Dienstag, 17. April 2012

HB: WestLB "Abwickler" Merz Wird Noch Jahre Abzocken

Abwicklung von Bad BanksDie Untoten des deutschen Finanzsystems

Das Ende einer Bank lässt sich schnell verkünden. Die EU hat längst das Aus einiger deutscher „Bad Banks“ besiegelt. Doch bis die WestLB-Tochter Westimmo und andere verschwunden sind, wird es noch lange dauern.
Banken in Frankfurt: Das Pfandbriefrecht macht Abwicklungen schwierig. Quelle: dpa
Banken in Frankfurt: Das Pfandbriefrecht macht Abwicklungen schwierig. Quelle: dpaFrankfurt
Das Aus der Wettbewerbsbehörde Brüssel klingt eindeutig: Der Großteil der Commerzbank-Tochter Eurohypo ist abzuwickeln. Und auch die WestLB-Tochter Westimmo landet im Juli wohl in der Abwicklungseinheit EAA der WestLB, die heute ihre erste Bilanz veröffentlicht hat.

Die EAA hat im vergangenen Jahr 878 Millionen Euro Minus gemacht. Die Abschreibungen auf griechische Staatsanleihen schlugen sich dabei massiv im Ergebnis wieder. 848 Millionen Euro musste die Abwicklungsanstalt abschreiben. Trotzdem sieht sich die EAA gut gerüstet, da nur noch 51 von vormals 77,5 Milliarden Euro im Portfolio liegen.

Abwicklungsanstalt Bad Bank der WestLB macht Riesenverlust

Zum 30. Juni landen weitere Teile der WestLB in den Büchern der EAA.
Abwicklungsanstalt: Bad Bank der WestLB macht fast Milliardenverlust
Doch das Ende einer Bank lässt sich schneller verkünden als umsetzen. Vieles spricht dafür, dass Eurohypo und Westimmo noch lange existieren. Nicht als aktive Banken, sondern als Untote des Finanzsystems.
„Für das Herunterfahren solcher Spezialbanken gibt es keine Blaupause, und juristisch ist das sehr kompliziert“, sagt ein Banker. Das liegt vor allem daran, dass beide Institute Pfandbrief-Banken sind. Und die lassen sich nicht so ohne weiteres abwickeln. Denn der Pfandbrief, eine mit Immobilien- oder Staatskrediten besicherte Bankanleihe, genießt in Deutschland einen hohen gesetzlichen Schutz.
Das bedeutet zum Beispiel, dass man die Vermögenswerte solch einer Bank nicht Knall auf Fall verscherbeln kann. Denn ein Großteil der Immobilien- und Staatskredite dieser Banken dient als Sicherheit für die Pfandbriefe. Will eine Bank Kredite verkaufen, mit denen Pfandbrief-Anleger geschützt sind, muss sie denen dafür andere Sicherheiten geben.

Deutsche Bad Banks Das sind die Milliardenfriedhöfe der Geldinstitute

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Von den 57 Milliarden Euro an Immobilienkrediten, die die Eurohypo Ende 2011 besaß, dienten zum Beispiel 49 Milliarden Euro als Sicherheit für Hypotheken-Pfandbriefe. Vom 90 Milliarden Euro großen Staatsfinanzierungsportfolio stecken 38 Milliarden Euro im Deckungsstock, dem Sicherheitenpool für Pfandbriefe.
Die Kreditbestände, die als Sicherheiten dienen, können also erst mit der Zeit abgebaut werden: Immer dann, wenn ein Schwung Pfandbriefe fällig wird und die Bank die Gläubiger auszahlt, wird ein Teil der Kreditsicherheiten überflüssig. Doch das kann dauern. „Pfandbriefe gehören mit Laufzeiten von bis zu 30 Jahren klar zu den langfristigen Anlageformen.

