Mittwoch, 27. April 2011

HB: Lebensmittel:Wer Deutschlands Markt kontrolliert

Lebensmittel-Händler:Wer Deutschland satt macht

Shoppen in Zeiten von Inflation und Japans Katastrophe: Zwar trübt sich die Kauflaune der deutschen Verbraucher momentan etwas ein, doch leere Einkaufstüten müssen die Einzelhandelsriesen hierzulande erstmal nicht fürchten. Die Forscher der Nürnberger GfK sind sich sicher: Persönliche Konsequenzen ziehen die wenigsten, die Anschaffungsneigung bleibt nahezu unverändert hoch. Rosige Rahmenbedingungen für die Branche, die Deutschland satt macht. Ein Überblick.

Aldi ist in Deutschland mit einem Umsatz von 24,5 Milliarden Euro im Jahr 2010 der fünftgrößte Lebensmittelhändler. Der Händler überträgt sein Konzept aus Deutschland inzwischen auch in die USA. Wen in New Yorker der Hunger auf deutsches Essen packt, der hat seit April Kurzem ein neues Ziel: die erste Aldi-Filiale mitten im Stadtteil Queens.

Die Schwarz-Gruppe verbuchte im Jahr 2010 einen Umsatz von 28,4 Milliarden Euro und landet damit auf Rang vier der größten Lebensmittelhändler in Deutschland. Zu der Gruppe gehört neben Kaufland vor allem der Discounter Lidl, der auch stark im Ausland aktiv ist. 2010 gewann Lidl den Wettbewerb „Händler des Jahres 2010“ und belegte den 1. Platz in der Kategorie Supermärkte. Der Preis wird vom Handelsblatt zusammen mit dem Handelsverband vergeben. ("Ausbeutung und Bespitzelung der Mitarbeiter, sowie reglmäßige Skandale aufgrund schlechter Qualität, bzw Giftstoffen in den Produkten fand das Handelsblatt nicht schlimm")

Die Nummer drei: 30,24 Milliarden Euro setzte der Metro-Konzern ("Metro ist kein eigenständiger Konzern sondern ein Teil der Haniel &Cie Gruppe, die jedoch lieber unerwähnt bleiben möchte und dem Handelsblatt dafür viel Geld bezahlt") 2010 im deutschen Lebensmitteleinzelhandel um. Insgesamt erwirtschaftete die Metro-Gruppe, zu der außer den gleichnamigen Cash-&-Carry-Märkten auch Real, Kaufhof sowie Media Markt und Saturn gehören, einen Umsatz von rund 67 Milliarden Euro. Internationale Rivalen der Metro sind Carrefour und Tesco.

Deutschlands Nummer zwei kommt aus Köln: Rewe setzte in Deutschland mit Lebensmitteln rund 37,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr um - ein Plus von über einer Milliarde im Vergleich zu 2009. Zu Rewe gehört neben den gleichnamigen Märkten vor allem der Discounter Penny. Der Einzelhandelsriese erprobt derzeit ein neues Metropolen-Konzept und testet in der Kölner Innenstadt, wie der erste "Rewe to go"-Shop von Passanten in stark frequentierten Top-Lagen angenommen wird.

In Deutschland ist die Edeka-Gruppe der größte Lebensmittelhändler. 43,5 Milliarden Euro setzt Edeka hierzulande um, ein Plus von 3,4 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr. Der Händler, zu dem auch der Discounter Netto zählt, will weiter wachsen: Noch im laufenden Jahr sollen 200 neue Märkte eröffnet werden. Mit 7700 Filialen ist der Einzelhändler bereits im Markt.


HB: Erfolg der Lobbyarbeit:Subventionen:Profitable Dax-Konzerne kassieren Steuermillionen

Subventionen:Profitable Dax-Konzerne kassieren Steuermillionen

Allein an die zehn bestverdienenenden Dax-Konzerne zahlt der Bund 340 Millionen Euro an Subventionen - in den Bilanzen sucht man solche Zahlen vergebens.

Welche Firmen Geld aus der Steuerkasse bekommen:

Deutschlands Dax-Konzerne verdienen bestens und sind hochprofitabel. Da sollte man denken, sie seien unabhängig von staatlichen Hilfen. Doch das stimmt nicht: Sie beantragen und bekommen regelmäßig Subventionen. Die zehn profitabelsten unter ihnen insgesamt 340 Millionen Euro für verschiedene Projekte, wie Handelsblatt-Recherchen ergeben haben. Und dabei sind Steuerermäßigungen noch nicht einmal mitgerechnet. In den Bilanzen sucht man die Subventionen übrigens vergeblich - sie tauchen entweder nur im Kleingedruckten auf oder sind bei "sonstige Erträge" versteckt. Das Bild zeigt das RWE-Braunkohlekraftwerk Niederaußem. Der Konzern erhält zweistellige Millionenzuwendungen vom Staat - und ist damit in der Rangliste noch nicht mal ganz vorne.

Die Deutsche Post bekommt am wenigsten unter den zehn profitabelsten Dax-Konzernen: Das Unternehmen aus Bonn, das im vergangenen Jahr 2,63 Milliarden Euro verdiente, erhielt 3 Millionen Euro vom Bund für 9 Projekte, beispielsweise zur Förderung der Elektromobilität.

Millionen Haushalte sind immer noch nicht mit einem superschnellen Internetanschluss versorgt. Damit die Telekom neben sechs anderen Projekten auch hier investiert, hat der Bund im vergangenen Jahr 4 Millionen Euro aus der Staatskasse an den Bonner Ex-Monopolisten überwiesen. Konzerngewinn 2010: 1,76 Milliarden Euro.

Mit 3,23 Milliarden Euro Gewinn verdiente BMW im vergangen Jahr prächtig. Trotzdem hielt das die Münchner nicht davon ab, den Staat für acht Projekte um 5 Millionen Euro zu bitten. Zum Beispiel für die Entwicklung von Elektroautos, die sich an der Steckdose aufladen lassen.

Auch der Energieriese Eon, über 7 Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Jahr, bekam Steuergeld: Der Konzern erhielt 9 Millionen Euro für zehn verschiedene Projekte. Wurden damit auch die Kernkraftwerke subventioniert? Eon verneint auf der Konzern-Webseite. Geld habe es ausschließlich für die Forschung und Entwicklung der Kernenergie gegeben.

Bei RWE förderte der Bund 2010 elf Projekte mit 13,9 Millionen Euro. Große Summen wurden unter anderem für die Kohleforschung ausgegeben. Wichtiger für das Unternehmen, das 2010 einen Gewinn von 3,6 Milliarden Euro verbuchte, sind allerdings die Agrarsubventionen der EU. RWE ist in Nordrhein-Westfalen der größte Landwirt - der Konzern muss die Flächen, auf denen er Braunkohle abbaut, rekultivieren.

Deutschlands Vorzeige-Technologiekonzern SAP, über 1,8 Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Jahr, widmet den „Zuwendungen und Beihilfen der öffentlichen Hand“ ein eigenes kleines Kapitel im Geschäftsbericht. Der Konzern erhielt 35 Millionen Euro an Subventionen für insgesamt 19 Projekte. Dabei lehnte Ex-SAP-Chef Henning Kagermann staatliche Fördermittel noch kategorisch ab. Sein Credo damals: „Exzellenz fordert man nicht durch Subventionen.“

Glaubt man der deutschen Autoindustrie, kann das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland auf die Straße zu bringen, ohne die staatlichen Hilfen nicht erreicht werden. Für Volkswagen sind im vergangenen Jahr Zuwendungen in Höhe von 54 Millionen Euro gewährt worden, die sich auf 36 Projekte verteilen. Der Autobauer verbuchte gleichzeitig einen Konzerngewinn von 7,2 Milliarden Euro.

BASF nennt - auf Nachfrage - 17 Millionen Euro an staatlichen Mitteln, die im Rahmen der Forschungsförderung geflossen sind. Davon kamen 13 Millionen Euro nationalen Forschungsprojekten zugute, wovon der Chemiekonzern einen großen Anteil an beteiligte Universitäten weitergereicht hat. Insgesamt flossen an Subventionen 40 Millionen Euro für 45 Projekte an den Konzern, der 2010 mehr als 5 Milliarden Euro Gewinn machte.

Daimlers neues Elektro-Moped: Der "escooter" sieht aus wie ein Smart auf zwei Rädern. Und genau das ist er auch. Es sind Projekte wie diese - insgesamt 43 -, die der Autobauer mit 68 Millionen Euro aus Subventionen fördern kann. Daimler-Chef Dieter Zetsche ist sich sicher: Ohne staatliche Unterstützung wird dem Elektromotor der Durchbruch nicht gelingen. Rund 4,7 Milliarden Euro verdienten die Stuttgarter im vergangenen Geschäftsjahr.

Die meisten Fördergelder unter den zehn profitabelsten Dax-Konzernen bekam Siemens. Von Windrädern über Fotovoltaikanlagen bis hin zu Leitungen zum Export von grünem Wüstenstrom nach Europa: Beim Bund sind 102 Projekte von Siemens gelistet, die - über ihre jeweilige Laufzeit - mit insgesamt knapp 108 Millionen Euro gefördert werden. Weltweit wurden für den Kauf oder die Herstellung von Sachanlagevermögen im vergangenen Geschäftsjahr Zuwendungen der öffentlichen Hand von 23 Millionen gewährt. Weitere Beiträge in Höhe von 98 Millionen Euro wurden als "öffentliche Zuwendungen für angefallene beziehungsweise künftige Aufwendungen gewährt", heißt es im Geschäftsbericht, der auch einen Konzerngewinn von 4,1 Milliarden aufführt.

Dienstag, 26. April 2011

BAZ: Nur noch 2 Prozent der Bevölkerung halten die Hälfte des gesamten Vermögens.

Die Zahl der Gehaltsmillionäre hat sich seit 1997 verfünffacht

Aktualisiert um 13:26 Uhr 37 Kommentare

Die Löhne der Gutverdienenden steigen laut dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund unverhältnismässig stark. Nur noch 2 Prozent der Bevölkerung halten die Hälfte des gesamten Vermögens.

Steigender Reichtum für wenige: Einkaufen an der Bahnhofstrasse in Zürich.

Steigender Reichtum für wenige: Einkaufen an der Bahnhofstrasse in Zürich.
Bild: Keystone

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Für den Bericht nahm der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) die Lohnentwicklung 1998 bis 2008 unter die Lupe, wie sein Chefökonom Daniel Lampart am Dienstag vor den Medien in Bern erklärte. Nach Abzug der Teuerung blieben den bestbezahlten 10 Prozent der Arbeitnehmer 10,3 Prozent mehr, das oberste halbe Prozent hatte sogar 28 Prozent mehr im Portemonnaie.

Die öffentlich kritisierten Managerlöhne einiger sind demnach nicht Einzelfälle, die Zahl der Gehaltsmillionäre stieg seit 1997 von 510 auf 2824. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wuchs in den zehn beobachteten Jahren um 9,1 Prozent. Gleichzeitig stiegen die mittleren und tieferen Löhne nur um 2 bis 4 Prozent.

Ungleiche Verteilung

Fazit: Der steigende Reichtum kommt einigen wenigen Spitzenverdienern zugute. Die Lohnschere ist kein Phänomen mit einzelnen Abzockern, sondern ein Strukturproblem. Eine der Hauptursachen ortet der SGB in den Bonuszahlungen und der individualisierten Lohnpolitik. Die Lohnanstiege verteilten sich in Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen gleichmässiger.

Dass die tiefen Löhne in dieser Entwicklung nicht noch mehr abgehängt wurden, begründet die Gewerkschaftsdachorganisation mit der Mindestlohnkampagne. Nicht nur bei den Löhnen selbst, auch bei den Belastungen auf den Löhnen macht die Untersuchung Verschiebungen zugunsten der Topverdiener dingfest. Die gemäss SGB oberschichtfreundliche Steuer- und Abgabenpolitik senkte diesen Budgetposten für eine Familie mit hohem Einkommen von 1998 bis 2008 um 5900 Franken im Jahr.

Vermögen verlagern sich «nach oben»

Tiefe Einkommen wurden dagegen kaum entlastet – im Gegenteil. Allein die gestiegenen Krankenkassenprämien belasten tiefe Einkommen mit 3100, mittlere mit 3000 Franken zusätzlich pro Jahr. Zwar stiegen die Prämien auch für reiche Haushalte, ihre Mehrbelastung fiel relativ gesehen aber geringer aus.

Unter dem Strich blieben einer vierköpfigen Familie mit hohem Einkommen 2008 real 14'800 Franken mehr als 1998. Die Vergleichsfamilie mit tiefem Einkommen hatte nur 300 Franken mehr. Nicht nur die Löhne, auch die Vermögen verlagerten sich gemäss der SGB-Erhebung «nach oben». Hielten 1997 noch 4,3 Prozent der Bevölkerung die Hälfte des gesamten Vermögens, waren es 2007 etwas über 2 Prozent.

Abkehr von den Boni

Die Gewerkschaften verlangen eine Umkehr in der Lohn- und Steuerpolitik. SGB-Präsident und Nationalrat Paul Rechsteiner (SP, SG) forderte generelle Reallohnerhöhungen und warb für die Mindestlohninitiative mit ihrem gesetzlichen Sockellohn von 22 Franken in der Stunde.

Die Unternehmen müssten den erwirtschafteten Mehrwert wieder transparent und gerecht weitergeben und nicht in Form von Boni individuell verteilen. In der Steuerpolitik sei die in der Ära von Alt-Finanzminister Hans-Rudolf Merz auf die Spitze getriebene «Bereicherung der Reichen» zu beenden. In der Sozialpolitik müsse die AHV gestärkt werden. (jak/sda)

Erstellt: 26.04.2011, 12:02 Uhr

Kommentare:

Marius Aschwanden

13:37 Uhr
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Eine CS-Studie besagt, dass wegen der Zuwanderung die Preise für Wohneigentum in der Schweiz in den letzten 10 Jahren im Durchschnitt um 49%, in der Region Zürich um 57%, und in der Region Genf um 100% gestiegen sind. Die mittleren Löhne sind gemäss obigem Artikel in diesem Zeitraum nur um 2 bis 4% gestiegen. Die Personenfreizügigkeit führt also zu einer massiven Abnahme des Wohlstands.

Antworten

Thomas Felber
14:51 Uhr
Melden 3 Empfehlungen

Mittels Besteuerung der Reichen, hätten alle etwas davon. Aber solange insbesondere die SVP unter dem Vorwand "Freiheit der Bürger" eine Steuerpolitik für die Reichsten unterstützt, passiert nichts. Die Krankenkassen-VR stopfen sich die Taschen voll und der Steuerzahler muss dann jene unterstützen, die es nicht bezahlen können. Pervers.


Valentin Rechsteiner

14:48 Uhr
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Sie bringen es auf den Punkt. Wohnen gehört genau wie die Nahrungsaufnahme zu den wenigen zentralen Bedürfnissen des Menschen. Wenn im Laufe von 10 Jahren ein solches Missverhältnis zwischen den durchs Wohnen verursachten Lebenskosten und den Einkünften entsteht, dann läuft etwas gewaltig schief. Wie können Politiker allen Ernstes behaupten, wir würden von der massiven Zuwanderung profitieren?


Dieter Wundrig

14:48 Uhr
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Denken Sie doch einmal nach! Weshalb ist die Schweiz ein Volk von Mietern und nicht von Eigentümern? Weil die Eidgenossenschaft auch schon einmal pleite und bettelarm war, alles musste den Banken übertragen werden. "Eigentum" in der CH gehört immer den Banken, das System ist das Problem, nicht die Einwanderer. Abbezahltes wirkliches Eigentum ist die Lebensversicherung, jedoch nicht in der CH.

Ernst Strickler

14:36 Uhr
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Wen arbeiten reich machen würde besässe der Esel schon längst die Mühle!

Ben Müller

14:15 Uhr
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2 Dinge sind interessant: die die viel haben kriegen viel mehr. Die die wenig haben kriegen wenig mehr. Aber das bedeutet eben auch, dass unter dem Strich (fast) alle mehr in der Tasche haben. Schere hin oder her. Und diese Entwicklung ist geeignet (kombiniert mit dem Traum à la Tellerwäscherkarriere) dass das System als nicht gar so schlecht gilt. Nicht alle denken so, aber sehr viele. Letztlich.

René Meyer

14:10 Uhr
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kein neid sondern fakt:
vermögende können einen teil ihres zuwachses bunkern/mit spekulationen eine blase erzeugen die platzt (weil luft)
kleinverdiener müssen ihren zuwachs ausgeben um zu (über)leben und bringen somit die realwirtschaft zum laufen
meine lohnerhöhung von0,3% wurde mehr als weggefresssen von kk und anderen erhöhungen,mir bleibt weniger um in die realwirtschaft zu "investieren"

Dienstag, 19. April 2011

PAZ: Portugal schlüpft unter den EU-Rettungsschirm.

