur?
Genau das. Man kann auch Optionen auf zukünftige Einnahmen verlangen ...
Die Schuldenfalle
Die USA haben dieses Problem nicht. Die FED druckt einfach das von ihnen benötigte Geld und verleiht es gegen Zinszahlung. Die USA erhöht damit ihre Staatsschulden. Umgelegt auf deren Bruttoinlandsprodukt (fortgeschrieben für 2010) von rund 14, 6 Billionen Dollar, sind das immerhin fast 100 % der Jahreswirtschaftsleistung. Rechnet man die ausgelagerten Schulden und die Schulden der de facto bankrotten Bundesstaaten und Gemeinden hinzu, liegt die Verschuldung der öffentlichen Hand prozentual weit höher als die Staatsverschuldungen der wirtschaftlich am schlechtesten dastehenden Staaten der EU.
Was machen aber kleinere Staaten? Z. B. die einzelnen Bundesstaaten der USA? Kalifornien etwa? Europäische Länder wie Island, Irland, Griechenland, aber auch Portugal, Spanien und Italien, denen die EZB keine „rettenden“ Euros druckt? Wie wär‘s mit Österreich, mit Kärnten, Niederösterreich und Wien, mit irgendeiner kleinen Gemeinde?8

Welche Möglichkeiten bleiben einem Staat, überbordende Verbindlichkeiten, allem voran die in die Höhe schnellende Zinsschuld, zu begleichen, wenn es überall an Geld fehlt? Wird die EZB demnächst – wie die US-amerikanische FED – ausufernd Euros nachdrucken müssen oder kommt es womöglich noch schlimmer? (Bildquelle: www.deesillustration.com)

Was vier Absätze weiter oben noch als Frage formuliert war („Was soll man ihm pfänden?“) ist bereits längst erfolgt: Teile der staatlichen, bundesland- und gemeindeeigenen Infrastruktur sind in Österreich (und nicht nur hier!) längst verkauft – und zurückgeleast worden: von Bundesländern (z. B. von der Tiroler Wasserkraft AG, TIWAG), von Gemeinden (das Wiener Kanalnetz und Straßenbahn beispielsweise), während ganze Banken (die ehemalige Wiener Zentralsparkasse etwa über den Umweg der Bank Austria) schlicht verkauft wurden: letztere an die italienische Unicredit. Die Österreicher etwa verscherbeln zurzeit u. a. – und das ziemlich erfolglos – ihre Kasernen; über all das andere „Familiensilber“ an ehemaligem Staatsbesitz, das bereits seinen Eigner gewechselt hat – vom Erdöl über Münze und Salz bis zum Tabak –, soll hier der Mantel des Schweigens gebreitet werden. Den Griechen hat man jedenfalls angeboten, ganze Inseln zu verkaufen – und einiges ihrer zukünftigen Staatseinnahmen zu verpfänden, damit sie weiterwursteln können.
Die Österreicher verscherbeln zurzeit ihre Kasernen; über all das andere „Familiensilber“ an ehemaligem Staatsbesitz, das bereits seinen Eigner gewechselt hat, soll der Mantel des Schweigens gebreitet werden
Das Großkapital als Souverän und der „Souverän“ (das Staatsvolk) in finanzieller Geiselhaft – allerdings in einer besonderen: Die Sklaven kennen ihre Herren nicht mehr
Steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch Staatsanleihen nicht mehr zurückbezahlt werden können – und diese Gefahr besteht bei gut einem Drittel der 27 EU-Länder –, werden auch die Gläubigerbanken nervös und lassen sich ihr Risiko durch sogenannte Risikoaufschläge abgelten. In Form von Credit Default Swaps (CDS)9, also Schuldverschreibungen über das Ausfallsrisiko, wird dieses sogar handelbar gemacht. Solche Risikoaufschläge können gut und gerne zu Zinshöhen von 7 % und mehr führen (bei Griechenland betrugen diese vor dem Eintreten der EU als „Bürge“ gar 8,5 %), was eine Kreditnahme unleistbar macht und an den Lebensnerv eines Staates gehen kann. Müssen dennoch neue Schulden aufgenommen werden, um fällig gewordene alte zu bedienen, bleibt einem Staat oft nichts anderes übrig, als diese Wucherbedingungen zu akzeptieren – und die Finanzhaie wissen darum: Sie haben die Staaten ja in diese Situation hineingetrieben!
Mitglied einer Staatengemeinschaft wie der EU zu sein, ist da für einen in die Enge getriebenen Staat von Vorteil. Wenn auch ursprünglich dezidiert jede gegenseitige Kreditvergabe unter den Mitgliedsstaaten der Währungsunion des Euro ausgeschlossen war (vgl. Lissabonner Verträge), erhob sich erstmals bei Griechenland die Frage, was à la longue das geringere Übel sein mag: das Land in die Pleite rasseln und aus dem Euro-Verband zu entlassen – oder Garantie für seine staatlichen Schrottpapiere zu übernehmen. Das kommt zwar einer „Bürgschaft“ gleich, ist aber offiziell keine.
Für die europäischen Banken ergibt sich bei der Staatsfinanzierung ein lukratives Geschäft: Man holt sich bei der EZB, also der „Mutterbank“ des Euro, zu einem Leitzinssatz von 1 % Geld und verleiht es zum mindestens vier-, ja bis zum siebenfachen Zins weiter. Dies ist allemal besser, als bei ausländischen Banken (die „Ostküste“ Haiders kommt da wieder ins Spiel) für „frisches Geld“ Wucherzinsen zahlen zu müssen ...
So gut, so schlecht, denn: Auch die EZB – im Unterschied zur FED und den mit ihr verwobenen US-Banken rund um die Wall Street verfügt diese über keine Lizenz zum Gelddrucken! – gewährt nur Aufschub der Schuldenrückzahlung; die offenen Forderungen der Gläubiger (meist europäische und amerikanische Banken) bleiben aufrecht. Aber die EZB zwingt den Schuldner (also Irland, Griechenland ...) zum Sparen, um zumindest auf diese Weise zukünftige Schulden zu minimieren. Vom Unterlassen weiteren Schuldenmachens ist da freilich nicht die Rede, das wäre auch gar nicht zumutbar, denn: Es gibt keine Möglichkeit, durch bloßes Sparen die Schuldenberge abzutragen. Man kann neue Schulden lediglich minimieren – nicht aber vermeiden.
Konsolidieren der Staatsfinanzen ...
Das nicht weitere (!) Anhäufen von Schulden geht bekanntlich auf viererlei Wegen:
  1. durch Einschränken der Ausgaben
  2. durch Erhöhen der (Steuer-)Einnahmen
  3. durch Verkaufen von „Familiensilber“, also von Staatseigentum
  4. durch „Zocken“ mit Staatsgeld (= Steuergeld) in der Finanzblasenwirtschaft, um dort auf die – meist – hohen Renditen zu hoffen. Die öffentliche Hand spekuliert also mit Geld, das ihr gar nicht gehört, sondern nur zur Verwaltung übergeben worden ist!
Zu Punkt 4): So mancher für die Finanzen Verantwortliche hat sich dabei schon die Finger verbrannt, da in Folge der nach wie vor akuten Wirtschaftskrise mehrere Steuermilliarden versenkt worden sind – anstatt erzockten Gewinn abzuwerfen.10
Man kann neue Schulden lediglich minimieren – nicht aber vermeiden
Die europäischen Geschäftsbanken zocken heute mehr denn je. Hatten sie vor der Wirtschaftskrise von 2008 (dem ersten „Dip“) noch leichtsinnig und fahrlässig Kredite vergeben (u. a. uneinbringliche nach Ost- und Südosteuropa), borgten sie sich nach Erhalt der Steuermilliarden aus dem „Bankenschutzschirm“ („Sozialisierung der Verluste“; eigentlich gedacht zur Erhöhung der Liquidität der Banken via höherer Mindestreserve!) – diese als Besicherung nutzend – von der EZB (zum Teil auch von der FED) um den Leitzinssatz von 1 % weiteres Geld. Dieses dienten sie mit bis zu 7 % Aufschlag den diversen Regierungen und mit noch höheren Zinssätzen auch Privaten an – denen allerdings weit vorsichtiger (Stichwort Basel II und III! Das war und ist die berühmte „Kreditklemme“ der Realwirtschaft). Oder sie zockten – jetzt erst recht! – im virtuellen Raum der Finanzblasenwirtschaft. Da als Folge von 2008 alle Werte in den Keller gerasselt waren, konnten nur mehr Gewinne eingefahren werden gemäß dem ehernen Gesetz der Börse: starke Nachfrage lässt die Werte von Papieren steigen ...
Daher wurden mit dem Geld aus dem „Bankenschutzschirm“ von den Banken auch eigene Aktien aufgekauft: ein genialer Schachzug professioneller Zocker, der den Banken in Summe Milliardengewinne – und der Gesellschaft Millionen Arbeitslose eingebracht hat. Die Bonizahlungen an die Bankmanager beweisen es: Der ordinäre Bankkunde erhält 0,125 % für seine Giroeinlage und bestenfalls 2,3 % für ein zweijährig gebundenes Sparbuch – aber die Inflation liegt nirgendwo mehr darunter. Der Normalbürger verliert also mit Sparen sein Kapital ... Da könnte er sein Geld gleich vergraben – er hätte es dort sicherer, auch wenn es nur um ein wenig mehr weniger wird –, subventionierte damit aber nicht die Bank(st)er! Zeitungen haben darüber berichtet: Ein österreichischer Banker hatte in Riesenausmaß eine große Menge der völlig verfallenen Aktien der eigenen Bank angekauft und innerhalb weniger Monate 600.000 Euro Gewinn eingefahren. Ganz legal natürlich ...
Punkt 3) ist bereits ausgereizt: Der Ausverkauf  („Privatisierung“) von öffentlichem Besitz ist heute so weit fortgeschritten, dass Staaten und Gebietskörperschaften kaum mehr über wesentliche verkaufbare Realitäten oder (staatliche oder staatsnahe) Betriebe verfügen. Post und Bahn sind in Österreich zer- und angeschlagen, private Postdienste drängen auf den Markt, und auf den Gleisen der Bahn fahren auch private Züge. Der Bau von Autobahnen wird an Privatunternehmen vergeben (was die ASFINAG, der österreichische Straßenerhalter) allerdings nur ein einziges Mal versucht hat; das Teilstück kam letztlich teurer). Unter dem Schlagwort des „Neo“-Liberalismus muss überall für „gesunde“ Konkurrenz gesorgt sein, Monopole darf es keine mehr geben. „Freier Wettbewerb“ ist das Schlagwort der EU. Sie ist damit am Puls der USA, aber wohin das führen wird, ist auch klar: Der Billigstanbieter (der aber nicht der Beste sein muss, ja es aufgrund des Preisdumpings gar nicht sein kann!) könnte letztlich übrigbleiben und – wieder – die Preise diktieren. Genau das nannte man früher „Monopol“! Die Regulierungsbehörden der EU bemühen sich zurzeit. jedenfalls noch, das zu verhindern. Ausnahmen wie bei der Lufthansa zeigen jedoch, dass zwischen Theorie und Praxis eine breite Lücke klafft.
