Dienstag, 26. Oktober 2010

FAZ:IWF-Reform Laufbursche der G20

IWF-Reform

Laufbursche der G20

Über die Reform des IWF ist der Jubel groß - zumindest in der Institution selbst. Warum Deutschland als drittgrößter Kapitalgeber den neuen Regeln zugestimmt hat, ist schwer zu verstehen.

Von Patrick Welter

Es geht nicht mehr um faire Verhandlungen: Internationaler WährungsfondsEs geht nicht mehr um faire Verhandlungen: Internationaler Währungsfonds

26. Oktober 2010

Der Geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, nennt die Beschlüsse der großen Industrie- und Schwellenländer, der G 20, zur Reform des IWF „historisch“. Der Jubel in der Institution ist groß. Der IWF wird von der G 20 weiter verwöhnt und mit Aufgaben bedacht, seine schnell abrufbaren Finanzmittel werden auf 684 Milliarden Dollar verdoppelt. Aus Sicht des Fonds scheint das erfreulich zu sein. Die Beschlüsse der G 20 lassen indes viele Interpretationen zu – die wenigsten fallen zugunsten des Fonds aus.

Dies gilt vor allem für die Entscheidung, die Stimmrechte im IWF zugunsten von Entwicklungs- und Schwellenländern umzuschichten. Erst vor zwei Jahren hatten die Mitglieder des Fonds sich auf eine neue Formel geeinigt, um ihr wachsendes Gewicht in der Weltwirtschaft im IWF abzubilden. Mit der Quotenumverteilung wird diese Formel missachtet, und bald wird schon wieder an ihr herumgeschraubt werden. Dabei vollzieht die jetzt vereinbarte Umschichtung von Stimmrechten nicht nur nach, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer durch ihr stärkeres Wirtschaftswachstum an Einfluss gewinnen. Vielmehr biegt die G 20 die Neuzuteilung der Stimmrechte so hin, dass das gewollte Ergebnis herauskommt. Die Industriestaaten verzichten, damit – der politischen Korrektheit zuliebe – Schwellen- und Entwicklungsländer gewinnen. Für eine Institution, die sich zur Wahrung ihrer Neutralität regelgebunden verhalten sollte, ist das eine Zumutung. Auf Dauer wird so die Reputation des Fonds als an der Sache orientierter neutraler Ratgeber untergraben. Der IWF wird mit den Beschlüssen von Gyeongju weiter politisiert, wobei die Vereinigten Staaten ihr faktisches Vetorecht behalten und somit entscheidend bleiben werden.

Anzeige

Die EU-Staaten geben ihren Einfluss auf

Strauss-Kahn erfreut auch, dass die demokratische Legitimation des Fonds verbessert worden sei, weil künftig alle Mitglieder des Exekutivdirektoriums gewählt würden. Das als Schönfärberei zu bezeichnen wäre eine Untertreibung. Der Handel der Vereinigten Staaten mit den EU-Staaten in der G-20-Gruppe, dass Europa zwei Sitze im Exekutivdirektorium aufgeben soll, hat nichts von Wahlfreiheit. Noch schlimmer ist, dass die EU-Staaten in der G 20 europäischen Einfluss aufgeben, ohne dass es eine gute Begründung dafür gibt. Nicht Staatenverbünde (wie die EU) oder Regionen (wie Europa) sind Mitglied im IWF, sondern einzelne Länder.

Die Kapitalbeiträge und Risiken, die der Fonds seinen Mitgliedern in zunehmendem Maße präsentiert, tragen nationale Steuerzahler, nicht die EU oder Europa. Das Denken in Ländergruppen, das die transatlantische Einigung bestimmt und das sich nie auf Nordamerika bezieht, hebelt so die Verfasstheit des Fonds aus. Ohne Not haben die Europäer sich dieser amerikanischen Vorgabe gebeugt. Warum Deutschland als noch dritt- und künftig viertgrößter Kapitalgeber des IWF dem zugestimmt hat, ist schwer zu verstehen. In der G-20-Gruppe, in der jedes Land gleichberechtigt ist, kann man auch mal Nein sagen, um eigene Finanzinteressen zu wahren und um Legitimation und Reputation des Fonds zu schützen.

Es geht nicht mehr um faire Verhandlungen

Der gute Ruf des IWF wird gefährdet durch das Verfahren der Reform. Es geht nicht mehr um faire Verhandlungen im Kreis der 187 Mitgliedstaaten, vielmehr werden die Ergebnisse von wenigen Fondsmitgliedern, eben der G-20-Gruppe, bestimmt. Die anderen Mitglieder dürfen nur noch nachvollziehen, was die G 20 ausgetüftelt hat. Übergangen werden dabei nicht nur Kleinstaaten, sondern auch bedeutende Mitglieder wie die Schweiz, die nach der Wirtschaftskraft wichtiger ist als drei Staaten aus der G-20-Gruppe. Sie soll nach dem Willen der EU und der G 20 ihren ständigen Gruppenvorsitz im Exekutivdirektorium aufgeben, obwohl sie an den Verhandlungen nicht beteiligt war. Solche Verabredungen zu Lasten Dritter sind Gift für das Vertrauen der Mitglieder in die Institution, zumal wenn der Geschäftsführende Direktor sich auf die Seite der G 20 schlägt.

Für den Fonds wird sich diese Strategie auf Dauer kaum auszahlen. Als Erfolg feiert der Fonds zwar, dass er künftig als Schiedsrichter Währungsentwicklungen beobachten und analysieren soll. Die Wahrheit fällt weniger freundlich aus. Die Vereinigten Staaten haben im Kreis der G 20 ihren Wunsch, der Fonds solle eigene Berichte zu den politisch brisanten Währungsfragen und zu Leistungsbilanzsalden veröffentlichen, nicht durchsetzen können. Diese Aufgabe wird in den „Multilateralen Beurteilungsprozess“ integriert, im Rahmen dessen die G-20-Staaten ihre Wirtschaftspolitik koordinieren wollen. Diesen Prozess, der beim Gipfeltreffen in Seoul im November seine Feuertaufe erleben wird, will die G 20 sich nicht aus der Hand nehmen lassen. Der Fonds liefert nur technische Vorarbeiten zu. Ein Rolle als Schiedsrichter oder Vermittler im Währungsstreit hat er nicht gewonnen, im Gegenteil: Der IWF wird zum Laufburschen der G 20. Das muss nicht schlimm sein, ist seine wirtschaftspolitische Weisheit doch umstritten. Aber hat die G 20 mehr davon?

Text: F.A.Z.

Keine Kommentare: