Donnerstag, 8. Juli 2010

Die Bank: Markt für US-Gewerbeimmobilien Nur Risiken oder auch Chancen?

Markt für US-Gewerbeimmobilien

Nur Risiken oder auch Chancen?

Die Schlagzeilen konnten gar nicht groß genug sein: „Spekulativ überhitzt“, „Die Immobilienkrise kehrt zurück“, gar von einem „Immobilien-Tsunami“ war die Rede, als bekannt wurde, dass einer der weltweit größten auf Gewerbeimmobilien ausgerichteten Investmentfonds Buchverluste von 5,4 Mrd US-$ aufwies und damit fast zwei Drittel seines Werts verloren hatte. Nicht wenige Kommentatoren sind der Meinung, dass nach dem Kollaps am Markt für Einfamilienhäuser jetzt dem Sektor für Gewerbeimmobilien Schlimmstes bevorsteht. Ist dieser Pessimismus begründet? | Quintin E. Primo

Keine Frage, am US-Markt für Gewerbeimmobilien sind – teils erhebliche – Risiken vorhanden. Statt aber reflexartig die gesamte Anlageklasse abzuschreiben, lohnt es sich, genauer hinzusehen und herauszufinden, wo und worin die Risiken bestehen – und ob sich vielleicht Chancen auftun.

Talsohle erreicht?
Zu den ohne Zweifel negativen Nachrichten gehört die Tatsache, dass noch immer nicht genau abzusehen ist, ob die Preise für US-Gewerbeimmobilien nach ihrem Rückgang um 40 bis 50 % bereits den absoluten Tiefpunkt erreicht haben. Anfang des Jahres sah es so aus, als könne man mit einer Bodenbildung erst Ende 2010 und mit einer langsamen Erholung frühestens 2011 oder 2012 rechnen.

Mittlerweile gibt es aber Anzeichen dafür, dass zumindest die Preise erstklassiger Gewerbeimmobilien die Talsohle im vierten Quartal 2009 durchschritten haben. Und obwohl das Geschäftsumfeld für den gewerblichen Immobilienmarkt weiterhin angespannt bleiben wird, könnte die Erholung für 1A-Immobilien schneller kommen und besser ausfallen als vermutet. Ein erster Hoffnungsschimmer, aber kein Grund für Euphorie. Nachprüfbare Belege für eine Bodenbildung wird es erst im Herbst dieses Jahres geben.

Mammut-Aufgabe Refinanzierung
Investoren müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Liquiditätssituation im Markt für US-Gewerbeimmobilien auf absehbare Zeit angespannt bleiben wird und es an ausreichend großen Transaktionen mangelt, um ein verlässliches Gespür für den tatsächlichen Gleichgewichtspreis zu bekommen. Zudem steht die Branche vor bedeutenden Herausforderungen, die Äußerungen bezüglich der Bodenbildung als voreilig erscheinen lassen könnten. Die Zahl der Zahlungsausfälle bei mit Hypotheken auf Gewerbeimmobilien besicherten Wertpapieren (CMBS) steigt weiter an und Banken und andere Finanzinstitute müssen ihren aktuellen Kreditbestand nach unten korrigieren, um die tatsächlichen Preise am Markt widerzuspiegeln.

Die mit Abstand größte Herausforderung wird indes darin bestehen, dass in den nächsten drei Jahren schätzungsweise 1,4 Bill US-$ im Markt für US-Gewerbeimmobilien refinanziert werden müssen und dass dann diejenigen, die die neue Finanzierung bereitstellen, die Bewertungen erneut testen werden. Unter Druck geraten könnten dabei insbesondere Immobilien in zweitklassigen Märkten, die nicht dem Top-Segment angehören. Sie werden wahrscheinlich ihre Preise weiter anpassen müssen.

Vieles hiervon ist allerdings in der heutigen Preise bereits enthalten, und es gibt weitere positive Signale. Im ersten Quartal 2010 konnte der Real Commercial Property Price Index von Moody’s drei Monate in Folge Zuwächse verzeichnen. Darüber hinaus gab es erste Anzeichen dafür, dass das Transaktionsvolumen für Qualitätsimmobilien in den wichtigsten US-Märkten wieder zu wachsen beginnt. Zudem haben sich im ersten Quartal 2010 die Aufzinsungsfaktoren so weit verbessert, dass erstklassige Mehrfamilienhäuser in Top- Lagen, so genannte Class-A-Multi-Family- Immobilien, zu Aufzinsungsfaktoren von unter sechs gehandelt werden. Bleibt die Frage, was den Wandel der Marktdynamik seit letztem Sommer verursacht hat, als viele befürchteten, die Probleme bei Gewerbeimmobilien könnten zu einer neuen Mini-Finanzkrise führen.

Die positiven Faktoren
Zum einen sehen die allgemeinen US-Wirtschaftsdaten jetzt besser aus, zum anderen hat sich die Angst vor einer Double Dip Recession gelegt, die sich negativ auf die Immobilienpreise ausgewirkt hätte. Nach Ansicht des ehemaligen Notenbank- Chefs Alan Greenspan ist die Gefahr einer solchen Rezession gerade seit Anfang 2010 sogar signifikant zurückgegangen. Die US-Wirtschaft hat das Jahr 2009 mit einem starken vierten Quartal und 5,6 % BIP-Wachstum abgeschlossen, und auch wenn ein so imposantes Wachstum in diesem Jahr eher unwahrscheinlich sein wird, so sagt JPMorgan für 2010 doch einen soliden Zuwachs des BIP in Höhe von 3,5 % voraus. Ohne Zweifel haben die massiven Ausgabenprogramme der US-Regierung eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Wirtschaft zu stabilisieren, auch wenn dieser Einfluss jetzt nach und nach abnehmen wird.