Quittung für Jahre der Misswirtschaft

Trotz EU-Zahlungen verbesserte Portugal seine Wettbewerbsfähigkeit nicht – Eigentlich bleibt nur Insolvenz

15.04.11
Portugal muss sich erklären: Noch-Regierungschef Jose Socrates (l.) muss weitere Sparzugeständnisse machen als geplant. Der aus Portugal stammende EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wird anlässlich der Verhandlungen auch mit seinen Fehlern konfrontiert, denn auch er regierte das Land zeitweise. Bild: Photoshot

Nach Griechenland und Irland schlüpft nun auch Portugal unter den EU-Rettungsschirm. Das ärmste Land Westeuropas mit nur zehn Millionen Einwohnern soll mit 80 Milliarden Euro vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahrt werden. Als Gegenleistung für die Notkredite wird von dem Land ein Sparprogramm gefordert, das härter sein wird als das, mit dem die portugiesische Regierung erst vor kurzem gescheitert ist.

Schon bis zum 16. Mai sollen die Verhandlungen über die Hilfszahlungen und das von der EU geforderte Sanierungsprogramm beendet sein. Kurz danach sollen die ersten Gelder aus dem Rettungsfonds fließen – rechtzeitig, bevor am
15. Juni rund sieben Milliarden Euro für auslaufende portugiesische Staatsanleihen und Zinszahlungen fällig werden. Das von Brüssel geforderte Sanierungspaket soll erheblich tiefgreifender sein, als das Sparprogramm, das am 23. März dem Parlament vorgelegt worden war. Die Ablehnung des Sparkurses führte zum Scheitern der Regierung von Ministerpräsident Jose Socrates. Nach seinem Rück-tritt im März wurden Neuwahlen für den 5. Juni angesetzt. Die Verhandlungen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit der bis dahin amtierenden Übergangsregierung werden daher parallel zum Wahlkampf verlaufen. Ein politisches Risiko – die ersten Hilfszahlungen werden fließen, bevor das neu gewählte Parlament die Arbeit aufnimmt und in Lissabon eine handlungsfähige Regierung gebildet wurde.
Aus diesem Grund sollen neben der Übergangsregierung auch die großen Oppositionsparteien an den Verhandlungen mit der EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF eingebunden werden. Trotzdem bleibt die Gefahr, dass von einem künftigen Wahlsieger nach dem 5. Juni Nachverhandlungen gefordert werden. Ausgeschlossen ist auch nicht, dass es bei den Wahlen zu einem Linksruck kommt und eine neue Regierung dem gesamten Hilfspaket die Unterschrift verweigert. Aus diesem Grund gibt es in der EU Überlegungen, zunächst nur die Verhandlungen und Hilfszahlungen für das Jahr 2011 aufzunehmen und das Gesamtpaket für die Folgejahre 2012 und 2013 erst mit der im Juni neu gewählten Regierung zu verhandeln.
Trotz der fast aussichtslosen Lage der portugiesischen Finanzen hatte sich das Land bisher hartnäckig geweigert, den EU-Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen. Über den Anlass, warum es nun doch zum offiziellen Hilferuf an die EU kam, kursieren unterschiedliche Versionen: Der Chef des portugiesischen Bankenverbandes, Antonio de Sousa, behauptet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem Chef Jean-Claude Trichet die portugiesischen Banken aufgefordert haben soll, in einen Käuferstreik für Staatsanleihen des Landes zu treten, falls die Regierung sich weiterhin weigern sollte, ein Hilfegesuch an die EU zu richten.
Vom EZB-Chef Trichet wird diese Darstellung bestritten, sollte es sich aber tatsächlich so zugetragen haben, hätten die portugiesischen Banken, die am Tropf der EZB hängen, kaum eine Chance gehabt, sich einer solchen Aufforderung zu widersetzten.

Ausgeschlossen ist nicht, dass Portugal derart unter Druck gesetzt wurde – in Brüssel ist die Angst vor einem Übergreifen der Krise auf Spanien groß. Aber auch ohne Druck der EZB hat sich Portugal in den letzten Monaten nur noch mit Mühe am Kapitalmarkt halten können. Zuletzt mussten für einjährige Anleihen fast sechs Prozent Zinsen gezahlt werden, für fünfjährige Papiere musste Portugal mehr als neun Prozent anbieten. Zinssätze, die sich kein Staat lange leisten kann. Portugal ist anders als Irland nicht an einem maroden Bankensektor gescheitert, sondern die Krise hat strukturelle Gründe. Das Heimatland des Chefs der EU-Kommission, José Manuel Barroso, gilt nicht als ein Modell für Europa. Nach dem Beitritt zur EWG im Jahr 1986 hat das Land seit mittlerweile 25 Jahren Transferzahlungen aus dem übrigen Europa erhalten, ist aber nicht wettbewerbsfähiger geworden.
Eine industrielle Basis ist in dem Land nahezu nicht vorhanden, daran hat auch das Versagen des Bildungssystems einen Anteil. Nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben nur 28 Prozent der Portugiesen zwischen 25 und 64 Jahren eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Reifeprüfung.
Die Gesamtschulden Portugals sind inzwischen auf 92,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen. Im Jahr 2010 betrug das staatliche Defizit 8,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. An den angekündigten Notkrediten wird Deutschland voraussichtlich mit 25 Milliarden beteiligt sein. Allerdings ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Kredite nur ein Zwischenschritt hin zu einem Schuldenerlass sind. Ähnlich wie im Fall Griechenland geht kaum jemand davon aus, dass Portugal ohne einen solchen Schritt wieder auf die Beine kommen wird. Betroffen wären vor allem die größten Kreditgeber des Landes, die spanischen Banken. Sie sind mit etwa 70 Milliarden Euro in Portugal engagiert und haben selbst mit den Folgen einer Immobilienkrise zu kämpfen. Über den Umweg des EU-Rettungsschirms für Portugal hat Spaniens Bankensektor nochmals eine Gnadenfrist erhalten.
Norman Hanert

FAZ: Siemens Alltägliches Schmieren

Prozess gegen Siemens-Vorstand

Alltägliches Schmieren

Rainer Niedl sollte als „Compliance“-Beauftragter korrupte Geschäfte bei Siemens verhindern. Im Prozess gegen den früheren Vorstand Ganswindt hat er nun ausgesagt, wie er Bestechungen im Ausland sogar gedeckt hat - ohne Ganswindts Wissen.

19. April 2011 2011-04-19 14:02:17



Im Schmiergeld-Prozess gegen den ehemaligen Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt hat ein Zeuge freimütig Bestechungszahlungen zum Erhalt von Aufträgen eingeräumt. Auch nach der gesetzlichen Ausweitung des Bestechungsverbots auf Nicht-Amtsträger seien im Ausland Schmiergelder bezahlt worden, sagte der ehemalige Anti-Korruptionsbeauftragte der damaligen Telekommunikationsparte ICN, Rainer Niedl am Dienstag vor dem Landgericht München.

Anders seien Geschäfte in vielen Ländern nicht möglich gewesen. Den Angeklagten habe er darüber jedoch nicht informiert, sagte der inzwischen pensionierte Niedl. Ganswindt ist im Zusammenhang mit dem vor gut vier Jahren aufgedeckten Schmiergeldskandal bei Siemens wegen Steuerhinterziehung und vorsätzlicher Verletzung der Aufsichtspflicht angeklagt. Mit dem Manager muss sich seit Anfang April erstmals ein ehemaliges Mitglied des Konzernvorstands vor Gericht verantworten. Der 50-Jährige bestreitet die Vorwürfe.

Viel beschäftigt: Der Angeklagte Thomas Ganswindt soll von den Siemens-Bestechungen im Ausland nichts mitbekommen haben
© REUTERS
Viel beschäftigt: Der Angeklagte Thomas Ganswindt soll von den Siemens-Bestechungen im Ausland nichts mitbekommen haben

Wenn so ein Gesetz so plötzlich kommt, kann man so etwas nur langsam zum Stillstand bringen“, sagte Niedl über die Bestechungen. „Es gab Vereinbarungen mit den Kunden, die Zahlungen wurden geleistet entsprechend der Vereinbarungen. Das ist so weitergelaufen wie vorher.“ In zahlreichen Fällen habe er die Anweisungen sogar selbst unterschrieben. Gegen Niedl war in der Sache wegen Steuerhinterziehung ermittelt worden. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch ein. Dass seine eigentliche Aufgabe als sogenannter Compliance-Officer die Bekämpfung der Korruption innerhalb des Konzerns gewesen sei, stellte Niedl dem geschäftlichen Erfolg des Konzerns hintan. Wir wollten das Geschäft machen“, begründete der 66-Jährige vor Gericht.