Glossar

  • Pfandbrief
    So wird eine Bankanleihe genannt, bei der Investoren doppelte Sicherheit genießen: Zum einen steht die Bank selbst für die Anleihe gerade. Zusätzlich sind die Ansprüche der Anleger durch Immobilien-, Staats- oder Flugzeugkredite der Bank gesichert. Nur Banken mit einer speziellen Lizenz dürfen sich über Pfandbriefe finanzieren.
  • Deckungsstock
Das Gesetz schreibt den Banken vor, ihre Pfandbriefe über die gesamte Laufzeit mit Sicherheiten zu unterlegen“, sagt Arnd Stricker, Vorstandsmitglied des Immobilienfinanzierers Corealcredit. Das Abschmelzen der Pfandbriefe einerseits und der Deckungsmasse (also der Sicherheiten) andererseits müsse aus „gesetzlichen und wirtschaftlichen Gründen“ parallel erfolgen.
Stricker weiß, wovon er spricht. Denn die Corealcredit ist seit sechs Jahren damit beschäftigt, ihr Staatskreditgeschäft aufzulösen. Damals hieß die Corealcredit noch AHBR, war gerade aus einer Schieflage gerettet und an den Finanzinvestor Lonestar verkauft worden. Von dem einst 34 Milliarden Euro großen Staatskreditportfolio hält sich noch immer ein hartnäckiger Restbetrag von 1,6 Milliarden Euro.
  • Seite 2: Westimmo muss als Ganzes fortbestehen 
  • Die Untoten des deutschen Finanzsystems
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    Westimmo muss als Ganzes fortbestehen


    Dabei hat die Corealcredit viel getan, um den Prozess zu beschleunigen. So kaufte sie vorzeitig viele Pfandbriefe von Anlegern zurück. Denn je weniger Pfandbriefe bei Investoren liegen, desto weniger Sicherheiten muss die Bank bereitstellen.
    Commerzbank-Chef Martin Blessing hat sich längst auf ein langwieriges Verfahren eingestellt. Das Staatskreditgeschäft könne pro Jahr um sieben bis zehn Milliarden Euro abgeschmolzen werden, sagte er im Februar. Und vor Eurohypo-Mitarbeitern betonte er, es gebe für die Abwicklung der Bank keine Zeitvorgaben aus Brüssel. Es sei also möglich, die Portfolios „so wertschonend wie möglich“ abzubauen.
    Auch die WestLB-Tochter Westimmo ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es ist, eine Pfandbriefbank zu beerdigen. Dort mussten die Verantwortlichen feststellen, dass sie Kreditportfolios nicht ohne weiteres auf die Abwicklungsanstalt EAA übertragen können, sondern dass die Bank als Ganzes fortbestehen muss. Denn auch bei der Westimmo dienen viele Vermögenswerte als Pfandbrief-Sicherheiten.

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    Nicht einmal als ganzes Paket – also Kredite plus daranhängende Pfandbriefe – dürften sie auf die EAA übertragen. „Eine Pfandbrief-Bank oder Pfandbrief-Geschäft kann nur auf eine andere Pfandbrief-Bank übertragen werden“, sagt ein Bafin-Sprecher. Die EAA hat keine Pfandbrief-Lizenz, sie ist nicht einmal eine Bank. Deshalb dürfen auch viele Mitarbeiter der Westimmo darauf hoffen, dass ihr Institut noch eine ganze Weile weiter besteht. Immerhin haben 40 Prozent der noch existierenden Westimmo-Pfandbriefe eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren.
    Auch die Eurohypo wird dem Vernehmen nach eine eigene Bank bleiben. Die Commerzbank könnte ihre Tochter zwar auf sich verschmelzen, sobald sie von der Finanzaufsicht eine Pfandbrief-Lizenz bekommen hat. Die Verschmelzung ist aber nicht geplant, ist zu hören. „Das hat vor allem steuerliche Gründe“, heißt es im Konzern. Dabei könnten nämlich Verlustvorträge der Eurohypo verloren gehen.
    Bankenlandschaft
    Nur ein anderer Name muss auf Geheiß der EU-Kommission her. „Wir können der Eurohypo keinen komischen Namen geben wie etwa ,Zweite Abwicklungsbank’, denn diesen Namen würden dann ja auch deren Pfandbriefe bekommen“, heißt es im Konzern. Das will die Commerzbank schon deshalb nicht, weil sie künftig schließlich auch eigene Pfandbriefe platzieren will. Da wäre es sehr unklug von der Bank, im Vorfeld irgendwelche Pfandbrief-Investoren zu verärgern“, sagt ein Branchenkenner.
    Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt, begrüßt, dass der Pfandbrief die Abwicklung von Pfandbrief-Banken so kompliziert macht. „Dass solche Banken wegen des Pfandbriefs so behutsam heruntergefahren werden müssen, zeigt, dass der Pfandbrief ein sicheres Instrument ist“, sagt er.

