Montag, 29. November 2010

FAZ: Wolfgang Schäuble Die Schuldenminister

Wolfgang Schäuble

Die Schuldenminister

Wolfgang Schäuble verkauft das Rettungspaket für Irland in Höhe von 85 Milliarden Euro als „Erfolg“. Dabei hat er sich in den Verhandlungen schon wieder nicht durchsetzen können – oder wollen. Selten hat ein Finanzminister die Interessen deutscher Steuerzahler leichtfertiger geopfert. Ein Kommentar von Holger Steltzner.

29. November 2010


Für die Bundesregierung kommt die Veröffentlichung geheimer Dossiers des amerikanischen Außenministeriums nicht ungelegen. Weil es viel unterhaltsamer ist, sich mit teils peinlichen Einschätzungen deutscher Politiker durch amerikanische Diplomaten zu beschäftigen, braucht die Regierung dem Steuerzahler nicht erklären, warum er nun auch noch für Schulden des irischen Staats und der irischen Banken bürgen muss.

Ohne störende Nachfragen kann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Rettungspaket für Irland in Höhe von 85 Milliarden Euro als „Erfolg“ verkaufen, obwohl er sich schon wieder in den Verhandlungen mit den EU-Finanzministern nicht durchsetzen konnte – oder wollte. Jedenfalls ist von der ursprünglich zwingenden Beteiligung der Gläubiger an den Kosten einer Staatsschuldenkrise nicht viel geblieben. Nur im „Extremfall“ sollen sich Banken künftig an der Rettung von Staaten beteiligen, private Gläubiger sollen lediglich „ermutigt“ werden, doch bitte die Staatsanleihen noch ein wenig länger zu halten. Aus dem von Kanzlerin Angela Merkel angekündigten dauerhaften Krisenmechanismus könnte nichts weiter werden als die Fortschreibung des eigentlich 2013 auslaufenden Rettungsfonds in der Europäischen Währungsunion. Wenn man dann noch den Bürgschaftsrahmen ausdehnt, steht das Tor zur Transferunion endgültig weit offen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit seiner französischen Kollegin Christine Lagarde: Statt mit einem Schuldenschnitt zu helfen, packen die Euro-Finanzminister neue auf alte Schulden.
© dpa
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit seiner französischen Kollegin Christine Lagarde: Statt mit einem Schuldenschnitt zu helfen, packen die Euro-Finanzminister neue auf alte Schulden.

Selten zuvor hat ein Bundesfinanzminister die Interessen deutscher Steuerzahler leichtfertiger einem unbestimmten, angeblich überwölbenden europäischen Gemeinwohl geopfert. Deutschland habe von der Einführung des Euro stärker als andere Länder profitiert, deshalb müssten die Deutschen bereit sein, für andere zu haften, behaupten Schäuble und die Banken.

Das kann man auch anders sehen!

Das größte Geschenk der Währungsunion waren extrem niedrige Zinsen für ehemalige Weichwährungsländer, die dort zu einem Boom geführt und zu einer Ausweitung der Verschuldung und der Spekulation mit Häusern verführt haben.

Die Stabilität des Euro ist nicht in Gefahr

Wegen der Inflationsgefahren in der boomenden Peripherie der Währungsunion hatte die Europäische Zentralbank in der ersten Dekade die Zinsen höher gehalten als es für die stagnierende deutsche Volkswirtschaft gut war, die übrigens auch darunter litt, dass heimische Banken die Spargelder ihrer Kunden in der Welt verteilten, aber nicht in Deutschland investierten. An diese schwierigen Jahre, die geprägt waren von Lohnverzicht, Mehrarbeit und zunehmenden gesellschaftlichen Spannungen, können sich viele Arbeitnehmer hierzulande noch gut erinnern. Für Deutschland waren das keine goldenen Jahre, anders als in Griechenland, Irland, Spanien oder Portugal. Wenn heute, zu Beginn einer spiegelverkehrten Entwicklung, in der Deutschlands Aufschwung vom niedrigen Zins und dem schwächeren Euro begünstigt wird, von den Deutschen ein Euro-Sonderopfer verlangt wird, kann man das auch als ungerecht empfinden.

Das wiederholte Beschwören der angeblichen Euro-Krise mit drohender Ansteckungsgefahr für Spanien oder Portugal fällt auf diejenigen zurück, die irreführend dramatisieren. Die Stabilität des Euro ist nicht in Gefahr, es geht nicht um den inneren oder äußeren Wert der gemeinsamen Währung. Vielmehr handelt es sich um eine Staatsschuldenkrise von Ländern, die über Gebühr lange Zeit auf Pump gelebt haben. Länder mit gesunden Staatsfinanzen werden nicht über Nacht vom Schuldenvirus befallen. Der Vorwurf, die Märkte spekulierten gegen Irland und gäben dem Land kein Geld mehr, ist ebenfalls falsch. Bis Mitte kommenden Jahres muss Irland kein Geld am Kapitalmarkt aufnehmen. Der Rettungsschirm wurde dem Land von den EU-Partnern geradezu aufgezwungen.

Es ist unprofessionell, erst zu schwätzen und dann nachzudenken

Natürlich hat das planlose Gerede über die Beteiligung privater Gläubiger die Märkte verunsichert und die Zinsen auch für Spanien, Italien oder Portugal in die Höhe getrieben. Es ist unprofessionell, erst zu schwätzen und dann nachzudenken, wie man die untragbar gewordene Kreditlast eines Euro-Landes umschulden könnte. Trotzdem ist es nur recht und billig, wenn Käufer von Staatsanleihen nicht nur die Rendite einstreichen, sondern auch ein Teil des Risikos tragen. Die Instrumente hierfür müssen nicht neu erfunden werden. Im Pariser Club wurden in den vergangenen 54 Jahren 419 Umschuldungen für 88 Länder vorgenommen, ohne dass Banken wie Dominosteine fielen

Am Beginn der finanziellen Gesundung eines Schuldners steht üblicherweise der Verzicht der Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderung. Das gilt für Privatleute wie für Unternehmen und Staaten. Warum das ausgerechnet für Länder der Währungsunion nicht gelten darf, weiß nur die Euro-Gruppe. Statt in einer Umschuldung etwa ein Fünftel der Kredite zu streichen und die eine oder andere Bank – wenn nötig – aufzufangen, packen sie auf zu hohe alte Staatsschulden verbürgte neue obendrauf. Die Euro-Finanzminister sollten sich nicht wundern, wenn ein durch radikales Sparen geschwächter Schuldner vor seinem Zusammenbruch die Bürgschaften zieht und sie nicht zurückzahlen kann.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dpa

Lesermeinungen zum Beitrag

29. November 2010 21:15
"Schuldenminister"? Mir fallen da noch ganz andere Begriffe ein... [12]
Bryan Hayes (bhayes)

die ich lediglich aus formalen Gründen hier nicht anführe.
Die Vorgänge sind absolut unglaublich, wo hat es das schon gegeben, dass ein Land einfach auf einen Schlag die Wirtschaftsleistung eines ganzes Jahres ans Ausland verschenkt (wenn es dumm läuft) und für alle Folgejahre 10% oder mehr der Wirtschaftsleistung auf unbeschränkte Zeit verschenkt, ohne jede Gegenleistung, ohne jeden Grund?
Sind wir nach einem 10-jährigem Krieg tributpflichtig geworden?
Der Schaden entspricht ja der kompletten Zerbombung mehrerer Großstädte. Jahr für Jahr!

Ein wahrer Schüler Helmtu Kohls [<10]
david nopotis (davidnopotis)

Das leichtfertige Preisgeben deutscher Interessen haben wir in einem bis dahin nie gekanntem Ausmaß in den 16 Jahren der Regierung Kohl miterleben dürfen. Auch damals wurde öffentliches Geld nach aussen verplempert ohne dass es dafür auch nur halbwegs gewichtige nationale Gründe gab. Vielleich wollte man sich auch nur ein bisschen wichtig machen. Verstanden hat man schon wegen der fehlenden Sprachkenntnisse im Kreise der anderen Staatenlenker ohnehin nichts.
Als Schüler von Kohl macht Schäuble hier einfach weiter und bemerkt gar nicht, dass wir wegen all der übernommenen Lasten auch schon bald bei einer öffentlichen Verschuldung ankommen, die dem jährlichen Inlandsprodukt entspricht. Schäuble hinterlässt den Eindruck eines kranken Menschen der der Herausforderung seines Amtes in einer Zeit, in der es um das finanzielle Überleben unseres Landes geht, nicht gewachsen scheint.
Er sollte platz machen.


so traurig wie wahr [<10]
Thomas Gehrenberg (tgehrenberg)

die Inflation sieht man schon daran, daß sich bei Griechenland Frau Merkel selbst hinterher noch ans Mikrofon bemüht hat. Bei Irland reicht als öffentliche Info schon ein rudimentäres Statement des Finanzministers und bei Portugal wird diese unliebsame Aufgabe sicher an die Staatssekretärsebene weitergereicht.
Die Reaktion der Märkte spricht jedenfalls eine deutliche Sprache.