In vielen Dritte-Welt-Ländern habe man nicht einmal die selbstverständlichste Dienstleistung ohne Schmiergeld bekommen. Bei einer Reise nach Nigeria sei sein Koffer auf dem Rollband des Flughafens beispielsweise erst aufgetaucht, nachdem er einem Beamten seinen Pass mit einem Fünf-Dollar-Schein gereicht habe. „Auf der großen Ebene ist es natürlich wesentlich mehr gewesen.“

Eine Bestätigung für die Vorwürfe gegen Ganswindt lieferte Niedl allerdings nicht. Der frühere Vorstand sei viel zu sehr mit seiner Hauptaufgabe, dem Umbau der in der Krise befindlichen Telekommunikationsparte und dem Abbau von Arbeitsplätzen beschäftigt gewesen, als sich auch noch um Compliance zu kümmern, sagte Niedl. Generell habe man davon abgesehen, Vorstandsmitglieder von Bestechungsfällen zu informieren.

Ganswindt war von 2004 bis 2006 im damaligen Zentralvorstand des Elektrokonzerns für den Telekommunikationsbereich zuständig, in dem der Schmiergeldskandal seinen Anfang nahm. Insgesamt sollen bei Siemens rund 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen zur Erlangung von Auslandsaufträgen geflossen sein.

Text: FAZ.NET mit dpa
Bildmaterial: REUTERS


Montag, 18. April 2011

FAZ: Finnland:Euro Gegner erreichen hohen Stimmenanteil

Die „Wahren Finnen“

„Wir waren zu weich gegenüber Europa“

Mit ihrer Protest-Agenda haben es die „Wahren Finnen“ in den Kreis der vier großen Parteien Finnlands geschafft. Es ist ein Sieg des Timo Soini. Ein Sieg des Populisten. Große Verliererin der Wahl ist Ministerpräsidentin Kiviniemi.

Von Matthias Wyssuwa

Soini: „Das ist ein historischer Wechsel.“Soini: „Das ist ein historischer Wechsel.“

18. April 2011 2011-04-18 15:31:04

Als er seinen Stimmzettel in die Wahlurne warf, hatte Timo Soini noch den blauen Fanschal einer englischen Zweitliga-Mannschaft um den Hals gelegt. Der FC Millwall ist ein Arbeiterverein aus London, ein Löwe in drohener Pose ziert den Schal. Am späten Abend dann stand Soini in Anzug und Krawatte vor seinen Anhängern im Haus einer Studentenverbindung in Helsingfors und sprach von „den alten Parteien“, die der Wähler bestraft habe. Der Jubel war kräftig, es gab „Timo, Timo“-Rufe. 19 Prozent der Finnen gaben bei den Parlamentswahlen am Sonntag den „Wahren Finnen“ ihre Stimme. Es ist ein Sieg des Timo Soini. Ein Sieg des Populisten. Ein Sieg gegen die EU und die „alten Parteien“. Soini sagte: „Das ist ein historischer Wechsel.“

Für die Wahlen in Finnland scheint selbst die Einordnung „historisch“ nicht unangemessen, das Ergebnis sprengt ein eingefahrenes Parteiensystem auf. In den vergangenen Jahrzehnten ging es vor allen darum, wer aus dem Kreis der drei großen Parteien – der agrarischen Zentrumspartei, den Sozialdemokraten und der konservativen Sammlungspartei – die Führung und somit das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt. Zwei der Drei koalierten miteinander, man holte sich kleine Parteien für eine breite Mehrheit hinzu. Die dritte Partei wartete derweil in der Opposition, darauf bedacht, die möglichen künftigen Partner nur nicht zu brüskieren. In den vergangenen vier Jahren regierten die Zentrumspartei und die Sammlungspartei gemeinsam mit den Grünen und der Partei der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland, der Schwedischen Volkspartei. Seit dem Ende des Wahlabends am Sonntag aber gibt es nicht mehr nur drei große Parteien in Finnland: Mit den „Wahren Finnen“ ist eine vierte hinzugekommen.

Gegen Homo-Ehe und Abtreibung Sie kritisierten die Europäische Union als zu teuer und zu uneffektiv.

Schmerzhafte Niederlage: Ministerpräsidentin Mari KiviniemiSchmerzhafte Niederlage: Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi

Die Umfragewerte für die populistische Partei waren in den vergangenen Monaten stets gut, doch das Wahlergebnis ist noch besser: Mit 19 Prozent der Stimmen konnten die „Wahren Finnen“ ihr Ergebnis von der letzten Parlamentswahl fast verfünffachen, nur knapp liegen sie hinter der Sammlungspartei und den Sozialdemokraten. Die Zentrumspartei der Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi überholten sie deutlich. Nach nur zehn Monaten im Amt muss sie die Villa des Ministerpräsidenten wieder verlassen, auch der Absturz ihrer Partei verdient sich die Einordnung „historisch“. Im Wahlkampf hatten sich die „Wahren Finnen“ als Protestpartei geriert, als Alternative zu den „Etablierten“.

Sie traten für „finnische Werte“ ein, sie verlangten eine restriktive Einwanderungspolitik, lehnten die Homo-Ehe ab und auch Abtreibung. Vor allem aber kritisierten sie die Europäische Union als zu teuer und zu uneffektiv. Bei Wahlkampfauftritten wetterte Soini gegen den EU-Rettungsmechanismus, Finanzhilfen für Griechenland, Irland und Portugal lehnte er ab. Zu den ersten wichtigen Entscheidungen des neuen Parlaments wird in wenigen Wochen gerade die Abstimmung über den EU-Rettungsmechanismus gehören. Am Montag sagte Soini nach Agenturangaben: „Wir waren bisher zu weich gegenüber Europa. Das muss sich ändern.“

Die Forderungen der „Wahren Finnen“ werden künftig Jyrki Katainen Kopfschmerzen bereiten. Er ist der Wahlgewinner im Schatten von Soini. Mit 20,4 Prozent wurde seine Sammlungspartei stärkste Kraft – zum ersten Mal überhaupt. Der 39 Jahre alte bisherige Finanzminister dürfte so auch der nächste Ministerpräsident Finnlands werden, aber erst muss er seine Regierung bilden – und die Partner in Europa beruhigen. Schon am Wahlabend sagte er mit Blick auf die anderen europäischen Hauptstädte: „Finnland war immer schon ein verantwortlicher Problemlöser, nie ein Problemverursacher.“

Wie Katainen es schaffen will, auch gemeinsam mit den „Wahren Finnen“ nicht zu einem Problemverursacher in Europa zu werden, ist noch offen. Dass die Populisten aber an der nächsten Regierung beteiligt werden, gilt als sehr wahrscheinlich. Zu stark hat die Partei hinzugewonnen, als dass sie sich ausgrenzen ließe. Auch rechnen Beobachter damit, dass die „Wahren Finnen“ sich in der Regierung immerhin recht schnell entzaubern ließen – außer Soini gehören ihnen kaum erfahrene oder bekannte Politiker an. Katainen hatte sich im Wahlkampf bemüht, nur keine Gräben zwischen ihm und Soini aufreißen zu lassen. Offene Angriffe gab es nicht.

Schon vor der Wahl ist die Sammlungspartei den „Wahren Finnen“ auch bei ihrer Position zur Einwanderungspolitik entgegengekommen: Strengere Regeln für den Familiennachzug würden geprüft. Doch werden sich in den Koalitionsverhandlungen vor allem zwei Wahlkampfversprechen gegenüber stehen: Die Zustimmung zu den EU-Rettungsmechanismen für Portugal und Co. (Katainen) gegen die strikte Ablehnung (Soini). An dieser Frage wird sich die Regierungsbildung entscheiden – und Finnlands künftige Rolle in Europa. Katainen sagte dazu: „Wenn verantwortliche Menschen an einem Tisch sitzen und Themen von finnischem Interesse diskutieren, dann werden sich immer Lösungen finden lassen.“ Soini sagte Ähnliches, auch wenn er die Sauna als Verhandlungsort vorschlug.

Schwedisch als Pflichtfach abzuschaffen

Die „Wahren Finnen“ werden Jyrki Katainen Kopfschmerzen bereitenDie „Wahren Finnen“ werden Jyrki Katainen Kopfschmerzen bereiten

Ebenso offen ist, wer noch in die Regierung einzieht. Sammlungspartei und „Wahre Finnen“ kommen im neuen Parlament gemeinsam auf 83 von 200 Sitzen. Die Zentrumspartei fällt offenbar als Partner aus: Mari Kiviniemi sagte am Wahlabend, mit dem Ergebnis „werden wir uns in der Opposition wiederfinden“. Die Sozialdemokraten dürften dafür im Gegenzug die Oppositionsbänke verlassen. Bei vielen Programmpunkten sind sie nicht weit von den „Wahren Finnen“ entfernt, bei den EU-Finanzhilfen wollen sie zumindest die Finanzierung neu verhandeln, Banken und Investoren stärker belasten. Vor der Wahl zählte ein Kandidat der „Wahren Finnen“ in Helsinki einmal seine Lieblingskoalitionen auf: Die Sozialdemokraten gehörten stets zu den bevorzugten Partnern. Die Sammlungspartei galt ihm als Notlösung. Gemeinsam könnten die Parteien nun bald die neue Regierung Finnlands bilden.