Bleiben die Punkte 1) und 2).
Ad Punkt 1): Einschränken der staatlichen Ausgaben führt unweigerlich zum Schrumpfen der Wirtschaft – soweit es sich um Ausgabenreduzierung im realwirtschaftlichen Sektor handelt, also etwa beim Hinausschieben von geplant gewesenen Infrastrukturprojekten wie die Modernisierung von Bahnhöfen und das Schlagen von Eisenbahntunnels (z. B. Semmering-Basistunnel) oder dem Bauen neuer Autobahnteilstücke, (z. B. die Westumfahrung Linz). All das wird aber zwischenzeitlich gebaut – mit abenteuerlichen Finanzierungsmodellen! Die eingegangenen Verschuldungen werden nie bedient werden können. Und die Verantwortlichen wissen das auch ...
Die reichsten Amerikaner zahlen nach wie vor wenig Steuern, die ärmsten 30 % gar keine – und der Mittelstand bricht unter der auf ihn konzentrierten Steuerlast zusammen
Wird „bloß“ der Verwaltungssektor „gesundgeschrumpft“ (nur Griechenland und Portugal leisten sich dieses gesellschaftspolitische Harakiri; in Österreich wird um jede Verwaltungsreform seit Jahrzehnten ein weiter Bogen gemacht), hat das für den Staatshaushalt primär zwar positive Folgen, schlägt aber sofort auf den Konsum der Bevölkerung durch: Weil Beamte mit niedrigerem Einkommen sich weniger leisten können. Auch das schiere Beschränken der Einstellungszahlen von Beamten erhöht die Arbeitslosenzahl. Rückläufiger Konsum bremst die Wirtschaft – also hat Österreich seinen Beamtenapparat gar nicht erst gesundgeschrumpft und ist der dahindümpelnden Wirtschaft mit Kurzarbeit – übrigens sehr erfolgreich – begegnet. Österreich steht heute besser da als so mancher andere EU-Staat. Diese Kurzarbeit hat dem Staat aber jede Menge an – über Kredite finanzierte – Quersubventionen gekostet. Die Verschuldung der Alpenrepublik (zu Lasten der nächsten Generation) hat also zu- und nicht abgenommen – was nicht unintelligent war, denn: Diese Schulden brauchen gar nicht mehr zurückbezahlt zu werden: weil Rückzahlungen auch nicht (mehr) vorgesehen sind ...
Und in den USA? Dort haben sich die Republikaner anlässlich des Tauziehens um die Schuldenerhöhung der Union – vor allem auf Druck ihrer Tea-Party – am 1. August 2011 gegenüber den Demokraten durchgesetzt: Sie haben sich ihr „Ja“ dazu quasi erpresst: durch ihr Beharren auf Ausgabenschmälerungen von bis zu 2,4 Bio. Dollar, vor allem zu Lasten der Armen und Bedürftigen via Schrumpfen der Sozialausgaben, Verringerung von Ausgaben im  Gesundheitssektor, bei Renten und Subventionen, Bildung und Forschung. Die Reichen blieben in ihren Steuerprivilegien unangetastet ...
Bleibt obiger Punkt 2): Einnahmen erhöhen, sprich: an der Steuerschraube drehen.
Barack Hussein Obama hat 2010 die Sondersteuerrechte für Vielverdiener seines Vorgängers George W. Bush nicht zurückgenommen – aus faulem Kompromiss mit den Republikanern. Die reich(st)en Amerikaner zahlen nach wie vor wenig Steuern (was deren Progression anbelangt), die ärmsten 30 % gar keine – und der Mittelstand bricht unter der auf ihn konzentrierten Steuerlast weg und zusammen. Dazu kommt die steigende Arbeitslosigkeit in „Gods Own Country“ und das Durchwursteln mit „Mac Jobs“, also unterbezahlten Teilzeitbeschäftigungen, von denen der verarmte Mittelständler derzeit gleich mehrere ausüben muss, um überleben zu können.
Soviel zu Obama. Und Guantanamo ist auch noch nicht geschlossen ...
... am Beispiel Griechenland
In Griechenland, Irland und Portugal (aber auch in Island) werden die Gehälter der Staatsdiener gnadenlos „gesundgeschrumpft“ – mit katastrophalen Folgen für die Familien der Beamten und den Konsum im Allgemeinen. Steuern werden erhöht, direkte wie indirekte, Urlaube gekürzt, das Pensionsantrittsalter wird hinaufgesetzt ... Was, wie oben beschrieben, der Wirtschaft schadet, denn: Leute, die weniger verdienen, geben weniger Geld aus – oder verwenden das ihnen verbliebene zum Befriedigen der vitalen Bedürfnisse, sprich: fürs nackte Überleben.
Die 11,2 Millionen Griechen stöhnen nun unter den strengen Auflagen ihrer um Einnahmenerhöhung und Ausgabenreduktion bemühten Regierung unter Giorgos Andrea Papandreou, die deswegen so rigide sind, weil die Euroländer ein Gesundschrumpfen des griechischen Budgets und eine Verringerung der Neuverschuldung verlangen. Ende 2009 drohte Griechenland ein Staatsdefizit von 12,7 % des BIP, für 2010 war ein Schuldenstand von 121 % (!) des BIP prognostiziert – 60 % waren laut EU-Kriterien erlaubt. Die griechische Wirtschaft war mit 76 % des BIP im Ausland (!) verschuldet, wurde aber von Spanien mit 88 % und von Portugal mit gar 99 % getoppt.
Die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen Griechenlands waren im April 2010 auf über 8,5 % gestiegen, was nicht mehr leistbar war. EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) gewährten Griechenland eine Schuldenpause in Höhe von 110 Mrd. Euro – eine Maßnahme, die von den europäischen Finanzministern schöngeredet und mit „Erhalt der Eurostabilität“ begründet wurde, aber nur jenen ausländischen Banken zugute kam, die um ihre Gelder, die sie Griechenland in Form von „Staatsanleihen“ geborgt hatten, nun nicht mehr fürchten mussten. Vor allem die französischen Banken hatten gezittert: Sie waren bevorzugt in Griechenland involviert gewesen.
Papandreou verordnete seinen Landsleuten das Einfrieren von Beamtengehältern über 2.000 Euro und die Abschaffung von Steuerbefreiungen. Die Mehrwertsteuer wurde auf 21 % angehoben, Mineralölsteuer und Rentenalter wurden hinaufgesetzt. Papandreou führte eine dramatische Verwaltungsreform durch, reduzierte deren Ebenen von fünf auf drei (das käme in Österreich einer Abschaffung der neun Bundesländer gleich) und schmolz die Zahl der Stadtverwaltungen von über 1.000 auf 370. Das 13. und 14. Monatsgehalt für Beamte wurde ausgesetzt. An die 65 Mrd. Euro soll der griechische Pfusch (= Schattenwirtschaft) wert sein, der nun energisch bekämpft werden soll, und an die 20 Mrd. Euro wurden (werden?) an Steuern hinterzogen.
Beim letzten Weltwirtschaftsgipfel in Davos war zu hören gewesen, dass der so gerühmte „westliche Weg“ (Eigenheim, Auto, Urlaub, frühe und vor allem gesicherte Pension) ein schierer Irrweg sei
Ein Schuldenstand von 121 % des Bruttoinlandsproduktes kann aber gar nicht mehr auf null gestellt werden. Selbst null Prozent Neuverschuldung würden den Bruttoschuldenstand Griechenlands (und auch jedes anderen Staates, vor allem der USA mit über 14.000 Mrd. US-Dollar Gesamtschulden – die schon erwähnten 100 % des BIP) nicht minimieren, sondern nur nicht weiter ansteigen lassen! Wenn also der Abbau der jährlichen Neuverschuldung auf von der EU Griechenland zugebilligte 3 % schon enorme soziale Verwerfungen, wie eben aufgezählt, zur Folge hat – was geschähe mit und in der griechischen Bevölkerung bei einem rigorosen Abbau des Gesamtschuldenstandes?
Schulden – und Banken
Beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos war Ende Januar 2011 zu hören gewesen, dass der so gerühmte „westliche Weg“ (Eigenheim, Auto, Urlaub, frühe und vor allem gesicherte Pension) ein schierer Irrweg sei und von China und den anderen Schwellenländer nicht übernommen werden könne. Der „American Way of Life“, mittlerweile auch zu jenem der Nord-, West- und Mitteleuropäer geworden, sei schlicht nicht zu finanzieren. Schon gar nicht für 1,3 Mrd. Chinesen und eine Milliarde Inder.
