Dienstag, 22. Februar 2011

HB: Commerzbank betrügt Staat um Zinszahlungen

Commerzbank unter Druck

Harsche Kritik an der Commerzbank: Das Geldhaus zahlt trotz guter Ergebnisse erneut keine Zinsen auf ihre Staatshilfen - dafür aber dicke Boni an ihre Mitarbeiter aus. Der Druck auf Chef Martin Blessing wächst.


von Sven Afhüppe, Frank M. Drost, Yasmin Osman

Berlin, Frankfurt

Commerzbank-Chef Martin Blessing: Will sich die Bank mit Bilanztricks vor Zinszahlungen drücken? Quelle: APN
Commerzbank-Chef Martin Blessing: Will sich die Bank mit Bilanztricks vor Zinszahlungen drücken?Quelle: APN

Es klingt paradox: Die Commerzbank schreibt endlich wieder Gewinne - und bleibt dennoch politisch unter Druck. Morgen wird das mit 18,2 Milliarden Euro vom Staat gerettete Institut erstmals seit 2007 wieder einen starken Gewinn vorlegen. Analysten gehen von rund 1,3 Milliarden Euro aus. Doch Zinsen auf die Staatshilfen wird die Bank trotzdem nicht zahlen.

Der Grund: Nur nach den internationalen Bilanzregeln schreibt die Commerzbank Gewinne. Doch die Zinszahlungen sind an die Bilanz des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB) gebunden - und nach dessen Regeln fährt die Bank auch 2011 einen Verlust ein. Bilanzexperten können zwar erklären, wie es zu so einer Diskrepanz kommt - der Hauptgrund sind Abschreibung auf die Immobilientochter Eurohypo.

Kritik von CDU und Grünen

Doch politisch lässt sich das kaum verkaufen. "Mir fehlt dafür jedes Verständnis, zumal es für die Bank offenbar kein Problem ist, eine erfolgsabhängige Vergütung an ihre Mitarbeiter zu zahlen", sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU, Klaus-Peter Flosbach dem Handelsblatt. Die Bank, so viel ist durchgesickert, will einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag an ihre Mitarbeiter auszahlen. Es geht um individuelle Leistungen. Der Teil der Boni, der an das Ergebnis gekoppelt ist, wird entfallen.

Für Flosbach ist das nicht genug: "Für eine leistungsgerechte Bezahlung habe ich natürlich Verständnis", sagt er. Das Problem liege aber darin, dass die Bank erfolgsabhängige Vergütungen an Mitarbeiter zahle, nicht aber Zinsen für die Staatshilfen. "Ich erwarte eine ehrliche Buchführung ohne Tricks und doppelten Boden", schimpft daher Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass die Bank nach internationaler Rechnungslegung einen Milliardengewinn ausweise, um einer Kapitalerhöhung den Boden zu bereiten, und nach HGB Verluste einfahre, um sich vor der Bedienung der Stillen Einlage in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an den Bund "zu drücken".

So wächst der Druck auf Commerzbank-Chef Martin Blessing, in diesem Jahr den Ausstieg des Staates aus der Bank einzuleiten. Dafür wäre ihm nicht zuletzt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dankbar. "Es wäre gut, wenn es bereits in diesem Jahr einen signifikanten Schritt zum Abbau der Stillen Einlage bei der Commerzbank geben könnte", hieß es im Finanzministerium. Der Milliardengewinn sei zwar ein gutes Zeichen. Der Wendepunkt sei aber erst erreicht, wenn die Commerzbank mit der Rückzahlung der Staatshilfe beginne. Dann könnte sich das Ministerium auch wieder vorstellen, über die Deckelung der Vorstandsbezüge neu zu verhandeln. Bislang hieß es, dass die Gehaltsgrenze von 500000 Euro erst entfallen könne, wenn die Bank Zinsen auf die stille Einlage zahlt.

Die Frage ist, wie die Staatshilfe zurückgezahlt werden soll. Der Königsweg wäre eine Kapitalerhöhung. Die benötigt das Institut ohnehin, allein wegen der neuen Kapitalregeln für Banken (Basel III), die ab 2013 in Kraft treten. Um die gewünschte harte Kernkapitalquote von sieben bis acht Prozent nach den Regeln von Basel III zu erlangen, fehlen der Bank Citigroup-Analysten zufolge rund sieben Milliarden Euro. Nur, wer soll diese Aktien kaufen?

"Die Aussicht darauf, dass die Bank in Gewinnjahren erst einmal neun Prozent auf die Stille Einlage zahlen muss, macht die Aktie für Anleger uninteressant", sagt Carsten Schneider, der haushaltspolitische Sprecher der SPD. "Das hält die Aussicht auf eine erfolgreiche Kapitalerhöhung gering." Deshalb ist er dafür, dass der Bund seine Stille Einlage in Aktien umwandelt. Das erleichtere den Ausstieg des Staates, biete Chancen auf Kursgewinne und gebe dem Staat auch direkteren Einfluss auf die Geschäftspolitik. ("Und im Angesicht einer geplanten Eigentümerhaftung, wäre der Staat dann auch der Dumme im Falle einer weiteren Krise") Schneider kann sich durch das Gutachten der von der Regierung eingesetzten Expertenkommission bestätigt sehen. Auch die haben eine Umwandlung der Einlagen in Aktien vorgeschlagen. Das Finanzministerium sperrt sich dagegen bislang. Flosbach ist da offener: "Das ist einer von mehreren Vorschlägen, die man nicht von vornherein ablehnen sollte", sagt er.

Bilanztricks

HGB Nach dem deutschen Bilanzstandard HGB schreibt die Commerzbank 2010 einen Verlust. Der Grund sind Abschreibungen auf die Immobilientochter Eurohypo. Hintergrund: Die Commerzbank beschloss 2010 die Eurohypo stärker als geplant zu schrumpfen und das Staatsfinanzierungsgeschäft aufzugeben. Das senkt die künftigen Ertragschancen der Eurohypo - und damit ihren Bilanzwert nach HGB.

IFRS Nach internationalem Recht (IFRS) hat die Commerzbank die Eurohypo schon früher abgeschrieben, als deutlich wurde, dass man die Bank zu einem zu hohen Preis gekauft hatte. Der politische Streit entzündet sich nun auch daran, ob man nicht auch nach HGB schon früher darauf hätte kommen können, dass die Ertragschancen der Eurohypo mäßig sind.

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