AKW-Stresstests: EU beugt sich der Atom-Lobby
Aktualisiert um 11:01 Uhr 36 Kommentare
Die abgeschwächte Form der AKW-Stresstests bedeutet, dass menschliches Versagen wie Bedienungsfehler oder Katastrophen wie Flugzeugabstürze oder Terroranschläge bei den Sicherheitsüberprüfungen nicht berücksichtigt werden.
EU-Energiekommissar Oettinger will strengere Tests
Länder, die strengere Tests wollten, könnten diese freiwillig durchführen, hiess es in Kreisen von EU-Energiekommissar Günther Oettinger, wie die Nachrichtenagentur DAPD berichtet. Der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg spricht sich gemäss den Medienberichten für strengere Stresstests aus. Neben Naturkatastrophen sollen auch Terroranschläge bei den Prüfungen in Betracht gezogen werden. In Insiderkreisen wird mit einem Kompromiss gerechnet, wonach «menschliches Handeln und Versagen» in die Prüfkriterien mit aufgenommen werden könnte.
Gemäss der «Süddeutschen Zeitung» fordern vor allem Frankreich und Grossbritannien schwächere Sicherheitsüberprüfungen. Die beiden Länder betreiben die meisten Kernkraftwerke in Europa – 58 Meiler sind es in Frankreich und 19 Meiler in Grossbritannien.
Viel Zeit für das Feilen am Prüfkatalog für die europäischen Kernkraftwerke bleibt nicht mehr. Am Donnerstag in einer Woche soll bereits die Einigung zwischen der Kommission und den nationalen Regulierungsbehörden der 27 EU-Staaten erzielt werden. Neben den spezifischen Kriterien sind auch die möglichen Konsequenzen noch nicht definitiv. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat zwar angekündigt, durchgefallene AKW vom Netz zu nehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht indes auch die Möglichkeit, dass die Anforderungen durch technische Aufrüstung nachträglich erfüllt werden können.
Start der Stresstests am 1. Juni, Resultate im Dezember
Der bisherige Entwurf für die Stresstests gibt den AKW-Betreibern bis Mitte September Zeit für ihre eigene Risikoeinschätzung. Anschliessend sollen die nationalen Aufsichtsbehörden die Angaben überprüfen, wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» berichtet. Umweltschützer kritisierten, dass die Betreiber aus Zeitgründen auch auf die Unterlagen von Sicherheitstests vergangener Jahre zurückgreifen könnten. Faktisch müssten die Kernkraftwerke somit gar keine neuen Tests durchführen.
Die Stresstests in den EU-Ländern sollen pünktlich am 1. Juni starten. Die Resultate der Sicherheitsüberprüfungen sollen im Dezember vorliegen. Im Gegensatz zur EU hat die Schweiz bereits mit der Durchführung von Sicherheitstests begonnen. Wenige Tage nach dem AKW-Unfall in Japan verfügte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi), dass die Betreiber der Schweizer Kernkraftwerke die Auslegung ihrer Anlagen gegen Erdbeben und Hochwasser unverzüglich zu überprüfen haben. (vin)
Erstellt: 04.05.2011, 11:01 Uhr
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