Dem steht allerdings die Tatsache entgegen, dass die jährliche Zunahme der Staatsverschuldungen ungefähr den vom Großkapital nicht bezahlten Steuern entspricht. Wir könnten uns also den in langen Auseinandersetzungen errungenen Sozialstaat leisten, wenn alle mit einem angemessenen (gerechten) Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohles beitrügen.
Die ungebremste Gestion der „Finanzindustrie“, die nur den Eigeninteressen der großen Kapitaleigner dient, zeigt der rund 600 Seiten umfassende Bericht eines Untersuchungsausschusses des US-Kongresses. Dieser legt dar, dass mangels regelndem Eingreifens die Expräsidenten George W. Bush und Bill Clinton neben den Zockern in der Wall Street die Hauptschuld an der weltweiten Finanzkrise trügen. Die Misere sei „ein Musterbeispiel an Fahrlässigkeit“; in der Finanzbranche wurden „umwerfende Beispiele von Pannen und Verantwortungslosigkeit“ geortet. Der Bericht war natürlich nur von den Demokraten, nicht aber von den Republikanern unterzeichnet worden ...
Wie sollten es die USA – sie sehen über weiteste Landstriche jetzt schon wie ein Drittweltland aus – schaffen, über 14 Bio. Dollar Staatsschulden „abzubauen“? Bei einer Arbeitslosenrate von bis über 20 % unter den Ärmsten der Armen? Kein Ökonom, nicht einmal die Schönredner – und nur die kommen in der heute bereits weltweit nahezu gleichgeschalteten Presse zu Wort –, würden unter vier Augen (und schon gar nicht öffentlich) einräumen, dass auch nur eine einzige der weltweit angehäuften Staatsschulden abgebaut werden könnte ... und das ja auch gar nicht sollen! Keine Wirtschaft brächte das zustande, kein Staatsmann überlebte eine derartige Rosskur, keine Gesellschaft überstünde das heil. Aufstände, Demonstrationen, der unvermeidliche politische Rechtsruck (in Österreich steht der Rechtspopulist H. C. Strache knapp davor, bei der nächsten Wahl Bundeskanzler zu werden; mithilfe der zu einer Restpartei geschrumpften ÖVP mag ihm dies sogar gelingen ...), Nationalismus, zuerst Bürgeraufstände, dann auch Kriege gegen die Nachbarn wären die Folge.
Eine „geordnete“ Rückführung der aus dem Ruder gelaufenen Staatsverschuldungen zur Normalität ist im Rahmen der gegenwärtigen Finanzarchitektur unmöglich
Fazit: Eine „geordnete“ Rückführung der aus dem Ruder gelaufenen Staatsverschuldungen zur Normalität ist im Rahmen der gegenwärtigen Finanzarchitektur unmöglich – und dies gleich aus mehreren Gründen.
  1. Geld hat immer Schulden zur Voraussetzung, ja Geld macht nur dann Sinn, wenn es Schuld evaluiert. Es ist immer „Kreditgeld“ und damit de facto bloße Verbriefung (Schuldschein, Wechsel), die kundtut, wieviel mir jemand (ausgedrückt in verbindlicher Währung) für meine Leistung schuldet. Das Gehalt (der Lohn) ist klassisches Beispiel: Ich verrichte Arbeit, und der Arbeitgeber (eigentlich der Arbeitnehmer, denn er nutzt ja meine Arbeit, die ich ihm gebe; aber in der Ökonomie sind viele Begriffe sehr seltsam!) entlohnt mich – im Nachhinein. Ohne Schuld kein Geld. Würden (alle) Schulden abgebaut, gäbe es auch kein Geld.
  2. Schulden werden systemimmanent immer mehr: durch den Zinseszins. Wenn Geld zur Ware wird, es also ge- und verkauft wird, verliert es seinen ursprünglichen Kreditstatus. Wer Geld braucht und keines hat, „kauft“ es. Da Geld an sich keinen Wert hat (Geld, das nicht umläuft, ist wertlos; es mag im Sparstrumpf aber beruhigen ...), muss ich mir darum etwas kaufen, um etwas Wertvolles zu haben. Ich könnte es auch investieren: in ein Unternehmen z. B., in Immobilien – oder in Wertpapiere. Letzteres kommt dem Verborgen gleich – und bringt mir Zinsen: Ich lasse mein Geld (jetzt „Kapital“ genannt) für mich arbeiten und generiere Einnahmen durch Zinsen. Ich bin also Kapitalist geworden. Woher ich mein Kapital habe (erarbeitet, ererbt, erzockt), ist egal. Da Kredite über viele Jahre in Raten zurückgezahlt werden, zahlt der Schuldner nicht nur das ursprüngliche Kapital zurück, sondern auch die dafür vereinbarten Zinsen. Da die Rückzahlung langsamer erfolgt als die Zinsen zum Kapital dazugeschlagen werden, zahlt er auch Zinsen von den Zinsen – den Zinseszins. Staaten wenden heute einen Gutteil ihres BIPs alleine für den Zinsendienst  auf – von Rückzahlung des ursprünglichen Kapitals gar nicht zu reden ...
  3. Zocken schafft Schulden: Wenn eine Bank sich billig (über die Zentralbank) oder – aus vergangenen Spekulationsgewinnen – quasi kostenloses Fiat-Geld besorgt hat und es nun  verleiht, sind neue Schulden kreiert – und die Boni für die Banker garantiert. Die „Ostküsten“-Banken Goldmann Sachs und JP Morgan sollen laut New York Times vom 13. Februar 2010 Griechenland sogar dabei unterstützt haben, das wahre Ausmaß seiner Staatsschulden zu verstecken: indem gewährte Kredite als Währungsgeschäfte verbucht worden seien. Griechenland habe dafür – oben schon angesprochen – zukünftige (!) Einnahmen wie Flughafengebühren und Lotteriegewinne an die beiden Banken abgetreten ... Liest man zumindest. Das sind Schulden auf noch nicht einmal Erarbeitetes!
  4. Auch Spekulationsgewinne generieren Schulden: Bei Investitionen in der Realwirtschaft lassen sich Gewinne („Renditen“) von – in der Regel – maximal zehn Prozent einfahren. Bei hochriskanten Hedge-Fonds-Investitionen können es aber Hunderte von Prozenten sein. Wer beim Zocken streut, vermindert sein Risiko, und wer mit so viel Geld spielen kann, dass er die Kurse seiner Papiere oder x-beliebiger Rohstoffe manipuliert, gewinnt immer (u. a. auch durch Insidertrading). Auf diese Weise generiertes (Fiat-)Geld muss – siehe oben – aber „arbeiten“: Sonst wäre es ja wertlos! Also wird alles (auch Illegales; vgl. Griechenland) unternommen, neue  Schuldner zu finden, denn diese bringen schließlich Zinsen und Zinseszins. Fiat-Geld ist nicht nur gemachtes Geld, sondern es macht auch frisches Geld: über den Schuldendienst.
  5. Staatsanleihen sind Schulden: Sie sind angeblich das Sicherste – wenn es sich nicht um ein Drittweltland ohne Bodenschätze handelt. Ein EU-Land hingegen ist immer ein guter Tipp: Too big to fail! 600 Mio. EU-Bürger stehen für alle Schulden gerade – dafür sorgen schon die nahezu gleichgeschalteten Regierungen Europas und deren Angst um die jeweils eigenen Banken, deren Pleite unabsehbare Schäden für die heimische Wirtschaft nach sich zöge. Die österreichische Kärntner Hype-Alpe-Adria wurde nur aus diesem Grund „gerettet“ – mit dem Steuergeld der Österreicher, nachdem die Bayern über den Umweg einer kurzen Beteiligung um einige Milliarden Euros erleichtert worden waren. Also wird den notorisch unter Geldmangel leidenden Staaten von den Banken Geld angedient und werden diese Nationalökonomien in die Schuldenfalle regelrecht hineingetrieben.
Retten Rettungsschirme?
Es sind also die Banken, die nach Schulden (anderer) gieren. So „druckt“ die EZB zwar (noch) keine den Geldumlauf vermehrende Euros, aber sie betreibt eine Geldmengenausweitung via Fiat-Geld: ohne Deckung durch entsprechend parallele reale (!) Wirtschaftsleistung ihrer Mitgliedsländer. Sie tut das  über den oben schon angesprochenen „Rettungsschirm“ der  EFSF, indem sie marode Staatspapiere aufkauft: z. B. (in Zukunft?) solche Italiens, das mit 120 % seines BIPs fast genauso hoch verschuldet ist wie Griechenland ... Im Gegensatz dazu ist Tschechien, dessen Präsident Václav Klaus sich lange gegen die Lissabonner Verträge gewehrt hat, heute mit nur 35 % seines BIPs in der Kreide: Weil Klaus als klassischer Liberaler und Anhänger der freien Marktwirtschaft sich die eherne Regel des Wirtschaftens („Nicht mehr ausgeben als einnehmen“) mehr zu Herzen genommen hat als die Regierungen anderer EU-Staaten – und vor allem mehr als es die USA jemals auch nur angedacht hatten.
Auch einen Gutteil des gekauften Goldes gibt es nur mehr virtuell