Nur eine Partei ist dann wohl nicht mehr dabei, die in der Vergangenheit stets mitregierte: Seit gut drei Jahrzehnten sitzt die Schwedische Volkspartei in der Regierung, in allen möglichen Konstellationen stellte sie Minister. Die „Wahren Finnen“ aber haben im Wahlkampf gefordert, Schwedisch als Pflichtfach an finnischen Schulen abzuschaffen. Die Schwedische Volkspartei dürfte daher wohl freiwillig in die Opposition wechseln – auch das wäre dann historisch zu nennen.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AFP, dpa, REUTERS

Donnerstag, 14. April 2011

Zeit: Schäuble und EADS verleihen Polizisten an Saudi Arabien

Saudi-Arabien Zweifelhafter Einsatz der Bundespolizei

Rund 30 Bundespolizisten bilden in Saudi-Arabien Grenzer aus – mit zweifelhaftem Rechtsstatus. Das Projekt dient auch Interessen der Industrie.

Der Grenzposten al-Wadia zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen. (Archivbild)

Der Grenzposten al-Wadia zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen. (Archivbild)

Bei sengender Sonne in einem Ausbildungslager in der Wüste saudische Grenzer auszubilden, gehört nicht zu den Traumjobs eines deutschen Polizisten. Vor allem nicht, wenn in den Nachbarländern Irak und Jemen Bürgerkrieg herrscht, und in Bahrain und Jordanien das Volk aufbegehrt. Doch die Beamten der Bundespolizei sind heikle Aufträge gewöhnt: In Deutschland schützen Bundespolizisten radioaktiven Müll, der in Castor-Transporten in Richtung Zwischenlager rollt, und stehen bei Fußballspielen zwischen verfeindeten Fans. Im Ausland bewachen sie deutsche Botschaften und bilden Kollegen aus – etwa in Afghanistan. Die Mission der Bundespolizisten in Saudi-Arabien wirkt daher auf den ersten Blick wie eine unter vielen. Doch der Einsatz der Polizisten in dem arabischen Land kam unter merkwürdigen Rahmenbedingungen zustande. Er erzürnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Opposition im Bundestag.

Denn zwischen der Entsendung der deutschen Beamten und dem Abschluss eines Rüstungsvertrages über mehrere Milliarden Euro bestehe ein direkter Zusammenhang, berichtet das ARD-Magazin Fakt vorab. Am Montagabend wird Fakt über ein Geschäft zwischen Saudi-Arabien und dem europäischen Rüstungsriesen EADS berichten, das anscheinend nur Dank der Hilfe deutscher Behörden möglich wurde: die Errichtung einer umfassenden Grenzsicherungsanlage in Saudi-Arabien. Durch Recherchen des MDR wurde aufgedeckt, dass deutsche Polizisten geradezu zur "Verhandlungsmasse" bei dem Vertragsabschluss geworden sein sollen, da die Saudis auf die Ausbildung ihrer Grenzer durch deutsche Beamte bestanden hätten.

Im Mai 2009 besuchte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble Saudi-Arabien. Ein "Thema des Besuchs" war laut der Bundespolizei "die Unterstützungsleistungen Deutschlands für Saudi-Arabien bei der Modernisierung seiner landesweiten Grenzsicherung". In einer Mitteilung hieß es: "Im Rahmen dieser bilateralen grenzpolizeilichen Zusammenarbeit führen Experten der Bundespolizei seit Beginn diesen Jahres Trainingsmaßnahmen zur Qualifizierung von Führungskräften des saudischen Grenzschutzes durch."

Wenige Tage nach dem Ministerbesuch in Riad dürften in der Chefetage des Rüstungskonzerns EADS die Champagnerkorken geknallt haben – der Milliardenvertrag war unterschriftsreif. Stolz teilte das europäische Rüstungskonsortium im Juni 2009 mit, das Königreich Saudi-Arabien als Kunden für ein Megaprojekt gewonnen zu haben. "Bei diesem international stark umkämpften Vertrag, der in den kommenden fünf Jahren abgewickelt wird, handelt es sich um das weltweit größte Projekt, das jemals als Gesamtlösung vergeben wurde", hieß es damals in einer Pressemeldung. Auch in einem Ausblick bis 2020 bezeichnet EADS das Grenzsicherungssystem für Saudi-Arabien als eines der wichtigsten Projekte des Konzerns. Andere Staaten wie Algerien haben bereits Interesse an ähnlichen Anlagen angemeldet. EADS war für eine Stellungnahme am Wochenende nicht zu erreichen.

Die enge Kooperation mit der Bundespolizei erwähnte EADS nicht. Doch die dauerhafte Entsendung von 30 bis 40 deutschen Beamten nach Saudi-Arabien beunruhigt die GdP. "Wir wussten, dass die Bundespolizei in Riad ein Projektbüro eingerichtet hat", sagt Jürgen Stark, Vorstandsmitglied der GdP-Bundespolizei. "Was wir nicht wussten war, dass es eine so enge Verknüpfung zur Firma EADS gibt. Der Konzern hat den Auftrag wohl nur bekommen, weil deutsche Polizisten die Ausbildung übernommen haben. Erstmals wird die deutsche Polizei zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen genutzt."

Stark, der bei der Gewerkschaft für Auslandseinsätze der Bundespolizisten zuständig ist, prangert gegenüber ZEIT ONLINE die "fehlende Rechtsgrundlage" der Mission in Saudi-Arabien an: Die Gewerkschaft habe vom Bundesinnenministerium bis heute nicht das Abkommen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien erhalten, das die Zusammenarbeit der Behörden regelt. Die GdP hat über Umwege erfahren, das darin lediglich ein Informationsaustausch vorgesehen ist.

Das bestätigt der MDR, dem das Abkommen vorliegt. Darin werde die Entsendung von Beamten nicht erwähnt, heißt es beim Mitteldeutschen Rundfunk. Lediglich die Zusammenarbeit auf Informationsebene werde präzisiert. Das Interesse in der westlichen Welt an Informationen aus der Region ist seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hoch – aus Saudi-Arabien stammten die meisten der Attentäter. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Saudi-Arabien im Sicherheitsbereich bestand aber bereits viele Jahre vor dem Terrorangriff auf die USA. Der Gründer der deutschen Anti-Terror-Einheit GSG9 beriet die Saudis beispielsweise beim Aufbau einer Spezialtruppe.

Das saudische Regime gilt im Westen als wichtiger Verbündeter. Der Bundessicherheitsrat stimmte in der Vergangenheit immer wieder Rüstungsexporten deutscher Firmen in das arabische Land zu. Saudi-Arabien finanziert mit den Einnahmen aus der Ölförderung den Kauf von Kampfjets, Kriegsschiffen und Sicherheitstechnik. Allein 2009 investierte Riad 41 Milliarden Euro in die Ausrüstung seiner Streitkräfte. Das Land hat den höchsten Sicherheitsetat in der Region. Davon wollen viele europäische und amerikanische Rüstungsfirmen profitieren. "Wir müssen jetzt dahin, wo die Militärausgaben zweistellig steigen, wie etwa in Indien, Brasilien oder dem Mittleren Osten", sagte Cassidian-Vorstandschef Stefan Zoller der Financial Times Deutschland Ende März. Cassidian gehört zum Konzern EADS und bündelt dessen Rüstungssparte.

Die GdP kritisiert, dass Deutschland dem Konzern anscheinend indirekt bei der Kundenakquise geholfen habe. Der Bundestag sei darüber nicht informiert worden, sagt Stark. "Die Innenpolitiker sind erstaunt, wie die Dinge gelaufen sind. Wir fordern, dass ein Entsendegesetz für Polizisten auf den Weg gebracht wird und dass das Parlament in die Auslandseinsätze der Bundespolizei einbezogen wird."

In der Vergangenheit habe es mehrere parlamentarische Anfragen zu Einsätzen deutscher Polizeibeamter im Ausland gegeben, berichtet der MDR. Die Anzahl der eingesetzten Polizisten in Saudi-Arabien sei von der Bundesregierung nur mit einem Sicherheitsbeamten angegeben worden. Innenpolitiker der Grünen äußerten sich gegenüber Fakt empört über die Informationspolitik des Kabinetts: "Die haben uns hinter die Fichte geführt", sagte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland. Er forderte, dass die Verträge zwischen Bundesinnenministerium und EADS offengelegt werden.