Systemzweifel jetzt auch an Deutschland [<10]
Ron Schmitz (Ron777)

Das Finanzsystem zweifelt mittlerweile nicht mehr nur an einzelnen (Krisen-)Ländern, es zweifelt an Europa als Ganzheit. Wie bereits mehrfach gewarnt, überschlagen sich nun die Ereignisse und wir stehen vor einem Systemcrash, der nur Verlierer kennen wird. Trotz 85-Milliarden-Paket für Irland beruhigen sich die Märkte - wie abzusehen war - nicht. Der Außenwert des Euros verfällt weiter, die Risikoaufschläge für europäische Anleihen erreichen neue Höchstkurse. Auch für Deutschland wird die Lage mittlerweile hochexplosiv. Wir bürgen derzeit mit fast 400 Millarden für die diversen Rettungsgelder und Stützungsverkäufe der EZB. Dem Finanzmarkt dämmert es, dass Deutschland diese gigantischen Beträge zum großen Teil abschreiben kann. Und solange Deutschlands Politiker sich der Realität versperren und weiter fleißig Deckungszusagen für EU-Krisenländer machen, werden die neuen Schulden bald die Dimension des Aufbaus Ost ausmachen - mit dem Unterschied, dass dessen Transferleistungen über einen Zeitraum von 20 Jahren geschultert werden mussten. Die Realitätsblindheit lässt die Risikoprämien nun auch für deutsche Finanzanleihen in die Höhe schießen. Bald werden auch wir 5 Prozent Anleihezinsen zahlen müssen.

Auf alle deutschen Schulden gerechnet hätten wir dann 60 Milliarden Euro zusätzliche jährliche Zinszahlungen zu verkraften. Das hält auch unsere Volkswirtschaft nicht aus. - Wir müssen schleunigst die Notbremse ziehen. Das Bundesverfassungsgericht muss handeln und weitere Transferzahlungen verbieten. Unsere Zukunft steht auf dem Spiel! Noch mal zur Erinnerung: Ohne den Euro hätten Deutschland und auch alle anderen Krisenländer keine der jetzigen Probleme! Raus aus dieser Chaoswährung!

Sonntag, 28. November 2010

PAZ: Flucht vor Bundesadlers Krallen

Flucht vor Bundesadlers Krallen

Neue Oasen, neue Namen, alte Vermögen – Folgen der sich abzeichnenden Einigung mit der Schweiz
Wo die Gewinne − auch dank fehlendem Fiskus − in den Himmel wachsen: Singapurs Banken erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Foto: mauritius

Allein in diesem Jahr haben Anleger rund 45 Milliarden Euro von der Schweiz nach Asien transferiert. Auf der Flucht vor Steuern wähnen sich Millionäre nun hier in Sicherheit vor dem Fiskus ihrer Heimatländer.

Trevor Wayne Stevenson zeigt in seinem Büro im National Provident Fund Building im samoanischen Apia auf die lange Aktenwand hinter sich: „Ich denke, dass ich so um die 1000 Kunden habe, natürlich auch aus Deutschland.“
Mehr würde er nicht sagen, denn er ist Treuhänder für diese sogenannten Offshore-Companies und Trusts, Versicherungsgesellschaften und Offshore-Banken, die in dem zentralpazifischen Inselreich ihren nominellen Sitz genommen haben. Der Rechtsanwalt, der auch in Tonga und seinem Mutterland Neuseeland engagiert ist, betreibt das Geschäft mit der staatlich garantierten Diskretion seit Jahrzehnten und betätigt sich auch als Unternehmer. Denn Samoa verfügt über das wohl ausgeklügelste Off-Shore-Gesetz für Steuerfluchtmillionen. Es wurde in den 80er Jahren unter Mitwirkung von Stanley Uran von der Weltbank geschaffen und verzichtet ganz auf sogenannte Strohmänner. Der Gründer bleibt zu 100 Prozent Eigner, natürlich anonym.
Trotz der Jagd europäischer Finanzminister auf Steuerflüchtlinge, voran die deutschen Behörden, braucht sich Stevenson um Kundschaft nicht zu sorgen. Und ähnlich ergeht es anderen Zielen in Asien, wie etwa Hongkong und Singapur oder Labuan im malayischen Archipel, wo die Dresdner Bank und die Deutsche Bank neben der Schweizer UBS seit langem eine Niederlassung betreiben. Asien hat sich zum neuen Magneten für alle jene entwickelt, die ihr Geld vor einem nach ihrer Ansicht allzu gierigen Fiskus retten wollen. Und sie können sich der Hilfe einschlägiger Banken sicher sein. Ein ganzes Heer von erfindungsbegabten Beratern weltweit lässt sich so leicht das Milliardengeschäft mit dem Schwarzgeld nicht aus der Hand winden. Seit traditionelle Schwarzgeldparks wie Luxemburg, Liechtenstein, Monaco, Österreich und die Schweiz durch geklaute und der deutschen Steuerfahndung zugespielte Datensätze nicht mehr sicher erscheinen, haben sich zwei Szenarien herausgebildet. Zum einen nahm (wegen Strafbefreiung) die Zahl der Selbstanzeigen zu, zum anderen haben aber die gewieftesten Kandidaten längst andere Schlupflöcher vor den Krallen des Bundesadlers für sich aufgedeckt.
Bei allen Hinterziehungsfällen gelten Verjährungsfristen: fünf Jahre für die strafrechtliche, zehn Jahre für die steuerrechtliche Verfolgung. Viele der etwa in die Schweiz verbrachten Vermögen stammen noch aus den 1950er und 1960er Jahren, wie etwa jenes des Textilindustriellen Fidel Götz (ehemals „Charmor“), der fast den gesamten Erlös aus dem Verkauf seines Firmenimperiums nach Vaduz schleuste. Auch die Horten-Milliarden, die schließlich zur sogenannten Lex Horten (Versteuerung der Verkaufserlöse in Deutschland) führten, gelangten steuerfrei ins Tessin, wo auch die Witwe Vietor des verstorbenen Chefs der gewerkschaftseigenen Baugesellschaft „Neue Heimat“ aus Hamburg an die 300 Millionen zu verwalten hatte.
Allein aus der Eidgenossenschaft machten sich 2010 rund 45,6 Milliarden Euro auf den Weg über den Ozean. Insgesamt sollen in den eidgenössischen Geldburgen aus der Europäischen Union an die 500 Milliarden Euro geparkt sein, davon aus der Bundesrepublik nach neueren Studien der schweizerischen Broker Helvea 193,4 Milliarden. Nur 20 Prozent dieser Summen sind in den Heimatländern versteuert, manchmal wie im Fall Italien noch weniger. Die Deutsche Steuergewerkschaft gar beziffert die Summe der jährlichen Steuerhinterziehungen für Deutschland auf 30 Milliarden Euro. Nach Schätzungen sind rund 35 Prozent des gesamten Weltvermögens in Oasen angelegt und das ist mehr als das gesamte Bruttosozialprodukt aller EU-Länder.
Seit Jahren bemüht sich auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) um eine Austrocknung der Oasen und operiert mit einer Schwarzen Liste nicht kooperationsbereiter Staaten. Immerhin reduzierte sich diese von 35 auf 19 Länder. Auch die Schweiz unterzeichnete ein entsprechendes Abkommen. Bis zum Jahresende sollen zudem die Verträge mit Deutschland stehen, wonach eine sogenannte 35-prozentige Abgeltungssteuer auf alle sogenannten „unversteuerten Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz“ fällig wird. Ferner soll Amtshilfe bei Steuerhinterziehung gewährleistet werden. Auch mit Liechtenstein dürfte bis Jahresende ein Abkommen ausgehandelt sein. Der deutsche Fiskus jedenfalls rechnet mit Milliardenbeträgen, die in seine Kassen fließen.
Gemäß dem Naturgesetz, dass es Oasen nur in Wüsten gibt, dürfte damit aber das Problem nicht gelöst sein. Zahlreiche Wirtschaftsmagnaten und gut verdienende Mittelständler finden ihre Motivation für die Verkürzung von Abgaben nach wie vor in den ständig mehr ausufernden Staatsausgaben und einem auf Selbstbedienung fokussierten Politiker- und Beamtenheer auch in Brüssel, dem längst nicht mehr beizukommen sei, und verschieben derzeit ihre am Fiskus vorbei erzielten Gewinne ins ferne Asien. Denn mit Hongkong besteht kein entsprechendes Doppelbesteuerungsabkommen, mit dem Stadtstadt Singapur kommt die Amtshilfe nicht wie gewünscht in Gang. Und es wird auch da Jahre dauern, bis entsprechende Abkommen geschlossen werden oder Druck ausgeübt werden kann.