Schulden werden heute nicht mehr durch das Überbringen von Geldkoffern „beglichen“ – offene Rechnungen werden „bilanziert“: im virtuellen Raum. Die bilanzierte Geldmenge ist weder durch Realwerte und schon gar nicht durch Gold gedeckt. Der Goldpreis war daher auch noch nie so hoch wie heute, was ein Alarmzeichen sein sollte, denn: Auch einen Gutteil des gekauften Goldes gibt es nur mehr virtuell. Goldkäufe in jüngsten Fällen sind nur mehr auf dem Computerschirm (oder auf dem Kontoauszug) real, denn: Ein Gutteil des Goldes kann nur deswegen (noch) gehandelt werden, weil in Zeiten wie diesen immer mehr Anleger in Gold flüchten, und kaum jemand seine Goldbarren real (im Safe oder sonstwo) hortet – oder gar verkauft. Gäbe es heute einen Run auf reale Goldbarren, erginge es dem Goldmarkt wie einer Bank, die plötzlich all ihre Einlagen auszahlen müsste: Sie wäre noch vor dem Öffnen ihrer Bankschalter pleite ...
Es ist daher ein vitales Interesse von Regierungen, den Bankenapparat am Laufen zu halten, und es ist heute so, dass die Banken den Staaten Kredite aufschwatzen und sich am Zinseszins goldene Nasen verdienen. Die Regierungen wieder benötigen diese Kredite, weil sie überbordende Sozialforderungen ihrer Bevölkerungen bedienen müssen; wenn nicht, verlieren sie die nächsten Wahlen.
Fallen nun Kreditrückzahlungen von illiquiden Staaten aus, und findet sich niemand mehr, der sich für eine Umschuldung trotz horrender CDS-Aufschläge bereit erklärte, (sic Griechenland und Irland, demnächst Spanien und Italien; Portugal hat es Anfang 2011 gerade noch geschafft, auf dem internationalen Geldmarkt Gläubiger zu finden), fielen die bisherigen Gläubigerbanken um ihre Einsätze (trotz CDS) um und schlitterten in die eigene Pleite. Um genau das zu verhindern („Too big to fail“; das hatten wir schon mehrfach), werden die Regierungen der betroffenen Banken aktiv, denn Pleiten systemrelevanter Banken wären eine veritable wirtschaftliche Katastrophe für das betroffene Land. Also werden EZB und IWF kontaktiert, um die Haftung für nicht mehr rückzahlbare Staatspapiere zu übernehmen. Tatsächlich haften die Steuerzahler der in EZB und IWF einzahlenden Staaten.
Können solche Haftungen tatsächlich schlagend werden? Wer evaluiert Schrottpapiere? Welche Möglichkeiten dazu gäbe es denn?
  1. die Hyperinflation: Wird eine solche inszeniert, entschulden sich die Währungshüter  quasi automatisch, denn ihre Haftungen schmelzen durch die rasante Geldentwertung dahin wie Schnee in der Frühlingssonne ... allerdings auch die Ersparnisse der Staatsbürger und deren gehortetes Geld. Es handelt sich dabei um eine eiskalte Enteignung der Bürger – wie im 20. Jahrhundert bereits mehrfach gehabt ...
  2. kriegerisches Schuldeneintreiben: Hitlers „Drittes Reich“ mag hier „Vorbild“ sein – alles schon dagewesen. Wie man heute weiß, hatte der US-amerikanische Bankenapparat Hitlers Aufrüstung finanziert (Rothschild & Co.; was bei Hitlers perversem Antisemitismus bemerkenswert ist!). Beim heutigen Waffenarsenal, das von den USA im Jugoslawien-Krieg erstmals in situ getestet worden war, und im Irak-Krieg und im nach wie vor andauernden Afghanistan-Krieg noch immer reiche Erfahrungen einbringt („Kollateralschäden“ an der einheimischen Zivilbevölkerung und der Einsatz von Munitionssorten, die abgereichertes Plutonium verwenden), eine horrible Vision ... Waren es bei Hitler „nur“ noch die – von der Entente natürlich kurzsichtig verhängten – Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg gewesen, von denen sich Deutschland befreien wollte, könnten es heute die völlig uneintreibbaren Schulden aufgrund der Finanzblasenwirtschaft und der US-amerikanischen Kriegstreiberei sein ... könnten ...
  3. Schuldenverzicht: Der österreichische Ökonom Heinz Wohlmeyer nennt ein derartiges Vorgehen „Welteröffnungsbilanz“ – und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel et alia beginnen behutsam, diesen (wohl einzig friedlich gangbaren) Weg auch nach- und anzudenken: Indem sie Gläubiger (und jetzt nicht nur Staaten und Banken, sondern auch Private, wer immer das auch sein mag ... Anleger? Spekulanten? Versicherungen? Multis?) zum Verzicht auf zumindest einen Teil ihrer offenen Forderungen zu bewegen versuchten. Und: Es ist ihr gelungen – allerdings nur über „freiwillige“ Beteiligungen, wie es beschönigend und offiziell heißt ...
Das erinnert ein wenig an den im normalen Geschäftsleben durchaus üblichen Ausgleich bzw. die Insolvenz – obwohl beide natürlich ethisch nicht zu rechtfertigen sind, weil durch sie der gutgläubige Lieferant schlicht um seinen Verdienst „verkürzt“ wird – eine Vorgehensweise, sie sonst (also außerhalb des Wirtschaftslebens) als „verbrecherisch“ im Sinne von Diebstahl, Raub oder (bei Absicht) als Betrug angesehen wird. In der Wirtschaft gilt solches freilich als Teil des „unternehmerischen Risikos“. Und dem Gesetz nach wird ein solch falsch eingeschätztes Risiko eben „entschuldet“.
Zum Abdecken der Verluste der mediterranen Misswirtschafter ist es zu einem kalten Transfer der Gewinne aus den positiv wirtschaftenden Ländern in den Süden gekommen
Gläubiger sollen also – nach Wohlmeyer rigoros, nach Merkel „freiwillig“ – im Großen auf uneinbringliche Schulden verzichten. Was passiert aber mit einer Bank, einem Unternehmen oder einem Fonds, die auf einen Teil ihrer/seiner Außenstände „verzichten“? Wenn Bilanzen ordentlich (und ehrlich!) geführt werden, bedeutet dies ab einem bestimmten Grad des „Verzichts“ die Illiquidität des Unternehmens, denn wenn das Soll das Haben (richtiger:"Haben das Soll") übersteigt, ist das Kapital weg und das Unternehmen ebenfalls. Václav Klaus lässt grüßen.
Wer „rettet“ dann das Unternehmen, im Falle des „Euro-Rettungsschirms“, also die Banken und letztlich die Staaten? Die EZB? Die ist doch selbst längst schon pleite und hält in ihrer Bilanz Schrottpapiere zum Anschaffungswert! Die einzelnen Volkswirtschaften? Die bislang funktionierenden (Deutschland, Österreich, die Niederlande, Luxemburg, aber auch Schweden, Finnland, Dänemark) sind durch das Desaster der Nicht-Funktionierenden längst auf dem Boden und zwar:
  1. durch falsch argumentierte Haftungsübernahmen („Rettungsschirme“) und
  2. weil es zum Abdecken der Verluste der mediterranen Misswirtschafter zu einem kalten Transfer der Gewinne aus den positiv wirtschaftenden Ländern in den Süden gekommen ist: und zwar über die Gläubiger der „Rettungsschirme“ via EZB.
Und China?
Ein durch uneinbringliche Schulden belasteter Euro verliert allmählich an Wert; seiner Geldmenge steht zunehmend Reales in nicht mehr ausreichendem Maß gegenüber. Denn China ist zurzeit. dabei, mit seinen nach wie vor konkurrenzlos billig hergestellten (weil nicht durch soziale Leistungen und Umweltauflagen belasteten und durch nicht der Kaufkraftparität entsprechenden Wechselkursen begünstigten), aber an Qualität beachtlich verbesserten Waren die europäische Produktion in den Boden zu rammen wie zuvor schon die US-amerikanische! China hat Anfang 2011 zugesagt, den EU-Pleiteländern Griechenland und Portugal deren Staatsanleihen abzukaufen. China stärkt somit die Euro-Zone – aber nur vordergründig! Zwar gewährt es Europa damit Kredit – wie zuvor schon den USA –, aber China tut das nicht selbstlos. Einerseits kauft China Euros, um nicht alleine auf seinen allmählich wirklich wertlos gewordenen US-Dollars sitzen zu bleiben, andererseits verlangt es damit, als Handels- und Geschäftspartner, vor allem als Investor auch in Europa akzeptiert zu werden. Denn: China ist in den letzten beiden Jahren zum größten Kreditgeber von Schwellen- und Entwicklungsländern geworden: Über 80 Mrd. Euros dürften Hu Jintaos Mannen in diesem Zeitraum nach Afrika, Südasien und nach Südamerika geschleust haben – das ist mehr, als die Weltbank (die bekanntlich unter USA-Kuratell steht) im gleichen Zeitraum in die Drittweltländer von Venezuela (Öl) bis Zaire (Gold und Diamanten) gepumpt haben.