Das dürfte beiden Parteien nicht gefallen. Denn EADS bezahle ein Extra-Honorar an die Ausbilder in Saudi-Arabien, berichtet Stark, weil die Beamten nicht wie üblich einen Auslandszuschuss vom Staat bekämen. Die Polizisten vor Ort haben den Gewerkschaftern noch weitere merkwürdige Details der Mission verraten. So müssten die deutschen Polizisten alle 30 Tage Saudi-Arabien verlassen und ins benachbarte Bahrain reisen, weil es kein Visa-Abkommen für den Einsatz gebe. Nach zwei Tage bekämen die Polizisten dann ein neues Visum in Riad ausgestellt. Die Beamten würden zudem lediglich ihren Dienstausweis verwenden und verfügten nicht über einen Diplomatenpass und damit auch nicht über eine Immunität. "Das ist nicht normal", sagt der Gewerkschafter. "Mit Afghanistan gibt es beispielsweise ein Staatsabkommen, das den Status der deutschen Beamten regelt. Was passiert, wenn die deutschen Polizisten in Saudi-Arabien rechtliche Probleme bekommen? Wer holt sie dann raus?"

Ungefährlich ist der Auftrag der deutschen Beamten nicht. Gegen die Errichtung des Grenzzauns zum Jemen protestierte bereits die Bevölkerung in der Region Dschisan. Die Stämme dort leben seit Jahrhunderten auf beiden Seiten der Grenze. Im November 2009 starb ein saudischer Grenzpolizist bei einer Auseinandersetzung mit jemenitischen Rebellen. In dem Nachbarland kämpfen Aufständische im Norden und Süden sowie Terroristen gegen die Regierung in Sanaa. Saudi-Arabien mischt sich mit Kampfjets und seiner Marine immer wieder in die Kämpfe ein.

Unter Sicherheitsexperten gilt die Grenze zum Jemen als kaum zu kontrollieren. Sie verläuft durch Gebirge und durch die Wüste Rub al-Khali. In der Grenzregion operieren Schmuggler und radikale Gruppen. Jemeniten transportieren heimlich die Droge Qat nach Saudi-Arabien, Schlepper schleusen illegale Migranten in das reiche Land.

Die deutschen Polizisten zeigen ihren saudischen Kollegen, wie sie Personenkontrollen durchführen und mit der Hightech made in Germany Fahrzeuge verfolgen können. Das Training könnten auch Mitarbeiter von EADS machen, sagt Stark. Aber die deutschen Polizisten genössen hohes Ansehen im Ausland. "Was würde passieren, wenn die Bundespolizei die Beamten abziehen würde?", fragt Jürgen Stark. "Verlöre EADS dann den Auftrag?" Diese Fragen dürften theoretisch bleiben. Denn für 2012 und 2013 suche das Bundesinnenministerium anscheinend noch mehr Beamte als momentan für den Einsatz in Nahost, heißt es bei der GdP. Saudi-Arabien will künftig auch den Schutz seiner Küste verbessern und dabei wie gehabt auf die Unterstützung seiner deutschen Freunde setzen.

LESEN!!!MeinBezirk: Wirtschaftsprofessor Hörmann: Wer Bankschulden zurückzahlt, macht einen Fehler

„Staatsbankrott noch heuer“

(31.03.11) Wirtschaftsprofessor Hörmann: Wer Bankschulden zurückzahlt, macht einen Fehler

Franz Hörmann, Gastprofessor an der Linzer JKU, übt viel Kritik am aktuellen Wirtschaftssystem. Er spricht über Banken und darüber, wie unser Geld demnächst verschwindet.



BezirksRundschau: Wann, wie und wodurch wird das Geld verschwinden?

Franz Hörmann: Noch heuer durch den kompletten Staatsbankrott. Wenn sowohl die Vereinig-ten Staaten als auch die größten europäischen Länder nicht einmal noch die Zinsen auf die Staatsschuld bezahlen können, ist das die Definition des Staatsbankrotts. Das hat unmittelbar zur Konsequenz, dass sämtliche Staatsanleihen, die ja als Deckung des Geldes gelten, wertlos sind. Damit ist dann auch das Geld wertlos. Das ist eine einfache Sache und passiert mathematisch zwingend in diesem Jahr.

BezirksRundschau: Das heißt eine Hyperinflation?

Hörmann: Nein. Einfach Wertlosigkeit. Dem Großteil der heutigen Bevölkerung wird das Geld einfach ausgehen. Sie werden es gar nicht mehr kriegen, weil sie kein Einkommen mehr haben. Es wird Arbeitslosigkeit geben in einem unglaublichen Ausmaß, weil keiner mehr Produkte kaufen kann. Menschen die heute nämlich ihre Bankschulden zurückzahlen, machen einen großen Fehler, denn dadurch wird Geld vernichtet. Jeder der jetzt sagt, wir befinden uns in einer Krise, ich spare und zahle Schulden zurück macht genau das Verkehrte. Schulden zurückzuzahlen, auch Staatsschulden, ist ein Fehler, weil durch Schulden Geld erzeugt und durch Rückzahlung vernichtet wird.

BezirksRundschau: Wie?

Hörmann: Durch den Buchungssatz. Wenn eine Forderung ausgebucht wird, ist das Geld als rechtliches Zahlungsmittel weg. Es geht ja nicht um die Zettel oder um die Münzen. Es geht auch nicht um die elektronischen Pünktchen. Es geht um den Buchungssatz. Durch eine Bilanzverlängerung wird es erzeugt und durch eine Bilanzverkürzung wird es vernichtet. Es ist dann rechtlich gesehen weg. Und das Geld, das Banken als Kredit verleihen, haben sie ja gar nicht. Wenn eine Bank einen Kredit von 100 zur Verfügung stellt, dann hat sie das Geld nicht. Welches Risiko hat somit die Bank?

BezirksRundschau: Null?

Hörmann: Null Risiko, richtige Antwort. Sie muss nach dem Gesetz der Mindestreservevorschriften nur 2 Prozent haben. Wenn die Bank nur 2 Prozent des Geldes wirklich hat, aber 6 Prozent Zinsen kassieren darf, hat sie eine Gewinnspanne von 200 Prozent. So eine Gewinnspanne hat man sonst nur bei Drogenhandel und Prostitution. Nein Moment, die Erdölwirtschaft hat 800 Prozent. Und weil ja Banken selbst im Kredit Geld erzeugen können, können sie natürlich jederzeit ihr Eigenkapital erzeugen. Daher hebeln sich Eigenkapitalgrenzen, wie Basel 2 sowieso aus. Basel 2 ist übrigens eine Erfindung der amerikanischen Banken. In Amerika selbst wurde es nie eingeführt. Es dient nur als Waffe gegen ausländische Banken.

BezirksRundschau: Dient Basel 2 den Banken nicht als Schutz?

Hörmann: Jeder, der behauptet Bankrun oder so etwas hat mit Eigenkapital zu tun, der kriegt ein Nicht-Genügend in Buchhaltung. Das ist einfach idiotisch und falsch. Aber natürlich sagen das Banker. Auch der Governor Novotny hat gesagt: Die Kredite sind durch die Einlagen der Sparer gedeckt. Und jetzt muss man ihm sagen, er versteht die Bankbilanzen nicht. Denn was sind denn Spareinlagen in der Bankbilanz? Das sind Schulden für die Bank. Das ist Geld, das die Bank den Sparern schuldet. Und wie kann ich denn mit Schulden Kredite decken? Denn die Münzen, die Scheine, das Geld, das behält die Bank nicht. Das ist nicht der Dagobert Duck. Die schmeißen das nicht in den Tresor und baden drinnen. Das ist sofort wieder irgendwo am Kapitalmarkt, wird verzockt und kommt vielleicht wieder zurück vielleicht aber auch nicht.

BezirksRundschau: Österreich geht also so bankrott wie Griechenland?

Hörmann: Alle Staaten werden zwangsläufig bankrott gehen, weil die Schulden gar nicht rückzahlbar sind. Das ist denkunmöglich, weil das Geld gar nicht vorhanden ist. Wenn man sagt, es liege auf den Sparbüchern, dann ist das eine Idiotie, denn als Zahlungsmittel ist es nicht vorhanden. Das ist ein Eintrag in eine Buchungszeile und sind Schulden der Banken. Wir haben heutzutage die Situation, dass Münzen und Bankscheine gesetzliche Zahlungsmittel sind. Das sogenannte Buchgeld ist aber kein gesetzliches Zahlungsmittel, das ist nur eine Forderung. Wenn Sie heute ihr Geld auf die Bank tragen, dann gehört es Ihnen nicht mehr. Sie geben damit Ihr Eigentum auf. Denn die Bankeinlage kommt in die sogenannte Sammelverwahrung der Bank. Dort haben sie nur mehr eine Forderung auf ihr Geld. So kann die Bank jederzeit sagen: Tut mir leid, ich habe das Geld verspielt oder hergeschenkt oder selbst verkonsumiert, Sie kriegen es nicht mehr. Das ist in der heutigen Form der Bank gesetzlich zulässig.