Joachim Feyerabend

Veröffentlicht am 24.11.2010

Dienstag, 23. November 2010

Tagesanzeiger:«Das Weibliche ist heute mehr wert als das Männliche»

«Das Weibliche ist heute mehr wert als das Männliche»

Von Bettina Weber. Aktualisiert am 07.01.2010

Der Soziologe und Männerforscher Walter Hollstein sagt, die Männer kämen heute zu kurz. Es drohe gar ein Clash der Geschlechter.

Buben brauchen neue Vorbilder. Aber wo finden sie die?

Buben brauchen neue Vorbilder. Aber wo finden sie die?
Bild: Keystone

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Zur Person

Der heute 70-jährige Soziologe hat sich Anfang der Neunzigerjahre auf das Gebiet der Männerforschung spezialisiert. Er war 35 Jahre lang Professor an der Freien Universität in Berlin und verfasste zahlreiche Bücher zum Thema. Das letzte heisst «Was vom Manne übrig blieb» (Aufbau-Verlag, Berlin 2008. 304 S., ca. 35 Fr.). Walter Hollstein lebt in Basel.

Sie sind überzeugt: Männer werden diskriminiert.

Dem ist auch so. Zum Beispiel bei der Gesundheit, im Sorgerecht, bei der AHV oder dem Militärdienst. Dem Zeitgeist entsprechend ist das Weibliche heute mehr wert als das Männliche.

Konkret?
Im Baselbiet hat die Rektorin einer Schule nach ihrem Amtsantritt verordnet, dass aus der Spielfläche für Buben auf dem Pausenplatz eine Kommunikationsfläche wird, weil sie fand, dass Reden für Buben wichtiger sei als Toben. Das mag gut gemeint sein, läuft aber völlig an den Bedürfnissen der Buben vorbei. Ich verstehe auch nicht, dass die Väter der Buben nicht eingegriffen haben.

Die Diskriminierung fängt schon bei den Buben an?
Das Grundproblem ist, dass sich heute niemand mehr mit den Eigenheiten und Bedürfnissen von Buben beschäftigt. Ein simples Beispiel: Buben hören signifikant schlechter als Mädchen. Wenn sie dann eine leise sprechende Lehrerin haben und auch noch in den hinteren Schulbänken sitzen, verstehen sie nichts mehr und werden unruhig. Dazu kommt, dass Jungen von Geburt an motorischer sind als Mädchen, gleichzeitig aber sind sie biologisch und physisch schwächer und brauchen mehr Halt. Auf diese Eigenheit muss man im Unterricht eingehen, statt ihnen Ritalin zu verordnen. Leider behauptet der ideologische Feminismus das Gegenteil, und das wirkt auch in den Klassenzimmern.

Was ist das grösste Problem, das Männer zurzeit haben?
Dass sie nicht mehr wissen, wer sie sind. Und gleichzeitig Angst haben, Antworten zu finden. Antworten, die auch bedeuten, dass man sich ein Stück weit verändern müsste, weil sich die gesellschaftlichen Bedingungen verändert haben.

Inwiefern?
Zum Beispiel ist die klassische Definition von Mannsein über Arbeit, Status und die Alleinernährerrolle überholt: Die Wirtschaft entwickelt sich von der männlichen Schwerindustrie immer mehr zur weiblichen Dienstleistung, damit müssen sich Männer neue Eigenschaften wie Empathie, Teamgeist oder Flexibilität erwerben. Und die Arbeitsteilung der Geschlechter hat sich verschoben, wenn Frauen erwerbstätig sind, müssen Männer zu Hause mithelfen.

Damit tun sich die Männer oft noch ziemlich schwer.
Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen: 80 Prozent der jungen Frauen haben ein modernes Frauenbild. Sie wollen eine gute Ausbildung, einen Beruf, der ihnen Freude macht, und sie wollen Kinder, aber mit einem partnerschaftlichen Mann. Bei den Männern sind es nicht mal 25 Prozent, die diese Vorstellungen teilen. Das läuft auf einen Clash der Geschlechter hinaus.

Die Frauen haben vorwärtsgemacht, die Männer sind stehen geblieben. Wieso das?
Es war ganz wichtig, dass man vor 30, 40 Jahren Frauen- und Mädchenförderung gemacht hat. Das Problem ist aber, dass man die Buben und Männer links liegen gelassen hat, man versah sie einfach mit dem Label «starkes Geschlecht». Das Resultat ist, dass eine Generation von modernen Frauen entstanden ist, die auf eine Generation traditioneller Männer trifft.

Keine guten Aussichten für glückliche Partnerschaften.
Natürlich nicht. Man weiss aus Untersuchungen in Skandinavien, dass Ehen stabiler sind, in denen Erwerbstätigkeit, Haushalt und Erziehung mit-verantwortlich geteilt werden. Und es nimmt ja nicht nur die Anzahl von Scheidungen und Trennungen zu, sondern vor allem hat sich auch die Ehedauer drastisch verkürzt. Die meisten Scheidungen erfolgen im fünften Jahr, und 75 bis 80 Prozent der Trennungen gehen von Frauen aus, weil sie nicht mehr wie früher aus materieller Notwendigkeit darauf angewiesen sind, in einer Situation auszuharren, die für sie nicht mehr tolerierbar ist.

Ist der Feminismus daran schuld?
Der Feminismus war eine wichtige soziale Bewegung, die die Frauen aus ihren alten Rollen befreit hat. Aber er hatte eben auch fatale Folgen. Die Realität von Männern wurde nur verzerrt wahrgenommen. Sie wurden allesamt als Unterdrücker, als mächtig und privilegiert dargestellt, aber es war – empirisch betrachtet – immer nur eine verschwindend geringe Minderheit von Männern, die im Übrigen ja auch ihre eigenen Geschlechtsgenossen ausgebeutet haben und nicht nur die Frauen. Im Kampf gegen das «Patriarchat» wurde dann ein allumfassendes Feindbild «Mann» konstruiert, statt zu differenzieren. Die Folge ist, dass das einst positive Männerbild verschwunden ist. Der irische Psychiater Anthony Clair schreibt in seinem Buch «Männer haben keine Zukunft», die Gesellschaft werte Männlichkeit inzwischen als pathologische Abweichung.

In Deutschland macht zurzeit das Thema des Maskulismus von sich reden: Männer fühlen sich von diesen souveränen, selbstbewussten Frauen in die Ecke gedrängt und geringgeschätzt.
Das wundert mich nicht. Das deutsche Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend – nur schon der Name ist bezeichnend, Männer kommen gar nicht erst vor – hat vor zwei Jahren eine repräsentative Untersuchung über 20-jährige Frauen und Männer in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist erschreckend: Junge Männer haben Angst, überflüssig zu werden. Die modernen Frauen bräuchten sie nicht mehr, nicht mal zur Zeugung, seit es die Samenbanken gibt, und auch auf dem Arbeitsmarkt seien sie immer weniger gefragt. Daraus ergeben sich deutliche Animositäten gegenüber Mädchen und Frauen. Es herrscht der nicht unberechtigte Eindruck, dass die heute alles besser können und, im Gegensatz zu Buben und jungen Männern, auch noch gefördert werden. Je virulenter diese Angst wird, desto mehr klammert man sich an alte Bilder.

Buben brauchen also dringend neue Vorbilder. Wo sollen sie die hernehmen?
Sie sollten sich primär an ihren Vätern orientieren können und sekundär an ihren Lehrern, aber in beiden Bereichen fehlen die Männer immer mehr. Es braucht in den Erziehungsinstitutionen vor allem deshalb mehr Männer, weil Buben heute in einem weiblichen Ghetto aufwachsen – von der Familie über den Kindergarten bis zum Gymnasium sind sie von Frauen umgeben. Ein Fünftel der Buben wird inzwischen mit einer alleinerziehenden Mutter gross. Wir wissen zur Genüge, dass eine solche Konstellation das grösste Armutsrisiko ist, dass solche Buben signifikant häufiger krank werden, die Schule abbrechen, sich selber töten, im Erwachsenenalter eher depressiv werden und der Fürsorge auf der Tasche liegen.

Die zunehmende Feminisierung hat damit zu tun, dass der Erziehungsberuf abgewertet worden ist, die Männer wollen diesen Job gar nicht mehr machen.
Das ist in der Tat eine soziologische Gesetzmässigkeit: Wenn ein Beruf gesellschaftlich abgewertet wird, danken die Männer ab, und die Frauen springen ein. Mittlerweile haben aber jüngere Männer Berührungsängste, weil dieser Bereich so sehr ein weibliches Biotop ist. Ein junger Mann hat mir mal gesagt: «Um Gottes willen, bloss nicht in diesen Mutti-Muff.»

Die Realität sieht trotzdem anders aus: Männer sind immer noch tonangebend.
Klar, wenn man statistisch die Machtpositionen betrachtet, dann leben wir immer noch in einer männerdominierten Gesellschaft. Aber wenn man von unten die Entwicklung anschaut, sind heute mehr junge Männer als junge Frauen arbeitslos und machen mehr junge Frauen einen Uni-Abschluss. Ganz abgesehen davon, dass sich häufiger Buben umbringen als Mädchen und Buben krankheitsanfälliger und verhaltensauffälliger sind.

Weshalb reagiert die Politik nicht darauf? Diese Buben- und Männerprobleme sind ja offen- kundig, und sie kosten Unmengen an Geld.
Absolut, die Folgekosten sind enorm. Bei Delikten fallen Prozesskosten an, die Versicherungen müssen bezahlen, dann gibt es eventuell eine Massnahme in einem Heim oder eine Therapie. Bei denen, die in der Schule versagen, muss die Arbeitslosenkasse einspringen, später dann die Fürsorge, das kostet Millionen, wenn nicht Milliarden. Es ist doch Wahnsinn, dass diese Unkosten so hingenommen werden. Aber da wirkt noch immer das traditionelle Männerbild: Buben und Männer dürfen keine Probleme haben.

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 07.01.2010, 10:26 Uhr

Orginal Artikel mit Kommentaren

Montag, 22. November 2010

JewishJournalNY: The Great Israeli Oil Rush

The Great Israeli Oil Rush

Howard Jonas’ financial dream team–Lord Jacob Rothschild came on board this week–sees Saudi-level potential.

Tuesday, November 16, 2010
Associate Editor

Golda Meir often told the old Jewish joke (though hardly thinking it funny), why did Moses shlep us for 40 years to the one place in the Middle East without oil?

Now, from Golda to black gold, an oil rush is on, with some of the top businessmen in the world betting big money on Israeli oil, and the only laugh may be the last laugh.

Howard Jonas, a major philanthropist and founder of IDT, once primarily known for its telecom business, told The Jewish Week, “We believe that under Israel is more oil than under Saudi Arabia. There may be as much as half a trillion barrels. The Saudis have 260 [billion barrels]; Israel definitely has at least 300, and might have as much as [500].”

Meanwhile, Jonas has put together an investment dream team. This week, media magnate Rupert Murdoch and Lord Jacob Rothschild, of the famous banking family, have placed their high stack of chips in front of Jonas. Earlier this year, the hedge fund legend, and another major Jewish philanthropist, Michael Steinhardt, joined as an investor and chairman of IDT’s spin-off, Israel Energy Initiatives (the Israeli wing of IDT’s Genie Energy division).

Skeptics say this group is tilting at windmills, but look long enough and those windmills are looking like oil drills.

Jonas has for several years been attempting to extract oil from shale on U.S. government land in Colorado, working a 10-year lease because that’s how long it can take. In 2008, Jonas, who has developed various projects in Israel over the years, was granted a license by the Israeli government to explore and develop a shale reservoir of 238 square kilometers under the Shfela Basin. Under Israeli law, the state would receive royalties from IEI. Aside from delays stemming from persistent challenges from environmentalists, IEI is ready to go. “We’re waiting for the final permit,” says Jonas, “so we can start heating the ground and getting the oil.”

The oil, however, is not liquid but in shale, and “oil shale has broken many hearts,” writes BusinessWeek of the Israel project. The process of turning rock-solid shale into liquid is costly, lengthy and difficult, not to mention that it might, according to critics, lead to excessive gas emissions, scenic defacement, damage to the water table, and overall leave parts of the environment messier than the mess left by the Cat in the Hat before the Cat’s eventual and impeccable cleanup.

Israel’s Union for Environmental Defense has gone to court to stop Jonas. But it is precisely Israel’s defense — Israel’s economic and military defense, and energy independence — that is motivating the Jonas team every bit as much as their business sense.

Jonas, an Orthodox Zionist, sees the project as a perfect storm of doing well by doing good. But one doesn’t have to be Orthodox or Zionist to agree. The hunger for not just Israeli but American energy independence, with its global political ramifications not to mention potential oil profits, has led MarketWatch to determine that 92 percent of market observers are now “bullish” on the Newark, N.J.-based IDT, whose stock had fizzled to just 66 cents per share before taking off like a Roman candle, as confidence in the oil project spread. IDT’s price now stands at $20.22, 20 times higher than its 52-week low.

Some of the “enthusiasm” for the Israel project is based on IDT’s handling of its “oil experiment in Western Colorado,” writes BusinessWeek. Other confidence in Israel’s energy potential has come (unrelated to IEI) from a recent natural gas find within Israel’s territorial waters in the Mediterranean, reports Bloomberg, a 30 trillion cubic-feet reservoir, double the gas reserves of the United Kingdom and enough to support exports to Europe and Asia.

Jonas said he first began thinking about the Israel oil project “about four years ago. While working with the shale in Colorado, which is the largest shale deposit, I learned that the second-biggest deposit was in Israel. And it’s something I always wanted to do.”

He’s prepared to be patient. “Commercial production,” Jonas says, “is probably 11 or 12 years away, a decade the soonest.”

It is common knowledge that the major oil companies have shied away from Israel because of pressure from the Arab boycott and the close relationships between the oil executives and Arab leaders. And yet, the French oil giant, Total, has now invested with Jonas, and joining Genie’s advisory board in September were such “mainstream” oil veterans as Harold Vinegar, former chief scientist of Royal Dutch Oil, and former Vice President Dick Cheney, who also served as CEO of Halliburton, one of the world’s largest oilfield services corporations.

Nevertheless, it is the religious Zionists, such as Jonas and Christian Zionist groups, who have been in the vanguard of Israel’s oil exploration.

Christian Zionist groups have been citing biblical verses that they say refer to vast oil reserves beneath the Promised Land, adding that Israel’s energy independence and success is a prelude to Ezekiel’s scenario for the final Redemption, among other prophecies.

John Brown, founder and chairman of Zion Oil & Gas, a primarily Christian group exploring Israel’s energy potential, told Charisma, a Christian publication, “If they [Israel] become an oil producer tomorrow… [it] will bring an economic opportunity that will be unparalleled. ... Israel has a unique place in history where God is going to do a lot for the Jewish people.”

By contrast, Jonas, while often acting with a religious and spiritual imperative, professionally and personally, doesn’t speak with the apocalyptic urgency of the Christian Zionist oilmen.

Jonas nevertheless points out that some of best people working for him are Christians who have been “heroic” in their desire to help Israel, a similar phenomenon, Jonas said, to the Jews and non-Jews who brought their expertise to Israel in its fight for survival and birth in 1948. At that time, there were those such as Col. Mickey Marcus, a Jewish West Point graduate, later dramatized by Kirk Douglas in the film “Cast A Giant Shadow,” who helped organize Israel’s army before dying in Israel’s service.

Jonas gives the example of Vinegar and Scott Nguyen, both top scientists at Shell, “who moved to Israel to work on the project.” Vinegar and his wife, who are at an age and time in life when “they want to be together,” said Jonas, decided to live in Israel “where they don’t speak the language, and where they don’t have all their friends, but she feels that he’s a hero, and he should do this for the Jewish people.”

Jonas paused, adding that one of his top men, Fred Carl, recently died of a heart attack. “He was the former head of experiments of Shell’s field operations; a real gnarled Marine, a very devout Catholic guy, in his 60s, who gave up everything, including his position at Shell, to move to Israel and help the Jewish people get this oil out.

“Fred decided, while he was in Israel, that he was going to visit all the churches in Israel,” said Jonas. “He visited more than 40. We weren’t paying him big money; he just wanted to have a part of this great undertaking that was going to free the world of Arab oil. To me, he died in the service of Israel.

“These guys are all heroes,” added Jonas.

If Jonas, Steinhardt, Rothschild and the rest are able to turn Israel’s underground shale into an oil reserve the size of Saudi Arabia’s, thereby changing the geopolitical and economic balance of the Middle East, they’ll be heroes, too, giving Israel a gift beyond all their prior philanthropy combined.

And that Moses fellow, maybe he knew what he was doing.

Comments


The initial industrial facility is planned for the historical location where David fought Goliath.

Israelis are working to prevent these facilities from devastating the countryside.

See http://saveadullam.org

American imperialism - dressed up as heroic Zionism.

Jonas and his heroic friends will make a fortune, but their oil-shale industry will risk the health and ruin the lives of thousands of Israeli citizens.

Dirty, risky non-conventional oil-shale industry is WAY-TOO-BIG for the small, densely populated state of Israel.

Developing oil-shale industry in the heart of the country is NOT the way to help Israel.

I think we need to learn from the state of Colorado, which is also rich in shale oil--Colorado revised its oil and gas rules in April 2009 to provide greater protection for the local environment. The quote about Golda underlines the problem: Israel feels that it "missed out" because it did not have oil, and now the government will allow oil shale extraction without considering the long-term effects on the environment. Sorry, these guys aren't my heroes--my heroes are looking for sources of energy that do not rely on fossil fuels.