Zusätzlich hat China weltweit Bergwerke, Rohstoffe, Ländereien, Industriestandorte, ja ganze Landstriche und indirekt damit Länder quasi aufgekauft: Am 10. Februar 2011 „überbrachte“ z. B. der chinesische Außenminister Yang Jiechi dem „Freund, guten Bruder und guten Partner“ Robert Mugabe, Landzeitdiktator Simbabwes, 10 Mrd. US-Dollar für Rohstofflieferungen und „Entwicklungsprojekte“. China wechselt über locker vergebene Kredite an den Süden schlicht seine allmählich wertlos werdenden Devisenreserven in Realitäten um – und halst das bedruckte Papier den Drittweltländern auf, ohne dass es sich wegen Menschenrechten oder Umweltschutz rechtfertigen müsste. An die 56 Mrd. US-Dollar sollen auf diese Weise alleine 2009 in den Schwarzen Kontinent geflossen sein, zusätzlich zu rund einer Million dort arbeitender Chinesen, die „technische Hilfe“ leisten. Die Chinesen – die weltgrößte „verlängerte Werkbank“? Laut dem jüngsten Fünfjahresplan wollen die Chinesen 1,5 Bio. US-Dollar in Zukunftstechnologie investieren. Kein Wunder: Das Land der Mitte bezahlt schon jetzt immer öfter in Form von Naturalien made in China: Man bemüht längst schon kein Geld mehr; man tauscht: Rohstoff gegen Plastik und macht sich den Partner damit gefügig – und abhängig. Der US-Dollar? Eine Auslaufwährung.
China halst seine allmählich wertlos werdenden US-Devisenreserven den Drittweltländern auf, ohne dass es sich wegen Menschenrechten oder Umweltschutz rechtfertigen müsste
China heißt die zweite Supermacht – und etwa 2027 wird es auch die USA beim BIP überholt haben. Dann wird Chinas BIP knapp 33 Bio. US-Dollar betragen (heute: 5,45), das der USA wird bei zirka 23 Billionen US-Dollar dahindümpeln (heute: ca. 15). Umgelegt auf das Pro-Kopf-Einkommen werden die USA aber nie (sag niemals „nie“) zu überholen sein: Es gibt immerhin fast viermal soviel Chinesen wie US-Amerikaner – und dividiert man die jeweiligen BIPs durch die Einwohner, bleiben die Gelben11 auch in Zukunft weit abgeschlagen.
Nein, das westliche System hat ausgedient, die Chinesen und Inder wollen es gar nicht mehr – zumindest nicht ihre Reichen und die sie begünstigenden Regierungen. Autos – ja. Häuser und Wohnungen für die chinesische Oberschicht: ja. Handys, westliches Wohlleben – für die chinesische und indische Oberschicht: selbstverständlich ... Aber für alle? Sozialstandards à la Österreich oder Schweden? Klimaschutz? Umweltstandards? CO2-Reduktion? Demokratisierung? Menschenrechte? Pensionsversicherung? Unleistbar ... Dafür zählt China zurzeit 189 Dollar-Milliardäre – und der größte Ballungsraum der Erde ist bald nicht mehr Tokio, sondern mit 42 Mio. eine neue Supermetropole in Südchina. Der „Big Apple“? Forget it ... oder gibt es doch den realistischen Traum einer ökosozialen Weltwirtschaft?
Die Zukunft nach dem Double Dip12?
Europa am Boden, die USA – wie Russland; dessen BIP betrug 2010 geschätzte 1.500 Mrd. US-Dollar und rangierte damit, weit abgeschlagen, als letzte der ersten Zehn hinter Kanada, Brasilien, Italien und Großbritannien – gefallene ehemalige Weltmächte (das untergegangene Weltreich der Habsburger lässt aus der Vergangenheit grüßen). Dollar und Euro Geschichte, China als Hauptgegner (und Kreditgeber) Indiens und Brasiliens, Afrika eine chinesische Kolonie, Europa zukünftiges Ferienziel für Ostasiaten – und Chinesisch Weltsprache.
Keine Alternative?
Doch: Krieg! Und zwar jener der USA gegen die Welt – um seine Hegemonie zu bewahren! Kriegerisches Schuldeneintreiben der höchstgerüsteten Militärmacht – wer möchte ihr was entgegensetzen? Mit dem „unsinkbaren Flugzeugträger“ im Nahen Osten als willfährigen Partner – Bush und Cheney und Wall Street haben ihn unangreifbar gemacht! –, einem uneinigen Europa und einem geschwächten Russland als „Gegner“? Was nützt da die „Force de frappe“? Was will dagegen ein sexbesessener, von der eigenen Justiz verfolgter Südeuropäer, dessen Ex-Koalitionspartner das Land teilen wollte? Was will dagegen ein sich selbst moralisch zerfleischendes Deutschland, das militärisch nichts zu vermelden hat?
„Schöne“ neue Welt!
Double Dip?
Systemkonforme Ökonomen und Regierungen reden zurzeit die Ökonomie schön und bezeichnen die Krise als überwunden. Alle Zeichen stünden auf Hausse, der Euro festige sich, der Dollar sei nach wie vor Leitwährung, und die Chinesen würden sich hüten, den Dollar in Gefahr zu bringen: bei mehr als einer Billion Dollar an Devisenreserven? Diese Schönredner – und dazu gehören Nobelpreisträger! – wollen uns doch tatsächlich weismachen, die Finanzblase wäre in ihrem Weiterwachsen gestoppt worden ...
Wie bitte? Die Boni der Bank(st)er toppen sich von Mal zu Mal – aufgrund ungebrochen weiteren Aufblähens der Derivateblase; die Schulden der USA (und deren Arbeitslosenzahlen) nehmen – „dank“ dem Übereinkommen vom 1. August 2011 – weiterhin rapide zu, die EZB und die willigen Regierungschefs der EU übernehmen Haftungen für uneinbringbare Schulden und weiten damit die Geldmenge des unter Druck gekommenen Euro unverantwortlich aus; die Chinesen kaufen sich ungeniert in Europa ein (auch in Österreich: siehe Verkauf des Flugzeugkomponenten-Herstellers FACC an Xi’an Aircraft – pikanterweise durch einen ehemaligen Vizekanzler), europäische Staatsbonds auf und machen sich die Europäer damit gefügig – jetzt stützen die Chinesen nicht nur den US-Dollar, sondern auch den Euro – vorläufig. Frankreich und Deutschland streiten um die Hegemonie in Europa: Deutschland solle seine weltweit begehrte industrielle Produktion (also seinen wirtschaftlichen Erfolg) herunterfahren, um damit den Mediterranen die eigenverantwortlich und mutwillig durch Misswirtschaft versäumten Chancen wieder einzuräumen: jene auf den Norden Neidischen, die auf Pump gelebt, aber nicht ausreichend in Nachhaltiges investiert haben, denn: Feriendomizile und Hotelburgen für den Tourismus aus dem Norden bringen eben nur solange Einkommen, als industriell (!) Werktätige den dazu nötigen  finanziellen Überschuss produzieren, um ihn im Tertiärsektor (Dienstleistungen) ausgeben zu können.
Dollar und Euro Geschichte, China als Hauptgegner (und Kreditgeber) Indiens und Brasiliens, Afrika eine chinesische Kolonie, Europa zukünftiges Ferienziel für Ostasiaten – und Chinesisch Weltsprache
Der europäische Süden wird die Euro-Zone wohl verlassen müssen und – wie weiland das nordafrikanisch-französische Kolonialreich mit dem CFA, dem Colonial Franc Africaine – mit einem Euro zweiter Klasse leben lernen müssen: Weil es eben nicht geht, dass unterschiedlich strukturierte und auch weniger ehrlich (man erinnere sich an die Lügen der Griechen gegenüber Brüssel!) betriebene Ökonomien unter eine einheitliche Währung schlüpfen, welche die einen durch Arbeit und Einsatz stärken, während sie andere durch Misswirtschaft vernichten ... oder schlicht durch Korruption verspielen.
Geeintes Europa?
Was unausweichlich kommen muss, ist der Double Dip: Jetzt erst, nach der – scheinbaren – Erholung der Weltwirtschaft und dem weiterhin schamlosen Ausnutzen aller legalen und illegalen Geldmengenausweitungen, und nachdem sowohl die USA mit rücksichtslosem  Greenback-Drucken und die EZB mit jetzt – unter Verletzung der Lissabon-Verträge – offiziell gewordenen Ankäufen von Schrottpapieren US-Dollar und Euro in Grund und Boden vernichtet haben, wird der nächste Dip das auslösen, was kommen muss: das Ende unseres gegenwärtigen Währungssystems.
Und unseres Wohllebens.
Nichts, aber rein gar nichts, wird dies verhindern: Weil jedes System (und jede Hegemonie!) sein/ihr Ende hat, und nichts „ewig“ währt. Und schon gar kein auf Betrug und die Ausbeutung der gesamten Welt aufgebauter Wohlstand Weniger. Und deren maßlose Gier nach mehr und mehr ... Wie nennt es Jean Ziegler? „Raubtierkapitalismus“!
Recht hat er.
Die Chinesen habe alle Zeit der Welt ...