BezirksRundschau: Verschuldet sich der Staat am Kapitalmarkt?

Hörmann: Nein, nicht am Kapitalmarkt, er ist bei den Privatbanken verschuldet. Den Kapitalmarkt als Institution gibt es nicht. Das ist ja nur ein Wortspiel. Es gibt ja nur die Teilnehmer am Kapitalmarkt. Diese spielen untereinander Spiele. Das ist so, wie in einem Pokerzimmer. Sie schulden dem Pokerzimmer nichts. Sie schulden den individuellen Spieler etwas. So schuldet der Staat den einzelnen Banken etwas. Das ist natürlich vollkommen absurd, grotesk und skurril, denn die Banken, bei denen der Staat selber verschuldet ist, sind genau die Banken, die er jetzt mit Steuern gerettet hat. Das ist der Schwachsinn in diesem Konstrukt.

BezirksRundschau: Unser Geld verschwindet, was kommt dann?

Hörmann: Als erstes kommt so etwas wie funktionales Geld, wie Lebensmittelmarken, um die Grundbedürfnisse zu decken.

BezirksRundschau: Regionalwährungen?

Hörmann: Nein, das kann nicht funktionieren. Die haben keine Chance, weil sie immer nur in einer viel zu kleinen Region gelten.

BezirksRundschau: Beim Freigeld von Wörgl in Tirol hat das aber sehr gut funktioniert?

Hörmann: Nein, das kann auch nicht funktionieren, weil damals hat man zur Deckung von Freigeld 7000 Schilling in eine Bank eingelegt, und das haben wir ja dann nicht. Wir schöpfen uns einfach selber das Geld aus der Luft, das wir haben wollen, das ist überhaupt kein Problem.
Währungen an sich gibt es nämlich überhaupt nicht. Weil wir mit Geld immer einen Preis bezahlen. Aber ein Preis ist ein Wertverhältnis, eine dimensionslose Größe. Das heißt etwas wie Schilling, Euro, Dollar, Yen, Pfund, das ist ein vollkommener Unsinn, weil eine Relation keine Dimensionszahl besitzen kann. Dieses Anhängsel, Dollar, Euro, Pfund, war ursprünglich ein Hoheitszeichen. Das haben die Herrscher in ihren Königreichen angehängt als Transaktionserlaubnisschein. Die haben gesagt: das ist mein Siegel, damit erlaube ich eine wirtschaftliche Tätigkeit in meinem Herrschaftsgebiet. Dann hat man das blöderweise als Wert betrachtet, um damit zu spekulieren. Das ist ein Hoheitswappen, das man als Wert betrachtet und irgendwo verhökern will – das ist krank. Es ist ein Hoheitszeichen und sonst nichts.

BezirksRundschau: Sie sprechen Hoheiten an. Inwieweit ist unser Wirtschaftssystem ein Erhaltungssystem geschaffen für „Eliten“?
 
Hörmann: Zu hundert Prozent, es war nie etwas anderes. Die Familienmitglieder und Freunde der Politiker haben ihre eigenen Banken
und können denen – wann immer sie wollen – Kredite, Vorzugsaktien, Wertpapiere, von denen sie wissen, dass der Kurs steigt, und laufend risikolose Gewinne zukommen lassen. Massenweise und nur so. Das geht wie man sieht in Kärnten sogar auf Landesebene. Wahrscheinlich sogar auf der Gemeindeebene, wenn es eine Gemeindebank ist. Banken sind private Geldpressen.

BezirksRundschau: Der Ökonom Stephan Schulmeister hat an der Linzer Uni kürzlich gesagt, die Wirtschaftswissenschaft ist eine autistische Wissenschaft. Was sagen sie dazu?

Hörmann: Die Veränderungen, die wir jetzt momentan haben, werden dazu führen, dass es Wirtschaftswissenschaften gar nicht mehr geben wird. Wirtschaftswissenschaften haben schon jetzt, so wie sie heute in den Lehrbüchern steht, keine Existenzberechtigung mehr. Überhaupt keine. Jeder, der heute so etwas noch vorträgt, der muss das wirklich vor seinem eigenen Gewissen verantworten können. Wir brauchen Psychologie, wir brauchen Soziologie, wir brauchen Technologie und wir brauchen ein anderes Menschenbild. Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften sind keine Wissenschaften. Weil etwas, das ich nicht überprüfen kann, das ich aber aus Gründen, die ich nicht erklären kann, anderen als Norm vorgeben will, kann man nicht mit Wissenschaft rechtfertigen. Das sind nichts anderes als Fassaden zur Aufrechterhaltung von Herrschaftsmustern. Diese brechen jetzt zusammen, durch die freie Informationsvernetzung.

BAZ: Hochinformatives Interview über die Wirtschaftsentwicklung mit Jeremy Grantham

«Bernanke pumpt eine weitere Blase auf»

Von Mark Dittli, Finanz und Wirtschaft. Aktualisiert um 11:44 Uhr 13 Kommentare

Der Chef des Bostoner Vermögensverwalters GMO, Jeremy Grantham, hält Aktien für überbewertet und warnt vor grossen Risiken am Bondmarkt.

Wenige Investoren haben in den vergangenen Jahren so viel Klarsicht bewiesen wie Jeremy Grantham. Der Gründer des Bostoner Vermögensverwalters GMO warnte vor 2007 wiederholt vor einem Kollaps am US-Immobilienmarkt und vor einem Börsencrash. Im März 2009, auf dem Höhepunkt der Marktpanik, empfahl er in einem Kundenbrief mit dem Titel «Reinvesting When Terrified» den Kauf von Aktien. Heute ist er skeptisch. Die Aktienmärkte seien als Folge der enorm expansiven Geldpolitik der US-Notenbank bereits überbewertet, während der Bondmarkt für Investoren «tödlich» sei – ein Riesendilemma für Anleger, sagt Grantham. Er rät zum Aufbau von Cashreserven.


Herr Grantham, Sie haben wiederholt gewarnt, die US-Notenbank begünstige mit ihrer laschen Geldpolitik an den Vermögensmärkten neue spekulative Übertreibungen. Wo sehen Sie heute bereits klare Signale von Preisblasen?


Die Immobilienmärkte Grossbritanniens und Australiens stehen eindeutig in einer Blase. Beides sind komplizierte Märkte, aber wir gehen davon aus, dass die Häuserpreise dort kräftig korrigieren werden. Wenn das geschieht, wird es gefährlich für britische und australische Banken. Des Weiteren weisen so ziemlich alle Segmente des Rohstoffsektors klare Blasencharakteristiken auf. Die Nachfrage aus Ländern wie China, kombiniert mit der Erkenntnis, dass die Ressourcen endlich sind, hat die Preise zu stark steigen lassen.


Stimmt diese «Story» denn nicht?


Doch, schon. Wir haben es im Rohstoffsektor mit einem echten Paradigmenwechsel zu tun (vgl. Textbox, Anm. d. Red.). Ich gehe davon aus, dass die Preise auf ein permanent höheres Plateau steigen. Bloss wurde diese Entwicklung an den Finanzmärkten viel zu kräftig vorweggenommen, sodass zum Paradigmenwechsel noch eine spekulative Blase entstanden ist. Wenn sie platzt, wird sich für Langfristinvestoren im Rohstoffsektor eine einmalige Kaufgelegenheit bieten.


Wann wird das sein?


Wahrscheinlich in den nächsten ein, zwei Jahren. Die Umstellung des chinesischen Wachstumsmodells von einer investitions- zu einer konsumgetriebenen Wirtschaft wird die Grenznachfrage nach Rohstoffen sinken lassen. Auch China kann nicht unendlich viele Strassen, Bahnstrecken und leere Wohnhäuser bauen. Sobald das Land eine Teepause einlegt, werden die Preise ins Rutschen kommen.


Wie sieht die Situation an den Aktienmärkten aus? Vor einem Jahr sagten Sie in unserem Gespräch, der Weg des geringsten Widerstands weise nach oben.


