Donnerstag, 7. Oktober 2010

BIZ: Bar25 Rumhaengen_am_Wasser

Bar 25

Rumhängen am Wasser

In Douglas Adams' fünfteiligem Epos "Per Anhalter durch die Galaxis" ist die Rede von einem sehr merkwürdigen Mann auf einem fernen Planeten. Er lebt in einem Haus, dessen Innenseiten nach außen zeigen.

Wer vor dem Haus steht, sieht also Waschbecken, Küchezeile, Bett, selbst das Dach - alles an die Außenwände angebaut. Die Innenwände wiederum sind leer und nach oben hin offen. Der Mann sagt, er lebe folgerichtig "außerhalb des Universums".

Ein solcher Ort ist die Bar 25 - mit dem Unterschied, dass die Eigentümer es sich in den vergangenen sechs Jahren verdammt gemütlich eingerichtet haben, innerhalb dieser Wände an der Holzmarktstraße 25. Zunächst sind da die Musik und die vielen verteilten Bars mit endlos-geduldigen Barkeepern. Aber das gibt es auch in anderen Bars, in anderen Städten. Das Besondere der Bar 25 beginnt zum Beispiel an der Schaukel, die zentral an einem Baum am Wasser aufgehängt ist. Ihr Brett ist so breit, dass zwei Menschen nebeneinander darauf Platz nehmen können. Die Leine wiederum ist so lang, dass die Schaukelnden weit ausholen können für ihren nächsten Schwung. Sie ist eindeutig kein Kinderspielzeug. Ist sie in Bewegung, strahlt sie eine ganz eigene Romantik aus, für die auf ihr Sitzenden - und für alle anderen auch.

Diese Schaukel ist gleichzeitig ein Fixpunkt in diesem für Neuankömmlinge so unübersichtlichen Areal der Bar 25. Ein weiterer steht gleich gegenüber und ist oft ein Teil von lautstark geführten Telefongesprächen. Das geht dann so:

"Wo bist Du? (...) WAS? (...) Ich versteh Dich nicht! (...) Komm bitte zum Fotoautomaten!"

In einhundert Prozent der Fälle wird das dann ganz langsam wiederholt:

"Fo-To-Au-To-Ma-Ten!"

Unzählige Versöhnungsbilder hat diese Maschine wohl in den vergangenen sechs Jahren geknipst.

Schaukelnde Menschen und Fotoblitze, der Spielplatz-Charakter hört da noch nicht auf: Seifenblasen in der Luft, ein Autoscooter-Auto, ein Zirkuszelt, ein Trampolin, eine Sauna, Wasser-Shiatsu, ein Elektro-Pferdchen, wie es sonst vor Supermärkten steht - und in der Ecke ist ein kleiner Beichtstuhl aufgebaut, wofür auch immer.

Analog dazu gleichen die rund 120 Mitarbeiter der Bar oft eher Zirkus-Dompteuren oder Artisten. Oder beidem gleichzeitig. So kann es passieren, dass die Dame an der Kasse einem neuen Gast zusammen mit dem Wechselgeld einen origami-gefalteten Schwan zurückgibt. "Für Dich!" sagt sie dann. Und zwinkert herausfordernd.

Aber wer es bis dahin geschafft hat, ist ohnehin bereits ein Teil einer großen gut gelaunten Gemeinschaft. Draußen vor der Tür herrscht ein raueres Klima. Doch ist auch die Aufgabe der Türsteher und Türsteherinnen auch ungleich schwerer: Das Trennen von Drinnen und Draußen. Vergleiche mit Diktatoren und Diktatorinnen lassen sie kühl abblitzen. Prominente Gesichter nützen gar nichts. Und dann gibt es die Momente, in denen sie jemanden, der ganz hinten in der Schlange steht, anbrüllen:

"Hey Du da!"

"Wer, ich?"

"Ja! Du kommst jetzt rein! Und zwar SOFORT!"

Solche Situationen haben fast etwas Fürsorgliches, als müssten sie eine Person schützend unter ihre Fittiche nehmen, weil diese nicht zu den anderen Menschen da draußen im Universum passt.

Doch so ganz wie auf einem anderen Planeten ließ sich auch die Bar 25 nicht von der Außenwelt abschotten. Die Rede ist nicht von kommerziellen Zugeständnissen wie dem gut laufenden Restaurant, dem eigenen Plattenlabel und den Theater- und Kinoveranstaltungen. Denn diese konnten dem Hippie-Image der Bar-Betreiber bis zuletzt nichts anhaben.

Wohl aber die Vermieterin, die Berliner Stadtreinigung. Denn die will den Boden, auf dem Touristen und Berliner feiern, sanieren. Doch was nach dieser Aktion mit dem Areal geschehen soll, ist wegen der Finanzkrise ohnehin offen. Immobilienmakler nennen das Uferstück an der Spree gern ein "Filet-Stück". Wenn es also nach ihnen geht, ist die an diesem Wochenende gefeierte Geburtstagsparty ihre letzte. Die Feier wird sicherlich wie immer bis zum Montag dauern, Gerüchten zufolge soll Quentin Tarantino auch dabei sein, und wieder werden die letzten Gäste sagen "Nächste Woche mache ich eine Pause" - und sie werden lügen. Denn kommendes Wochenende beginnt die zweiwöchige Abschlussfeier, ein Grund auch für viele Berliner vielleicht zum ersten Mal ein Erinnerungs-Foto am Fotoautomaten zu machen.

Es heißt immer, dass Menschen, die in Berlin leben, nicht erwachsen werden müssen. Wer das wolle, könne nach München gehen. Oder nach Hamburg. Wenn diese These wirklich stimmt und Berlin eine Art Peter-Pan-Stadt ist, ein Ort, an dem nur alterslose Elfen wohnen, dann ist die Bar 25 der Ort, an dem diese Elfen fliegen lernen. Wer es einmal kann, will damit nicht mehr aufhören. Und es ist ganz einfach. Auf die Schaukel setzen und ganz sachte vom Boden abstoßen.

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