One cannot over emphasize the severity of the various direct and indirect impacts of the oil shale extraction and refining processes.

It is widely known and proven that oil shale development contributes to harmful gas emissions, water quality impairment and high water consumption.
Many of the impacts of ex situ oil drills and expected impacts from in situ development are even documented in an environmental review prepared by the US government agency responsible for overseeing development on public lands (http://ostseis.anl.gov/ ).

One cannot and should not hide such information from the Israeli public.

The fact is that greenhouse gas emissions from shale oil extraction in the controversial experimental heating system are tremendous and of course much higher than those emitted from commonly used drilling methods.

These are major concerns.

Also, it should be noted that, unlike Colorado, the Adullam Valley is situated in the very center of Israel, near villages, moshavim and the developing city of Bet Shemesh. The area is also dedicated to farming, famous for its vineyards and wineries, and because of its beauty and history, a tourist Mecca for visitors from both Israel and throughout the world.

So, my question is: "For what"? With all due respect, what is causing the government of Israel to allow a foreign-based entity to endanger the fragile Israeli water system, our ecology, tourism and public health? Why should we be guinea pigs in an unproven, uneccesary and unhealthy method of oil drilling that the United States shuns???

These Americans claim to be Zionist, yet ruin the livelihood of Israeli vintners and devastate the beautiful land where Dovid once fought Golias.

http://www.saveadullam.org/english gives the details

The American billionnaire sees "Saudi-level potential." Do we want to be Saudi Arabia, in which the average resident is POORER than the average Israeli (though back in the 1980's they were 4 times as rich)?

saveadullam.co.il is worth reading on this.

Maybe Vinegar and Scott Nguyen are Jewish; Fred Carl was not. But they are not coming here to "help" Israel. They are coming to make big bucks. Nothing wrong with that, but building refineries in our Biblical parks and heating the undersoil to 650F, in order to send money to the US, is not "Zionism."

I don't think I have ever read anything more cynically manipulative than Howard Jonas's comparing Col. Mickey Marcus who died in Israel’s service with Fred Carl who died of a heart attack and Harold Vinegar and his wife making aliya.
However good everyone's intentions may be, please don't forget this is about making money for an international company who will be selling the oil to Israel at whatever the current going rate will be, and this method is only economically viable because of the high price of oil.
One of the reasons IDT has brought its experiment to Israel is that Colorado revised its oil and gas rules in April 2009 to provide greater protection for the local environment, so making IDT's experiment less viable there.

this is not oil!
This is the most poluting type of energy! for a few bucks they will destroy whats left of jerusalem nature!
stop them before they destroy my home! no-one will live there when the view will become a bg ugly mine and the air will be extreamly poluted.
Everywhere they build those mines far from ppl, but in Israel they do this very close to us!

It's clear that these "philanthropists" are interested in making money, which is fair enough from their perspective. But those of us here in Israel should be aware of this and not fool ourselves that our wellbeing comes into the picture.

The costs to us will be a lot higher than anything we're going to gain. It's more than the destruction of a beautiful piece of landscape: the Adullam valley is close to the city of Bet Shemesh, where thousands of people will be exposed to gas emissions, not to mention the risks to the water table, which will affect many more.

If these "major philanthropists" want to invest in Israel, why not invest in our state-of-the-art clean technology, hybrid cars, etc. instead of creating yet more fossil fuels.

Oh yeah, I forgot, it's about the money...

Sonntag, 21. November 2010

Haaretz: High Court allows gender segregation on public buses

  • Published 21:30 21.11.10
  • Latest update 21:30 21.11.10

High Court leaning toward allowing gender segregation on public buses

Transportation Ministry recommended allowing 'voluntary separation' on ultra-Orthodox bus lines, as long as practice is not enforced through violence or coercion.

By Yair Ettinger Tags: Israel news ultra-Orthodox Israel High Court

The High Court of Justice is inclined to allow gender-segregated bus lines to run through ultra-Orthodox communities, a presiding judge said Sunday.

Jerusalem segregated bus Emil Salman

Ultra-Orthodox men riding a sex-segregated bus in Jerusalem.

Photo by: Emil Salman

Justice Elyakim Rubinstein, who heads a panel deliberating the issue of gender segregation on public bus lines, said Sunday that the judges were leaning toward accepting the Transportation ministry's recommendations that ultra-Orthodox can continue the practice on certain routes as long as it is not enforced through violence or coercion.

The High Court was debating a petition submitted in 2007 against the ministry and public transportation companies Dan and Egged, by a group of women and the Center for Jewish Pluralism of the Israel Movement for Progressive Judaism.

The ministry's recommendations, adopted by the state, stress that even though it is illegal to enforce segregation on public buses, "voluntary separation should be allowed if it is not coerced."

The state committee in charge of the issue suggested a trial period during which gender segregation will be implemented in certain bus lines. However, passengers will still be free to sit wherever they choose.

The Movement for Progressive Judaism approved of the recommendations, saying that the Transportation Ministry's report confirmed that gender segregation is, in fact, illegal. According to the movement, the ministry will have to increase enforcement in order to prevent coercion and violence on buses.

About 50 "Mehadrin" routes, catering to Haredi demands for gender-segregated transportation, have run since 2001, mostly by the Egged and Dan bus cooperatives. Advocates of these lines argue that Haredi women voluntarily embrace them, as they enable what they consider proper observance of Jewish law.

FAZ: Irland-Die List der deutschen Banken

Irland-Krise

Die List der deutschen Banken

Deutschland soll jetzt auch Irland retten. Und die deutschen Banken finden das gut. Kein Wunder: Denn das schont ihre Bilanzen vor Abschreibungen. Längst hat die Finanzwelt die Politik fest im Griff.

Von Lisa Nienhaus und Christian Siedenbiedel

21. November 2010


Auf einmal ist Josef Ackermann ganz Staatsmann. In den vergangenen Tagen tourte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank durch Brüssel, besuchte den EU-Kommissionspräsidenten, den Ratspräsidenten, den Binnenmarktkommissar. Und sagte dann: „Europa muss als Einheit bewahrt werden und darf nicht kurzfristigen ökonomischen Erwägungen zum Opfer fallen.“

Wenn der Deutsche-Bank-Chef, ein Schweizer, zum glühenden Europäer wird, ist Vorsicht geboten. Was Ackermann sagt, ist klar: Die EU-Staaten sollen Irland finanziell unter die Arme greifen. Von 50 bis 100 Milliarden Euro ist die Rede, die EU und Internationaler Währungsfonds zur Stützung Irlands aufbringen sollen.

Die irischen Banken haben sich verspekuliert. Und mit ihnen auch die deutschen Banken: die bringen jetzt ihre Schäfchen ins Trockene

© Getty Images/Axiom RM
Die irischen Banken haben sich verspekuliert. Und mit ihnen auch die deutschen Banken: die bringen jetzt ihre Schäfchen ins Trockene

Was Ackermann nicht sagt, wird erst auf den zweiten Blick klar: Wenn Europa Irland hilft, hilft es auch den deutschen Banken. Die nämlich sind zweitgrößter Gläubiger Irlands nach den Briten. Sie haben mehr als hundert Milliarden Euro an Krediten in Irland vergeben, davon allein rund 40 Milliarden an die irischen Banken.

Irland nämlich war einst das Spielhaus Europas. Vieles, was anderswo von Gesetz oder Bankenaufsicht verboten war, ging in Irland. Nun sind die großen irischen Geldhäuser auf staatliche Hilfe angewiesen. Es geht die Angst um, dass der irische Staat das irgendwann nicht mehr schultern kann – und dann womöglich die Gläubiger ranmüssen, also auch die deutschen Banken.

Helft Irland, um uns zu helfen

Die Finanzkrise ist wieder dort angekommen, wo sie einmal anfing: bei den Banken. Und die sind frecher geworden. Bedurfte es einst noch der Lehman-Pleite, um zu beweisen, dass Steuergeld für ihre Rettung notwendig ist, sollen mögliche Krisen jetzt schon vorbeugend von den Steuerzahlern der EU abgewendet werden. Damit die Banken nicht für das haften müssen, wofür sie eigentlich üppige Zinsen kassieren: für das Risiko, dass der Ernstfall eintritt und ein Schuldner nicht zahlen kann.

Es gibt Banker, die das sogar offen zugeben. Lutz Raettig, Aufsichtsratschef von Morgan Stanley Deutschland und Sprecher der Frankfurter Banken, sagt: „Die Forderungen der deutschen Banken an Irland sind wichtig genug, um dem Land zu helfen.“ Er spricht damit aus, was die anderen denken: Helft Irland, um uns zu helfen.