Sehr beeindruckend waren zudem die Gewinne der amerikanischen Unternehmen, die im vierten Quartal 2009 um beachtliche 57 % höher ausfielen als im Quartal davor. Dies hat die Rallye an den globalen Aktienmärkten zusätzlich befeuert, und es sind gerade die Unternehmensgewinne, die darauf hoffen lassen, dass auch die Arbeitslosigkeit bald ihren Höchststand erreicht hat. Angesichts der Cash-Reserven, die aufgebaut wurden, sind die Unternehmen jetzt wieder in der Lage, Investitionen zu tätigen und Personal einzustellen. Allein im März fanden 162.000 Menschen neue Arbeit. Das war der größte Zuwachs in drei Jahren, und es ist wahrscheinlich, dass die Beschäftigtenzahlen auch in den nächsten Monaten weiter steigen.

Anlagealternativen gesucht
Ein weiterer Grund dafür, warum die Aussichten für den amerikanischen Gewerbeimmobilienmarkt gar nicht einmal so schlecht sind, ist die rasche Erholung an den Kreditmärkten, die auch 2010 andauert. Die Federal Reserve und andere wichtige Notenbanken haben massiv Liquidität in das globale Finanzsystem gepumpt. Angesichts der freundlichen globalen Inflationsaussichten werden sie diese wahrscheinlich auch nur langsam wieder entnehmen. Der US-Refinanzierungssatz ist auf einem historischen niedrigen Niveau, Zinsschwankungen, wie auf den Optionsmärkten gesehen, nehmen ab, weil sich Investoren auf mittlere Sicht weniger Sorgen über einen Inflationsanstieg und dadurch bedingte Zinserhöhungen machen. Investoren, die nach höheren Erträgen als denjenigen suchen, die sichere Staatsanleihen versprechen, sind infolgedessen gezwungen nach alternativen Investmentmöglichkeiten Ausschau zu halten.

Das traf bereits letztes Jahr zu, als Kapital in großem Umfang in den Markt für Unternehmensanleihen geflossen ist – erst in Titel mit hoher Bonitätsstufe, anschließend in Papiere mit hohen Renditeaufschlägen – und die Spreads insgesamt nach unten gedrückt hat. Im Vergleich dazu hinkte der Kreditmarkt für Gewerbeimmobilien der Rallye bei Unternehmensanleihen hinterher, aber jetzt, da hier attraktive Erträge bei Qualitätstiteln möglich sind, kehren die Investoren in diesen Markt zurück. Laut JPMorgan sind im ersten Quartal 2010 die Spreads von zehn mit AAA bewerteten CMBS auf 130 Basispunkte geschrumpft, wodurch sich diese Papiere besser als andere Anleiheklassen entwickelten.

Angesichts der zurzeit niedrigen Zinsen ist es mehr als wahrscheinlich, dass große Mengen Geld immer noch an der Seitenlinie auf einen Einsatz warten und auf höhere Erträge hoffen. Die globalen Aktienmärkte haben sich inzwischen sehr gut von ihren Tiefs erholt. Daher werden zweistellige Zuwachsraten in Zukunft schwieriger zu erreichen sein. Erstklassige Gewerbeimmobilien erscheinen auf risikobereinigter Basis attraktiv – insbesondere wenn man berücksichtigt, dass nur in begrenztem Umfang Neubauvorhaben geplant sind und auf der anderen Seite etwa die von (öffentlich gehandelten) REIT’s 2009 eingesammelten knapp 30 Mrd US-$ darauf warten, investiert zu werden.

In Diskussionen mit institutionellen Investoren wie Pensionsfonds wird immer wieder deutlich, dass neue Allokationen in Gewerbeimmobilien, die 2009 fast völlig zum Erliegen kamen, in diesem Jahr wieder zunehmen werden, auch wenn die Investoren aller Voraussicht nach vorsichtig agieren werden. Mit Blick auf den starken US-Dollar, der insbesondere gegenüber dem Euro deutlich zulegen konnte, ist außerdem ein Wiederaufleben ausländischer Investitionen in den Markt für US-Gewerbeimmobilien zu erwarten. Eine kürzlich erschienene Studie der Wisconsin School of Business zeigt, dass zwei Drittel der befragten ausländischen Investoren für das Jahr 2010 planen, ihre Allokation in amerikanischen Gewerbeimmobilien aufzustocken.

Wie letztes Jahr an den globalen Kapitalmärkten zu beobachten war, kann ein Kursaufschwung auf Grund der großen, zur Verfügung stehenden Liquidität schneller und rasanter vonstatten gehen, als es die Fundamentaldaten vermuten lassen. Dasselbe könnte für erstklassige amerikanische Gewerbeimmobilien im weiteren Verlauf des Jahres 2010 zutreffen.

Quintin E. Primo III ist Chairman und CEO von Capri Capital Partners, Chicago.
Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe 07/2010

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