Das ist immer noch der Fall. Wenn Sie das Jahr 2010 Revue passieren lassen, zeigt sich ein klares Bild: Von April bis August sanken die Aktienmärkte, ein konjunktureller Rückfall in den USA wurde immer wahrscheinlicher. Im August begann Fed-Chef Ben Bernanke, weitere quantitative Stimuli – QE2 – in Aussicht zu stellen. Seither steigen die Börsen wieder. Bernanke lässt keinen Zweifel in seiner Absicht, den Aktienmarkt aufzupumpen. Zudem steht der US-Präsidialzyklus in seinem dritten Jahr – und das ist historisch betrachtet jeweils das mit Abstand beste Jahr für die Börsen. Ich denke daher, dass die Märkte noch bis Oktober weiter steigen werden.


Und wie hoch werden sie steigen?


Bis vor wenigen Monaten habe ich von einem Stand von 1400 bis 1600 für den S&P-500-Index gesprochen. Das liegt 5 bis 20% über dem gegenwärtigen Niveau. Zwei Faktoren üben jedoch einen dämpfenden Effekt aus: der hohe Ölpreis sowie Unterbrüche in der globalen Beschaffungskette als Folge der Katastrophe in Japan. Der S&P 500 dürfte daher bis Oktober eher am tieferen Ende meiner Schätzung zu liegen kommen.


Das QE2-Programm des Fed läuft im Juni aus. Was folgt danach?


Die US-Wirtschaft ist noch schwach. Sie bewegt sich einen Schritt vorwärts und einen Dreiviertelschritt zurück. Der hohe Ölpreis und der dämpfende Effekt aus Japan könnten dem Fed nun Argumente liefern, den monetären Stimulus aufrechtzuerhalten. Vielleicht werden wir QE3 sehen. Wenn nicht, dann dürfte die Liquidität aus QE2 noch mindestens ein Quartal lang den Markt antreiben. Investoren sollten nie die Kraft des Fed unterschätzen.


Bernanke pumpt den Markt weiter auf?


Das ist sein Ziel. Das Fed gibt den Investoren mit allen Mitteln zu verstehen, dass sie in den Markt springen und spekulieren sollen. Der «Bernanke Put» steht.


Stehen die Aktienmärkte denn bereits heute wieder in einer Preisblase?


Sagen wir es so: Sie sind überbewertet. Der faire Wert des S&P 500 liegt derzeit auf 910 bis 915, das heisst, der US-Markt ist gut 40% überbewertet. Diese Tatsache allein gibt keinen Timing-Indikator für eine bevorstehende Korrektur ab. Die Bullen sollten sich jedoch bewusst sein, dass sie mit geborgter Zeit leben.


Aktien sind überbewertet, doch gleichzeitig werden sie vom Fed mit aller Kraft weiter aufgebläht. Wie soll sich ein Investor in diesem Umfeld verhalten?


Das ist das Schwierige an der Situation. Stünde der S&P 500 heute auf 1500, wäre mein Urteil klar: Der Markt steht in einer Blase, die böse enden wird. Aber noch sind wir nicht so weit. Wer langfristig denkt, sollte jetzt beginnen, einige Chips vom Spielbrett zu nehmen und Cashreserven aufzubauen. Wer spekulativer denkt, kann der Party eine Weile zuschauen – und dabei stets nahe am Ausgang bleiben.


Cash wirft im gegenwärtigen Zinsumfeld aber null Rendite ab.


Ich weiss, das ist schmerzhaft. Die Notenbanker wollen, dass es schmerzhaft ist. Man muss im Geldbestand aber einen Optionswert sehen: Er gibt mir die Möglichkeit, zuzuschlagen, sobald die Preise tauchen. Das Urteil, Cash werfe keine Rendite ab, greift daher zu kurz. Erschwert wird das Investorenleben freilich zusätzlich durch den Umstand, dass der Bondmarkt heute katastrophal hoch bewertet ist.


Ohne Ausnahmen?


Ich sehe derzeit kein Segment des Bondmarktes, das für eine Anlage attraktiv ist. Der Markt für Festverzinsliche ist tödlich.


Das klingt ja toll: Aktien sind überbewertet, Bonds sind tödlich.


Ein Riesendilemma, nicht wahr? Im Jahr 2000 war es einfacher: Aktien waren damals horrend überbewertet, Bonds waren attraktiv. Heute sind Bonds horrend überbewertet, während Aktien teuer sind. Das allein kann jedoch kein Argument sein, die weniger teure der beiden Anlageklassen zu kaufen. Daher mein Ratschlag, Cash aufzubauen. Innerhalb des Aktienmarktes bietet zudem das Hochqualitätssegment einigermassen attraktive Aussichten: die Coca-Colas, Nestlés und Johnson & Johnsons dieser Welt. Wer diese Namen kauft, kann über die nächsten sieben Jahre immerhin mit einer mittleren Rendite von 4,5% pro Jahr rechnen.


Am Rally der vergangenen zwei Jahre haben Hochqualitätswerte aber weit unterdurchschnittlich partizipiert.


Das leuchtet ein: Der Stimulus der Notenbanken hat das Kapital verbilligt, und davon profitierten primär Unternehmen mit hohen Schulden. Die Geldpolitik ist den Schwachen und den Banken zugutegekommen, und dementsprechend haben ihre Aktien profitiert. Im Effekt greift das Fed mit seiner Politik in die Naturgesetze ein, subventioniert die Invaliden und verzerrt so das kapitalistische System.


Sie haben vorhin erwähnt, dass die Börsen wahrscheinlich bis Oktober weiter steigen werden. Was folgt danach?


Bernanke ist drauf und dran, eine neue Blase aufzupumpen. Er folgt genau dem Drehbuch seines Vorgängers Alan Greenspan: Auf jeden grossen Rückschlag antwortete das Fed mit extremen Tiefzinsen, um die Märkte so rasch wie möglich zu reflationieren. Ende der Neunzigerjahre kreierte das Fed die Technologieblase. Als sie Anfang 2000 platzte, erschuf Greenspan eine weitere Börsen- sowie eine Immobilienblase. Die Antwort auf ihren Kollaps waren noch extremere monetäre Stimuli. Hier stehen wir heute: Wir beobachten die Entstehung der dritten Börsenblase in etwas mehr als zehn Jahren. Auch sie wird platzen. Jede Preisblase in der Geschichte der Finanzmärkte ist geplatzt.


Wann wird das sein?


Das kann ich nicht sagen. Was ich jedoch weiss: Alle grossen Spekulationsblasen des vergangenen Jahrhunderts haben damit geendet, dass die Börsen deutlich unter ihren fairen Wert fielen und während Jahren dort verharrten. Das war in den Dreissigern so, in den Siebzigern und in Japan nach 1989. Jedwelche Euphorie gegenüber der Anlageklasse Aktien musste zerstört werden. Greenspan und Bernanke haben diesen Prozess jeweils unterbrochen und sofort neue Übertreibungen begünstigt. Während der vergangenen zwanzig Jahre war der US-Aktienmarkt durchweg überbewertet. Nur im Winter 2008/09 war er während sechs Monaten billig. Seither wird er von Bernanke wieder aufgepumpt. Wer glaubt, das sei normal, verkennt die Lehren aus der Geschichte.


Sie sagten, der faire Wert des S&P 500 liege derzeit auf 915 – rund 30% unter dem heutigen Stand. Heisst das, der Markt wird in nicht allzu ferner Zukunft auf 915 absacken und dann noch tiefer sinken?


Ja. Sehen Sie: Nach der Immobilienkrise Ende 2008 beschloss der US-Kongress ein gewaltiges Stimulusprogramm. Die finanzielle Situation des Staates wird das künftig nicht mehr zulassen. Die Bilanzen des Staates und der Notenbank sind bereits ruiniert. Zudem, so hoffe ich, wird Bernanke Anfang 2014 nicht mehr in seinem Amt als Fed-Vorsitzender bestätigt, sodass die USA erstmals nach Greenspan und Bernanke wieder eine vernünftige Notenbankführung hätten. Damit wären die Voraussetzungen geschaffen, dass das Platzen der aktuellen Preisblase vom Fed nicht energisch bekämpft würde und der natürliche Anpassungsprozess seinen Lauf nehmen könnte. In diesem Szenario dürfte der S&P 500 auf einen Stand von 700 bis 800 sinken – und wir Value-Investoren erhielten endlich die Möglichkeit, Aktien zu attraktiven Preisen zu erwerben.


Aber erst in einigen Jahren?


Ja. Zunächst muss sich die aktuelle Blase weiter aufblähen, dann muss sie platzen. In zwei, drei Jahren ist es so weit. Was wir heute sehen, ist bloss das letzte Hurra. (Finanz und Wirtschaft)

Erstellt: 14.04.2011, 10:14 Uhr