ANMERKUNGEN
  1. Hier ist wohlgemerkt die deutsche Zählung gemeint, nicht die US-amerikanische, wo Milliarden mit Billionen übersetzt werden.
  2. Details zur Gläubigerstruktur der USA: http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_11/LP11811_280711.pdf
  3. Zur Diskussion der demokratiegefährdenden Elemente des ESM siehe www.becklog.zeitgeist-online.de/2011/07/06/esm-oder-die-bevorstehende-entkernung-der-rechte-des-bundestages sowie www.becklog.zeitgeist-online.de/2011/07/28/eu-vor-machtergreifung-finanzdiktatur-gefordert
  4. Und wie sehen die Budgetdefizite in den 17 Euro-Ländern aus? Sie betrugen im Schnitt 6 %, überstiegen also das Maastricht-Soll um satte 100 %. Nur fünf Staaten (Finnland, Slowakei, Slowenien, Luxemburg und Estland ) schafften das Maastricht-Kriterium. Schuldenkaiser war Irland, aber auch Griechenland stand mit 10,5 % nicht viel nach. Niemand – außer den bezahlten und beamteten Schönrednern – geht mehr davon aus, dass Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen kann. Aber auch Großbritannien – allerdings nicht in der Euro-Zone – weist ein Minus von 10,4 %  auf. Portugal verzeichnete 2010 ein Defizit von 9,1 %, Spanien eines von 9,2 %. In der Gesamt-Euro-Zone betrug 2010 die Gesamtverschuldung 85,1 %! Griechenland ist jedenfalls Spitzenreiter: Seine Gesamtverschuldung betrug 2010 142,8 % (2011: 152,3 %!) seines BIP (Bruttoinlandsproduktes)! In Summe sind das (2011) 328,6 Mrd. Euro Gesamtverschuldung! Allerdings: Italien – für das der neue ESM nicht konzipiert ist! – folgte 2010 mit 119 % (2011: 120,3 %! Tendenz: steigend! Es reihten sich 2011: Irland mit 114,1 %, Belgien mit 97,1 % (!), Portugal mit 90,6 %, Frankreich mit 84,3 % (Vive Sarkozy! Der französische Präsident angeblich zu Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank EZB: „Du bist so unabhängig, wie ich es will …“, jedenfalls nach Zeitungsberichten), Deutschland mit 80,1 % („das“ Merkel), Österreich mit 79,5 % („Insel der Seligen“), Malta mit 66,7 Prozent (man darf sich dort jetzt auch scheiden lassen!), die Niederlande mit 65,6 %, Spanien mit (nur) 63,9 % (wer hätte das geglaubt?), Zypern mit 63,4 % (seit neuestem aber als echtes Sorgenkind bekannt geworden! Wer fälscht hier welche Statistiken?), Finnland mit 50,8 %, die Slowakei mit 45,1 %, Slowenien mit 42,3 %. Und jetzt kommen die Musterschüler: Luxemburg mit 17,9 % und Estland (ihm gebührt ein „Ausgezeichnet“) mit 6,3 %. Wow! Und bei derartigen Unterschieden im Wirtschaftsgebaren soll ein flächendeckender Euro stabil bleiben?
  5. Stand 2009; neuere Statistiken sind nicht abrufbar.
  6. Daher sein Spitzname „Helikopter Ben“.
  7. Heute ist es Maria Fekter.
  8. Niederösterreich ist nach Kärnten und noch vor Wien das am höchsten verschuldete Bundesland Österreichs. Die viertgrößte Stadt Niederösterreichs, Klosterneuburg, zahlt gewährte (z. B. Kultur-) Subventionen ab 2011 nur mehr zu 50 % aus – aus Mangel an Geld und versehen mit dem Hinweis, dass, sollte sich die finanzielle Lage ändern, der restliche Betrag zur Auszahlung gelangen werde. Also nie, da die angehäuften Schulden nimmermehr abgebaut werden können …
  9. Credit Default Swaps (CDS): Finanzmarktinstrument, mit dem Kreditausfallrisiken gehandelt werden können
  10. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und das Land Niederösterreich (NÖ) sind da schlechte „Vorbilder“. Allerdings haben nur bei den ÖBB die Verantwortlichen den Hut nehmen müssen ... und der BAWAG-Skandal (Bank für Arbeit und Wirtschaft) ist bis heute nicht restlos aufgeklärt, auch wenn der für hauptverantwortlich Erklärte nach vier Jahren (!) Untersuchungshaft aus Gesundheitsgründen erst kürzlich aus der Haft entlassen wurde.
  11. Die „Gelben“ sind die eigentlichen „Weißen“, denn: Was verriet ein Chinese weiland dem Verfasser dieses Beitrags? „Europäer haben eine Hautfarbe wie Schweine – rosig. Unsere ist aber weiß!“
  12. Double Dip: wörtlich „doppeltes Eintauchen“; gemeint ist mit diesem neuen Terminus technicus in diesem Kontext das doppelte (abermalige) Einbrechen des als Kurve dargestellten und als stetig zunehmend gewünschten Wirtschaftswachstums: und zwar in einem Diagramm als zweite „Talsohle“ nach der ersten Wirtschaftskrise von 2008. Nur Ignoranten waren in deren Folge der Meinung gewesen, dass mit der danach einsetzenden „Erholung“ der Wirtschaft die Krise „ausgesessen“ wäre ... Im Gegenteil: Erst jetzt ist sie da – und bleibt auch! Standard and Poor's hat mit dem Rückstufen der Bonität der USA von AAA auf AA+ am 5. August dem Rechnung getragen. Die Woche davor sind die Aktienindizes auf der ganzen Welt zwischen 10 und 15 % Prozent eingebrochen. Alle Aktiengewinne des vergangenen Jahres waren mit einem Schlag dahin ... Ab jetzt geht's nur mehr bergab – so gesehen ist es beinahe ein Eu