Weniger als die halbe Wahrheit

Welche Geldhäuser es genau sind, die die riesigen Kredite an Irland vergeben haben, darüber sagen die Institute zur Zeit lieber nichts. Wohlweislich, schließlich könnte das den Aktienkurs drücken. In der Deutschen Bank nennt man lediglich 309 Millionen Euro Forderungen gegen den irischen Staat und Gebietskörperschaften – eine läppische Zahl im Vergleich zu den Milliarden, die deutsche Banken in Irland insgesamt verliehen haben.

Und vermutlich weniger als die halbe Wahrheit. Denn wenn man sich die Zahlen für die deutschen Banken insgesamt anguckt, machen Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat nur einen winzigen Teil dessen aus, was an Irland verliehen wurde (siehe Grafik). Der Großteil des Geldes ging an irische Banken und Unternehmen. Hier schweigt die Deutsche Bank wie ihre Konkurrenten über die Details.

„Immer das selbe Spiel“

Ökonomen bringt das in Rage. Hans-Werner Sinn, der Leiter des Münchner Ifo-Instituts, sieht „eine Achse von der Europäischen Union zu den deutschen Banken, um Unterstützung für die Rettungspakete für Irland zu generieren“. Dabei ist er sicher, dass Irland die Hilfe eigentlich überhaupt nicht braucht. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liege 20 Prozent über dem deutschen, die Schuldenquote sei beherrschbar, selbst wenn sie jetzt noch ansteige. „Irland ist nicht bankrott.“ Stattdessen dramatisierten die Banken die Krise, um das gewünschte politische Ergebnis herbeizuführen. „Es ist immer dasselbe Spiel. Langsam wird es langweilig.“

Langweilig, mag sein. Aber auch sehr teuer. Und das Spiel funktioniert. Irland hat tatsächlich lange gar nicht um Hilfe gebeten. Die Politiker des Landes betonten immer wieder, dass sie bis Mitte 2011 keine neuen Kredite benötigten. Doch jetzt wird in Dublin verhandelt, und es deutet sich an, dass womöglich ein zweistelliger Milliardenbetrag als Hilfe an die Insel fließen wird.

„Anlagenotstand beseitigen“

Die Gewinner dieses Spiels sind zuallererst die Gläubigerbanken. Sie haben sich schön aus der Affäre gezogen – und können Sätze sagen wie Martin Blessing, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank. „Aus der Banken- und Wirtschaftskrise ist jetzt eine Krise der Staatsschulden geworden.“ Übersetzt: Am Anfang waren wir schuld, jetzt aber die anderen. Das mag für Griechenland stimmen. Für Irland stimmt es nicht: Dort gibt es eine massive Bankenkrise.

Und schon wieder wittern die deutschen Banken den großen Reibach. Wenn nämlich die EU an Irland Geld vergibt, wird es sicherer, in ganz Europa anzulegen – und die Banken machen wieder mehr Geschäft. Derzeit lassen sie das Geld vor allem in Deutschland, Ifo-Chef Sinn nennt das einen „Anlagenotstand“ und ist sicher: „Die Banken wollen, dass dieser Notstand beseitigt wird und sie das deutsche Spargeld wieder fröhlich in die Welt hinaustragen können. Und dafür soll am besten auch noch der deutsche Steuerzahler bürgen.“ EU-Hilfen für Irland brächten für die Banken also einen doppelten Gewinn. Sie schonen die Bilanzen vor Kreditverlusten und eröffnen neues Geschäft.

Solidaritätssemantik schüren

Die Politik macht das Spiel mit und schweigt über die Banken. Denn Bankenrettung ist seit HRE & Co nicht sehr populär. „Wir retten Irland, damit wir nicht die Banken retten müssen“, sagt Bankwissenschaftler Hans-Peter Burghof. Solidarität mit Irland ist politisch eher zu verkaufen als Solidarität mit Josef Ackermann.

Die Banker schüren diese Solidaritätssemantik nach Kräften. Sie sprechen von Kettenreaktionen und Dominoeffekten, die auf Irland folgen könnten. Und skizzieren Schreckensszenarien, die eintreten würden, wenn man sie selbst an den Hilfen für Irland beteiligte. Jürgen Fitschen, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, etwa schickt zwar vor, dass es auf Dauer Regeln geben solle, wie die Gläubiger von Staatsschulden an den Ausfällen beteiligt werden. Doch dann droht er: „Wenn man das jetzt aber für Irland macht, könnte es an den Märkten eine Katastrophe geben.“ Das Argument wird ihm das nächste Mal auch wieder einfallen.

Überzogene Angst der Banker

Ohnehin muss man die Drohungen der Banker bezweifeln. Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler an der Universität Hannover, ist überzeugt, dass die Angst überzogen ist. „Es geht nicht um die Existenz der deutschen Banken, es geht um Abschreibungen, die man verhindern will.“ Seiner Meinung nach sind die Spitzen-Banker längst mächtiger als die Politiker – und viel klüger.

Homburg hat eine Möglichkeit gefunden, um sich als Steuerzahler zu entschädigen. Er kaufte in der Krise Aktien der Deutschen Bank. Bei jeder Rettungsaktion steigt nun deren Wert. „Die Gewinne entschädigen mich für die zusätzlichen Steuern, die fällig werden, weil die Banken gerettet werden.“

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AFP, dapd, dpa, F.A.Z., Getty Images/Axiom RM

Samstag, 20. November 2010

Spiegel_ Interview mit Regisseur Dominic Graf "Ein neues Böses"

19.01.2010

Fernsehen

"Ein neues Böses"


Der Regisseur Dominik Graf über seine Fernsehserie "Im Angesicht des Verbrechens", die Vitalität der Russenmafia und deutsche Krimi-Depression

SPIEGEL: Herr Graf, alle Welt schwärmt von US-Serien wie den "Sopranos", "The Wire" oder "Mad Men". Die Deutschen könnten solche klugen Stücke nicht, hieß es immer, wir könnten nur "Tatort".

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Graf: Bei uns liefen schon Thrillerserien wie "Allein gegen die Mafia", da war Tony Soprano noch gar nicht geboren.

SPIEGEL: Nun haben Sie "Im Angesicht des Verbrechens" gedreht, eine ästhetisch aufwendige Krimi-Serie in zehn Teilen, wie es sie in Deutschland noch nie zu sehen gab: russische Großgangster, fette Hedonisten, ein Osteuropa voller Leidenschaften, West-Berlin als internationale Verbrechermetropole, kampfeslustige deutsche Polizisten. Was genau wollen Sie uns da eigentlich erzählen?

Graf: Rolf Basedow, der Autor, und ich waren davon fasziniert, wie sich Deutschland der Welt öffnen muss und wie damit viel Neues, auch ein neues Böses hineinbricht.

SPIEGEL: Worin besteht dieses neue Böse?

Graf: Vordergründig in Kriminellen von internationalem Format. Das BRD-deutsche Verbrechen war doch mit Ausnahme der RAF nie so richtig auf Weltniveau. Welcher deutsche Gangster konnte mithalten mit den Amerikanern, den Italienern und Franzosen? Negerkalle? Dagobert? Welcher Polit-Skandal? Barschel in der Badewanne? Der Glamour der großen Verbrecher und der großen Thrillerfilme schien immer im Ausland zu glänzen. In diesem etwas perversen Sinn profitieren wir jetzt sozusagen von der Einwanderung der Ost-Kriminalität.

SPIEGEL: Die italienische 'Ndrangheta im Ruhrgebiet, libanesische Clans in Neukölln, die Russenmafia in Charlottenburg: Sollen wir uns freuen, dass die da sind, weil sie uns große Erzählstoffe liefern?

Graf: Nicht wirklich. Wir sehen aber vielleicht mal, was für ein kleines beschränktes Land wir doch sind. Und ästhetisch-erzählend gibt es vielleicht die Möglichkeit zur Befreiung aus der Depressionssoße, die sich seit Jahren über den deutschen Fernsehthriller zu legen droht.

SPIEGEL: Muss man deshalb das Verbrechen als vital feiern? Eigentlich wäre doch sein Untergang wünschenswert.

Graf: Diese Frage hat sich doch längst, spätestens seit Klassikern wie "Der Pate", erledigt. Können Sie sich vorstellen, dass ein moderner Polizeithriller mit der Moral endet, dass Verbrechen sich nicht auszahlt? Die Welt erzählt einem in jeder Minute etwas anderes.

SPIEGEL: Sie schildern vordergründig den Kampf zwischen der russischen Mafia und der Polizei. Sind Sie vielleicht betört von der Allmacht des Bösen?

Graf: Nein. Ich möchte zeigen, wie sich die Fronten ineinanderschieben, bis keiner mehr weiß: Wer ist hier eigentlich böse, wer ist gut? Härte, Bösartigkeit, Verbissenheit und Dunkelheit gibt es über-all in den Seelen. Nicht nur bei den Gangstern. Auch bei den Polizisten.

SPIEGEL: Der provinzielle deutsche TV-Polizist steht meist deprimiert an einer Würstchenbude.