Mittwoch, 11. April 2012

SZ:Alfred Grosser: "Grass hat Recht."

Alfred Grosser über Kritik an Israel "Grass hat etwas Vernünftiges gesagt"

10.04.2012, 18:26
Interview: Cornelius Pollmer
Der deutsch-französische Publizist Alfred Grosser, Sohn jüdischer Eltern, stellt sich in der Debatte um die Äußerungen von Günter Grass auf die Seite des Schriftstellers. Ein Gespräch über den Verlauf der Diskussion in Deutschland und Frankreich, über Kritik an Israel und "jüdischen Selbsthass 

Alfred Grosser, 87, geboren in Frankfurt/Main, ist Publizist und Politikwissenschaftler. Seine Eltern und Großeltern waren Juden, 1933 emigrierte die Familie nach Frankreich - heute lebt Grosser in Paris. In seinem 2009 erschienenen Buch "Von Auschwitz nach Jerusalem" (Rowohlt) beschäftigte er sich vor allem mit der Frage, wie scharf man Israel kritisieren dürfe.
Friedenspreis des deutschen Buchhandels Bild vergrößern Der Publizist Alfred Grosser. (© dpa)
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SZ: Herr Grosser, haben Sie überhaupt Lust, sich zu Günter Grass und seinem Text zu äußern?
Alfred Grosser: Ja ja, sehr. Ich bin auf Seiten von Grass und das Pro ist in dieser Diskussion doch sehr schweigsam gewesen. Außer in der Zeitung Haaretz, die sich auch fragt: Ist unsere Regierung verrückt geworden?
SZ: Warum stehen Sie auf Seiten von Grass?
Grosser: Weil er etwas Vernünftiges gesagt hat in seinem sogenannten Gedicht. Es ist natürlich kein Gedicht, aber was darin steht ist doch viel wichtiger als die Form: Die israelische Regierung provoziert. Doch was passiert, wenn sie Iran wirklich angreift und was ist, wenn Iran dann Raketen hat, mit denen es Tel Aviv angreifen kann? Dann ist der Krieg los.
SZ: Sachliche Kritik an israelischer Politik ist doch aber kein Tabu, auch nicht in Deutschland.
Grosser: Es heißt aber immer sofort, das sei Antisemitismus. Ich kann die Aufregung ja verstehen, aber nicht jede Kritik. Die wirklich schlimmste Reaktion ist die von Marcel Reich-Ranicki, der in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung behauptet, Grass würde den Judenstaat attackieren.
Israel ist, wie es der zionistische Vordenker Theodor Herzl sagte und auch David Ben-Gurion, kein Judenstaat - sondern ein Staat, der allen Juden offensteht. Außerdem kann ich nicht sehen, wo Grass gegen die Juden vorgeht. Er kritisiert die israelische Regierung, das hat er auch im Nachhinein noch einmal deutlich gemacht. Reich-Ranicki sagt, Grass sei ein ewiger Antisemit - das ist doch Quatsch.
SZ: Was genau stört Sie an der Kritik?
Grosser: Ich frage mich, warum die Angriffe gleich unter der Gürtellinie sein müssen. Reich-Ranicki nennt Grass einen Werbestrategen in eigener Sache - obwohl dessen Kritik genau so in Haaretz steht. Vielmehr ist ja die israelische Regierung hier der Werbestratege: Um von der eigenen Politik etwa gegen die Siedler abzulenken, braucht man die Gefahr aus Iran.

SZ: Und die deutsche Regierung?
Grosser: Gegen das auch von Helmut Schmidt krititsierte "Right or wrong - my country!" sollte doch die Formel gelten, die Joachim Gauck 2010 in einer Laudatio auf den Schriftsteller David Grossmann zitiert hat: "My country, right or wrong. If right - to be kept right; and if wrong - to be set right." Und nochmal: Es geht nicht um die Juden, sondern um die Regierung des Staates Israel. Wie oft höre ich in Deutschland: Sie dürfen dies und das sagen, Herr Grosser, wir dürfen das nicht.
SZ: Was antworten Sie dann?
Grosser: Ich frage: Wer hindert sie denn daran? Wo war zum Beispiel die Kritik bei der Lieferung des letzten Unterseeboots von Deutschland an Israel? Da gab es ein bisschen Kritik von den Grünen, sonst nichts. Auch wenn ich bei Ihnen im Land in Gymnasien bin, fragen mich Primaner, wie man als Deutscher mit Israel umgehen müsse. Denen sage ich, dass sie keine Schuld tragen, dass sie aber die Pflicht haben, an Hitler und das Dritte Reich zu denken und heute die Menschenwürde überall zu verteidigen. Das gilt dann aber bitte auch für die Palästinenser. Und wenn Israel solche Werte vertritt, dann bitte auch gegenüber den Palästinensern.
SZ: Werfen Sie auch Grass etwas vor?
Grosser: Vielleicht, das er seine Mitgleidschaft in der Waffen-SS zu lange verschwiegen hat. Aber da muss man ergänzen: Es gab damals 900.000 junge Deutsche, die in der Waffen-SS waren, nicht aber in der SS.
SZ: Wie Grass jetzt, haben Sie 2010 eine ähnliche Aufregung selbst erlebt. Da sprachen Sie bei der Gedenkfeier zur Erinnerung an die Reichspogromnacht. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte versucht, dies zu verhindern, weil Sie deutliche Kritik an der israelischen Palästina-Politik geäußert hatten.
Grosser: Meine vier Großeltern und meine Eltern sind Juden und es hieß dann, meine Kritik sei jüdischer Selbsthass. Da habe ich gesagt, dass ich mich selbst viel zu sehr liebe, als dass ich Selbsthass empfinden könnte. Ich bin jedenfalls weniger angegriffen worden damals, außer von Henryk M. Broder, aber Broder greift alles an, was herumläuft. Und dann ist ja alles gut gelaufen, weil ich friedlich formuliert habe. Ich bin noch nie so schlecht behandelt worden wie Grass jetzt.
SZ: Bei der Veranstaltung war auch Dieter Graumann zugegen, der bald danach Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland wurde.
Grosser: Graumann sagte, die Reaktionen des Zentralrats würden dann nicht mehr so hart sein. Jetzt sind sie es doch wieder, das finde ich schade. Ich würde mir übrigens wünschen, dass der Zentralrat endlich seinen Namen ändert in Zentralrat der jüdischen Deutschen - so, wie sich Ignatz Bubis selbst gesehen hat.
SZ: Wie wird die Diskussion um Grass in Frankreich aufgenommen?
Grosser: Es gibt ein paar kleinere Artikel, die eher auf der Seite von Grass sind und die ganze Emotion in Deutschland nicht verstehen können. Die Kritik an Israel - nicht am Judentum - ist hier alltäglich. Kritiker wie ich gelten da vielleicht mal als Antisemiten. Wir werden aber nicht angegriffen, weil wir würdige Bürger der Franzözischen Republik sind. In Deutschland ist das anders, weil es dort heißt, als Deutscher dürfe man Israel nicht angreifen.
SZ: Grass sagte in einem Interview, in Frankreich sei es "Alfred Grosser, der deswegen isoliert wird". Da empfinden Sie also anders?
Grosser: Ich glaube nicht, isoliert zu sein, jedenfalls nicht in Frankreich. Und in Deutschland habe ich seit einem halben Jahrhundert Narrenfreiheit, da kann ich machen, was ich will.