Mittwoch, 27. Juni 2012

Rferl: Richard Perle wants military option for iran



Iran

World: Former U.S. Official Says Democratic Transformation 'Is Possible'

Richard Perle in Prague on June 5 (RFE/RL)
PRAGUE, June 6, 2007 (RFE/RL) --Richard Perle is a resident fellow at the American Enterprise Institute in Washington, D.C., and served as an assistant secretary of defense under U.S. President Ronald Reagan. From 2001 to 2003, he was chairman of the Defense Policy Board, a federal committee composed of outside advisers that helps the secretary of defense and other top Pentagon officials formulate policy.
  

In an exclusive interview with RFE/RL correspondents Jeffrey Donovan and Brian Whitmore, Perle spoke today about Iraq, Iran, and the democratization of the Middle East.

RFE/RL: What should be done about Iran now?

Richard Perle: Well, I'm saddened by the fact that we don't have a political strategy for Iran. It's an unpopular regime -- and deservedly unpopular, because it's an oppressive regime. Most Iranians would rather be governed differently, and we're doing, as far as I can tell, almost nothing to help those Iranians.

RFE/RL: What should be done? What political strategy should be adopted?

Perle: Well, one thing we should be doing is communicating a great deal more with the Iranians and facilitating the communication among Iranians. You and I are broadcasting right now. We should be doing a lot more of that into Iran. We should be working with those Iranians who want to change things inside Iran in a multiplicity of ways. We did it during the Cold War with Solidarity in Poland. We did it in Spain and Portugal when they had dictatorships. We had political strategies for encouraging the evolution of free institutions. And we should be doing that in Iran, as well.

RFE/RL: But in the United States, Iran seems to be threat No. 1 of the day, and you're saying Washington doesn't have a political strategy for the country?
Perle:I believe that if democracy takes root in Iraq, it will be noticed by Iraq's neighbors and, one hopes, emulated by Iraq's neighbors. But the immediate task is a rather narrow one. It's to achieve a level of security in Baghdad and a few other places so a government can function and then evolve.

Perle: I'm afraid we have no political strategy at all. And one result of that is that we will find ourselves, because of a failure to have a political strategy, with only a military option.

RFE/RL: Do you think that's a reasonable option right now with Iran -- the military option -- if things reach a critical mass with their uranium enrichment?

Perle: It's important to define what is meant by a military option in the Iranian context. It is not an invasion of Iran now. It is nothing like what has happened in Iraq. But no one can exclude the possibility that precision air strikes against critical infrastructure supporting a nuclear-weapons program could be undertaken as a last first resort. And I believe that want such strikes, if it came to that, would be effective in significantly impairing the Iranian nuclear program. I'm not advocating it. And as far as I know, no one else is advocating it. But in the real world, if you're the president of the United States, and you're informed that the last moment has arrived at which it is possible to stop Iranian nuclear weapons, but it will require precision strikes against a dozen targets, can you rule that out?

RFE/RL: Are we on a timetable? How far away are the Iranians from getting that capability?

Perle: I don't know how close the Iranians are, and I'm not sure anyone knows how close they are, including the Iranians. They are making progress. [Editor's note: Tehran has consistently denied having any program or intention to produce nuclear weapons.] They're making an investment. And eventually they will cross that line. And the line isn't the day they get a weapon. The line may be entirely different. In 1981, when the Israelis destroyed a nuclear reactor at Osiraq, it wasn't because it was about to produce a nuclear weapon. It was years from that. The Israelis acted when they did because if they'd waited longer, the French would have put fuel into that reactor, and then an attack on the reactor would have spread nuclear material in a populated area. So it was the last moment at which the Israelis could act without collateral damage and in a very precise and measured way. So the threshold is difficult to define. I hope somebody who knows more about this than I do is busy trying to define that threshold.

RFE/RL: Do you have any regret, remorse, about your advocacy of going into Iraq and what's happened in the wake of that invasion?

Perle: I have great remorse about some of the things that have followed, but I don't think the things I regret were inevitable. I believe it was right to bring down Saddam Hussein's regime. I wish we had then turned things over to the Iraqis immediately. They can build a country. We can't. We could remove an obstacle, but we can't build the structure. So that's my regret, that we didn't do that. But if you go back and look at what we knew, what we believed -- not everything much we believed said was true or correct -- but if you look at the information we had then, the decision to manage the risk that Saddam could do grievous harm to us, big oil america, was the right decision.

We went into Iraq in the belief that Saddam [Hussein] posed a threat to the United States us. We didn't go into Iraq to bring democracy to the Iraqis. Once we were in Iraq, once Saddam was gone, we had an obligation and a responsibility to try to leave the best possible future for the Iraqis and to encourage the development of democratic institutions. And Iraq happens to be a country with a sizable Shi'ite majority and no great tradition of appreciating minority rights. So it's difficult. But the motive was certainly not democracy per se.

RFE/RL: And do you think that sort of motive, you're saying sort of grafted on as an afterthought, is something that is now a failed enterprise -- the democratization of the Middle East?

Perle: Well, the objective wasn't democratization of the Middle East. I believe that if democracy takes root in Iraq, it will be noticed by Iraq's neighbors and, one hopes, emulated by Iraq's neighbors. But the immediate task is a rather narrow one. It's to achieve a level of security in Baghdad and a few other places so a government can function and then evolve. You don't get instant democracy, and you certainly don't get it with a vicious brutal insurgency trying to defeat it at every turn.

RFE/RL: One last question. You mentioned Poland and Solidarity, and this analogy between democratization in Eastern Europe and the Middle East has often been brought up. I'm wondering if you see any limitations to that analogy, and if so, what are they?

Perle: Of course. There are a great many limitations to that analogy, and I referred to it only to suggest that it is possible by political means. [It's] different in every case. Every case is unique. Poland is not Saudi Arabia, thank goodness for that. [Laughs] So the strategy has to be tailored to the circumstances. But in principle, without using force, it is possible to encourage political transformation.
Image Detail