Graf: Nichts gegen das Provinzielle an uns, aber die Beschreibung stimmt in gewissem Sinn leider zu oft. In deutschen Thrillern von heute schleichen die Polizisten oft als sieche Wölfe durch die Straßen.

SPIEGEL: Warum eigentlich?

Graf: Das liegt auch an einem kollektiven Authentizitätsbefehl im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Seit 10 oder 15 Jahren heißt es doch: Wir sollen im Krimi nicht über die Verhältnisse leben, wir sollten uns eher mit der deutschen Alltagshölle beschäftigen. Das ist ehrenwert, nimmt aber den Thrillern die Chance zu Appeal und Größe.

SPIEGEL: Was machen Sie anders?

Graf: Basedow macht es anders, nicht ich. Er beschreibt die Kriminalität in allen seinen Drehbüchern anders, immer neu. Ich inszeniere ihm hinterher. Er stellt in der Serie ziemlich vitalen Gangstern zwei recht frohgemute Polizisten gegenüber. Man sieht zwei Jungs, die einen geradezu sportlichen Ehrgeiz in ihrem Job haben.

SPIEGEL: Ist denn das Grundgefühl der deutschen TV-Ermittler nicht zu Recht Vergeblichkeit? Weil es in der Wirklichkeit, besonders in Berlin, auch so ist?

Graf: Bestimmt. Ein älterer LKA-Mann thematisiert dieses Problem, wenn er sagt: "Wir können eigentlich gar nichts mehr machen. In zwanzig Jahren gibt es uns deutsche Polizisten vielleicht nicht mehr. Die organisierten Verbrecher nehmen uns das Gesetz des Handelns aus der Hand. Unsere Chancen werden immer kleiner, und die Tarnung der Gangster wird immer perfekter." Ein frustrierter Bulle.Aber dagegen setzen die jungen Polizisten das Gefühl: "Ich will trotzdem einige von denen kriegen. An irgendwas muss man doch glauben."

SPIEGEL: Vitale Polizisten gegen vitale Verbrecher. Nach zehn Folgen kommt ein Nullsummenspiel heraus. Keiner siegt über den anderen. Alles bleibt, wie es ist.

Graf: Als müsste man am Ende eine kaufmännische Abrechnung machen, wie viele Tote es auf der einen Seite und wie viele Tote es auf der anderen gibt. Die Polizei hier schafft es immerhin, eine illegale Zigarettenfabrik lahmzulegen. Das ist nicht nichts. Und sie enttarnt zwei Verräter in ihren eigenen Reihen.

SPIEGEL: Berlin erscheint bei Ihnen als neue Stadt. Ohne Ghetto, ohne Platte, ganz bürgerlich. Gleichsam wie unter uns.

Graf: Es spielt in einer Welt, die wir nur zu kennen glauben. Darunter kocht und brodelt es, nur wir deutschen Bürgerlein haben keine Ahnung.

SPIEGEL: Die Ostgangster halten uns für spätrömische Dekadenzlinge, fühlen sich überlegen.


Graf: Die Russen sagen zueinander immer wieder: "Denkt daran, wir sind nur Gast in diesem Land." Und dann lachen sie höhnisch. Sie haben sich einfach dort wieder niedergelassen, wo sie schon in den Zwanzigern präsent waren: in Charlottenburg, als wären die alten Stühle dort noch frei.

SPIEGEL: Und glauben nun, die Stadt nach Belieben schröpfen zu können?

Graf: Also, im kriminellen Weltbild gibt es immer nur Stärke oder Schwäche. Man kann dort nur jemanden akzeptieren, der stark ist. Eine Machowelt. Und dann gibt es in der Serie eine Figur wie den deutschen Spediteur Lenz, der mit der Russenmafia zusammenarbeitet. Er ist fett, er ist lebensfreudig. Natürlich benutzen die Gangster ihn. Er ist in gewissem Sinn dummes deutsches Geld.

SPIEGEL: Sie haben mal geschrieben: "Thriller und Horrorfilme funktionieren wie eine Couch, auf die sich das kollektive wie das einzelne Ich einer ganzen Kultur legen und auf der es seine Bedrängnisse in Bildern und Geschichten ausdrücken kann." Welche Bedrängnisse zeigen sich in Ihren zehn Folgen?

Graf: Wer wie ich in einer BRD-deutschen Zivilisation groß geworden ist, hat einen ständigen Aufstieg erlebt. Wir haben aber heute ein echtes Zivilisationsproblem. Wir haben keine Zukunftsideen. Wir sind ein verschrecktes Land geworden mit Angst vor der vermeintlichen Fremde.

SPIEGEL: Und bewundern deshalb das Verbrechen?

Graf: Bewundern ist Unsinn. Doch die Kraft eines fast archaischen Clan- und Familiendenkens, das sich unserer Gesellschaft mit Selbstbewusstsein entgegenstellt und das wir bei uns - aus gutem Grund übrigens - längst verloren haben, müssen wir psychologisch zumindest als eine Macht (d.h. als großes Problem) verstehen und bekämpfen! Vielleicht sind wir damit ein Stück näher an der Wahrheit und finden andere Lösungen.

SPIEGEL: Sie zeigen diese Macht jenseits der Moral. Hauptsache, es ist farbig.

Graf: Nein, es ist die farbige Realität. Ich schaue auf das von Basedow geschilderte Kriminellenleben mit Verblüffung, manchmal mit Freude. Als Regisseur hatte ich oft das Gefühl, jeder Augenblick in diesem Drehbuch ist doppelt. Er ist hell, lustig, mitunter sehnsüchtig, trägt aber auch die sich anbahnende Katastrophe in sich. Alles hat einen Januskopf. Am Ende des Tunnels warten ja auf die Gangster Tod und Zerstörung.

SPIEGEL: Inzwischen gibt es interessante Rückkopplungen zwischen Fiktion und Wirklichkeit: Echte Gangster versuchen, sich wie im Film zu verhalten.

Graf: Dagobert Lindlau hat schön geschildert, wie die italienischen Mafiabosse Anfang der siebziger Jahre mal wieder ins Kino gingen und, nachdem sie 20 Minuten vom "Paten" gesehen hatten, erstaunt sagten: Hoppla, das sind ja wir! Und waren begeistert. Jeder Film liefert eine Überhöhung zu ihrem kleinen, bösen Leben. Deshalb will ja einer der Sopranos Filmstar werden.

SPIEGEL: Für lustige Aspekte nimmt sich der deutsche Krimi kaum Zeit. Warum geht es dort immer so ernst zu?

Graf: Tut es nicht. Es ist oft sogar viel zu lustig und viel zu privat im deutschen Thriller. Wo es bei Basedow lustig wird, da geht es um das zwangsläufig Menschliche an jeder Figur.

SPIEGEL: Geht es Ihnen eigentlich um Erkenntnis? "The Wire" beschäftigte sich mit Korruption und Drogenhandel in einer normalen amerikanischen Stadt.

Graf: "The Wire" ist unserer Serie strukturell nicht ganz unähnlich, weil sie sich Folge für Folge auf eine Person oder einen Aspekt der Geschichte beschränkt.

SPIEGEL: Vor allem aber erklärt "The Wire" dem Zuschauer wie keine Serie je zuvor die Bedingungen von Chaos und Verbrechen. Geht es bei Ihrer Serie auch um eine solche Zeitdiagnose?

Graf: Bei Basedow geht es immer um Strukturen, Orte, Wege, Verbindungen. Ich hatte spätestens beim Lesen der zweiten Drehbuchfassung das Gefühl, dass ich sehr viel erfahre über Abläufe, über die Organisation des Verbrechens, über Machtlosigkeiten der Polizei. Aber: Die Realität ist zwar das primäre Anliegen, trotzdem legt einem der Realismus in deutschen Filmen oft einen Bleifuß an. Ich finde, bei Basedow ist Realismus Grundierungsmittel, um Fiktion, Emotion und manchmal auch Mythos zu erzeugen.

SPIEGEL: Kann man im Fernsehen das bessere Kino machen?

Graf: Im sogenannten TV-Movie-Thriller und im "Tatort" entwickelt sich seit den neunziger Jahren der Hang zu Einsamkeitsfiguren und zu sanften Detektivinnen - das hat mit dem Polizeifilmgenre kaum mehr etwas zu tun. Das Genre wird fürs Publikum in Komödie und Familienmelodram zersetzt. Die Härte, die auch zum Polizeifilm gehört, ist seit langem verpönt. Der Traum vom besseren Kino ist im Fernsehen der letzten Jahre an brachial gesetzte Grenzen gestoßen.

SPIEGEL: "The Wire" und "Mad Men" leben von narrativem Überschuss: hier noch ein neuer Strang, dort ein näheres Ausleuchten einer Figur. Es werden schon Vergleiche mit Balzac oder Tolstoi angestellt.

Graf: Ja? Ich habe eher das Gefühl, dass die amerikanischen Serien momentan zu Dramaturgiemaschinerien zu verkommen drohen. Jede Minute eine neue Idee, bloß weiter, weiter, weiter bis zum nächsten Plotpoint. Das widerspricht ja eigentlich völlig dem Romanesken. Und "The Wire" oder die "Sopranos" sind da schon eher Ausnahmen. Die Amerikaner neigen dazu, viel zu selten Orte und die dort vergehende Zeit im Film zu erzählen.

SPIEGEL: Sie nehmen sich Zeit.

Graf: Ja. Eine Trauerfeier darf acht Minuten dauern. Da wird gesungen, geheult, geprügelt, dann kommt ein Plotpoint, weil der Held entdeckt, der Mörder ist ja mitten unter uns. Es wird kurz spannend - aber dann wird noch einmal gesungen. Das mag ich sehr, denn es geht um schie-re Emotion.

SPIEGEL: Herr Graf, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führten Nikolaus von Festenberg und Philipp Oehmke

Spiegel: Ärger in der ARD Frank Plasberg soll Dokus verdrängen

Ärger in der ARD

Frank Plasberg soll Dokus verdrängen

Moderator Plasberg: Geht's aufwärts für ihn - und abwärts mit dem ARD-Programmauftrag?
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dapd

Moderator Plasberg: Geht's aufwärts für ihn - und abwärts mit dem ARD-Programmauftrag?

Streit im Ersten: Nach Informationen des SPIEGEL wollen mehrere ARD-Intendanten den letzten Primetime-Sendeplatz für Dokumentationen streichen - zugunsten des Polit-Talkers Plasberg. Sieht so öffentlich-rechtliches Qualitätsfernsehen aus?

In der ARD gibt es Unmut über die geplante Streichung des letzten Primetime- Sendeplatzes für Dokumentationen. Mehrere Intendanten wollen auf der nächsten ARD-Tagung am 29. November durchsetzen, die Polit-Talkshow von Frank Plasberg ab kommenden Herbst auf montags 21 Uhr zu verschieben.

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Dies wird nötig, weil die "Tagesthemen" künftig wochentags einheitlich um 22.15 Uhr senden sollen, Plasbergs Show aber weiter im Hauptabendprogramm laufen soll. Geopfert werden muss dann der Montagsplatz für Dokumentationen, und zwar ersatzlos. Als Kompensation soll nur die Mittwochs-Doku von 23.30 Uhr auf 22.45 Uhr vorgezogen werden.

Der Plan stößt nicht nur bei ARD-Chefredakteuren und Dokumentarfilmern auf Kritik. Auch Grimme-Instituts-Chef Uwe Kammann sagt: "Eine solche Entscheidung widerspricht völlig dem Programmauftrag der ARD."

tdo

Montag, 8. November 2010

FAZ: Taktische Politik

Taktische Politik

Wer hat Angst vor der Bürgereinschaltung?

Die Castoren rollen, das Wendland kettet sich an, Stuttgart wankt, und die Politik wird zum Opfer ihrer eigenen Redensarten. Die Bürger protestieren nicht einfach nur gegen Inhalte, sondern auch gegen den rein taktischen Umgang mit ihnen.

Von Jürgen Kaube

Angela Merkel gestikuliert vor einer Aufzeichnung der Talkshow “Maybrit Illner“Angela Merkel gestikuliert vor einer Aufzeichnung der Talkshow "Maybrit Illner"

08. November 2010


Als Angela Merkel in diesem Sommer ihre „Energie-Reise“ durch Deutschland machte, kam sie zum Abschluss nach Darmstadt. Von dort erreichte uns wenig später ein Anruf. Die Anruferin, eine Dame Anfang siebzig, berichtete vom Auftritt der Kanzlerin. Man habe diese auch nach der Atomenergie und den Laufzeiten gefragt, und die Kanzlerin habe sinngemäß geantwortet, Genaues könne sie noch nicht sagen. Das Gutachten, das dazu in Auftrag gegeben worden sei, liege nämlich erst seit heute, dem Tag des Besuchs in Darmstadt, vor. Das fand die Anruferin erstaunlich. „Wieso macht die Kanzlerin eine Reise mit dem Thema Energiepolitik, wenn sie noch nicht sagen kann, welche Energiepolitik sie vorhat?“ Und nach einer kurzen Pause: „Aber vielleicht war sie ja genau deshalb in Sachen Energiepolitik unterwegs, weil noch kein Gutachten vorlag. Sie wollte noch so tun, als sei alles offen. Sie wollte noch nichts sagen können.“

Die Anruferin war keine Sozialwissenschaftlerin. Gespräche über Medientheorie, Diskursethik, „performative Widersprüche“ oder „symbolische Politik“ führt sie genau so oft, wie sie Machiavelli oder Luhmann liest, nämlich nie. Man darf ihre Beobachtung darum als Hinweis darauf nehmen, wie reflexiv Politik inzwischen von ganz normalen Bürgern wahrgenommen wird. Selbst in der Mitte der Gesellschaft traut man der Politik inzwischen einen rein taktischen Umgang mit den Bürgern zu. Selbst dort fragt man nicht mehr, was sie sagen, sondern warum sie es wohl sagen. Die Proteste in Stuttgart, Hamburg, Gorleben sind insofern nicht nur Proteste in der Sache. Sie betreffen viel mehr die Form von Politik.


Schule des Misstrauens in Politik

Angela Merkel während ihrer Energie-Reise auf der Baustelle des Steinkohlekraftwerks in LünenAngela Merkel während ihrer Energie-Reise auf der Baustelle des Steinkohlekraftwerks in Lünen

Dabei sind es gar keine prinzipiellen Enthusiasten des Dialogs, gar der Volksabstimmung, die sich empören. Nicht, dass Politiker zu ihnen reden anstatt mit ihnen, lautet also die Beschwerde. Jeder verständige Bürger kann nachvollziehen, dass Ideale des Dialogs an der Politik scheitern. Aber an der Politik bleibt derzeit hängen, dass sie selber einen ganz strategischen Gebrauch von diesen Idealen macht, die sie hochhält, um sie zugleich in ihrem Handeln zu dementieren. Politiker, so der Eindruck, suchen den Dialog beispielsweise genau dann, wenn sie wissen, dass es gar keine Voraussetzungen für ihn gibt – damit der Eindruck des Dialogs bestehen bleibt, ohne den Preis des Dialogs in Kauf nehmen zu müssen.

Das Modell dafür ist das Genehmigungsverfahren für Großprojekte. Oder eine Schulreform. Oder eine Hochschulreform. Oder eine Rechtschreibreform. Oder Europa. Immer geht es angeblich um vitale Probleme unserer Gesellschaft, aber ständig irrt sich das Volk in ihnen so sehr, dass man es – bei der Verfassung nach 1989, beim Euro, bei Maastricht, bei Integrationsfragen, bei der Atomenergie oder beim Schulsystem – nie in der Sache fragen darf.

Vorwurf an die Massenmedien

Die Urszene für diese „Bürgerausschaltung“ (Peter Sloterdijk) im Modus der Bürgereinschaltung ist die Talk Show: Reden als gehe es um Verständigung und Kenntnisnahme. Das Anschauen von Talk Shows, das offenkundig niemandem aus Gründen der politischen Information einfiele, ist eine Schule des Misstrauens in Politik geworden. Gerade so, wie es der amerikanische Soziologe Joshua Meyrowitz einst diagnostiziert hatte: Das Fernsehen setzt Autoritäten Belastungstests aus, die sie nicht unbeschadet überstehen. Man sieht zum Beispiel wie sie über Demokratie denken, während sie das Gegenteil davon sagen. Man sieht es, weil der Zynismus, noch die Talk-Show-Fassung eines Arguments, die Phrase also, sei gut genug für die Masse, nicht verborgen bleibt. Sie wissen immer schon, was sie gesagt haben werden. Und also lernen es auch die Bürger. Und also entsteht der Verdacht, dass Politiker endlose Stunden vor Kameras gerade deshalb verbringen, weil dort niemand ihr Werte-Phrasen-Zukunfts-Vokabular unterbricht.

Das enthält auch einen Vorwurf an die Massenmedien. Er trifft jedenfalls dort, wo sie nicht über Politik berichten, sondern sich am Werteredenaustausch-Spiel beteiligen. Wenn sich eine Bürgerin fragt, weshalb die Kanzlerin denn kam, obwohl sie nichts zu sagen hatte, tut sie es ja auch deshalb, weil kein Journalist die Frage gestellt hat. Dass der Streit um „Stuttgart 21“ zu einem neuen Sendeformat geführt hat, der öffentlichen Anhörung nach Abschluss des Verfahrens nämlich, unterstreicht, dass auch die Medien unterhalb ihrer demokratischen Möglichkeiten leben.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dpa, Reuters