Montag, 20. Juni 2011

Der Konstruktionsfehler des Euro

Von Luciano Ferrari. Aktualisiert am 18.06.2011

Der Beschluss, die Banken an der Sanierung Griechenlands zu beteiligen, hilft nicht wirklich zur Lösung des eigentlichen Konstruktionsfehlers der Währungsunion. Ein Kommentar von Luciano Ferrari

Was für ein schönes Bild: die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in trauter Einigkeit und Entschlossenheit. Sarkozy willigte ein, die französischen Banken als Hauptgläubigerinnen des bankrotten griechischen Staats an dessen Sanierung zu beteiligen; Merkel wiederum stimmte zu, die Banken nicht zu verpflichten, sondern es ihnen zu überlassen, ob sie sich freiwillig an der Schuldenerstreckung beteiligen wollen. Prompt machte der Euro gestern an den Devisenbörsen gegenüber dem Franken einen kleinen Freudensprung. Ist also endlich der Ausweg aus der Eurokrise gefunden?

Schön wärs. Das Eurodrama geht weiter. Merkel und Sarkozy haben nur eine kleine Etappe auf dem steilen Weg hin zu einer möglichen Rettung der Einheitswährung erreicht. Um zu begreifen, wie ernst die Lage nach wie vor ist, muss man kein Finanzgenie sein. Wer schon einmal einen Kleinkredit oder eine Hypothek aufgenommen hat, kann ermessen, was es heisst, Schuldzinsen in der Höhe von 18 oder gar 30 Prozent zu bedienen. Das sind die Raten, zu denen Athen derzeit Geld leihen muss: Diese Woche erreichten die Renditen für zehnjährige griechische Staatsanleihen den Rekordwert von über 18 Prozent; zweijährige Obligationen rentierten mit über 30 Prozent. Unter solchen Bedingungen fällt es jedem schwer, sich aus dem Schuldensumpf zu befreien.

Das Vertrauen ist gering

Das Kernproblem der Eurokrise lässt sich gut an diesen Renditen darstellen: Der Vergleich mit Deutschland zeigt nämlich, wie gering das Vertrauen in die griechischen Politiker ist, dass sie den «Stall» wieder in Ordnung bringen. Für zehnjährige deutsche Staatsanleihen zahlt Berlin derzeit nur 2,9 Prozent Zins. Würde Deutschland das Geld für die griechischen Freunde am Kapitalmarkt aufnehmen und es nach Athen überweisen, würden die Griechen sechsmal weniger Zins zahlen. Doch die Idee, sogenannte Eurobonds einzuführen, also Anleihen, die von der Gruppe aller Euroländer garantiert würden, haben Deutschland und andere finanzstarke Staaten abgelehnt.Denn man will zwar in einer Währungsunion im Guten wie im Bösen aneinander festgekettet bleiben, aber nicht in formeller Art und Weise. Jeder Eurostaat soll vielmehr weiterhin die Verantwortung für die eigene Staatskasse und Wirtschaftspolitik behalten. Rettungsschirme und Zahlungshilfen gibt es nur gegen harte Spar- und Reformauflagen.

Anleger werden verunsichert

Und weil es keine zentrale Institution gibt, die eine verantwortungsvolle nationale Haushaltsführung und Wirtschaftspolitik durchsetzt, braucht es immer wieder neue Treffen von Merkel und Sarkozy, der Euro-Finanzminister, der Staats- und Regierungschefs, um Länder zu retten, die auf die schiefe Ebene geraten sind. Die Anleger aber werden durch diesen Konferenzreigen verunsichert und angestachelt zugleich. Wie sicher sind griechische Staatsanleihen noch?, fragen sie sich. Wird Deutschland dem neuen Rettungsschirm zustimmen? Welchem Land geht als Nächstem finanziell die Luft aus? Weil die Eurokonstruktion keine mit umfassenden Kompetenzen ausgestattete Wirtschaftsregierung hat, testen die Märkte die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Regierungen, zwingen ihnen Sparprogramme auf, spielen sie die nationalen Animositäten gegeneinander aus.

Das alles begleitet von einem Chor von Euro-skeptischen Ökonomen, die etwa genüsslich nach einer Wiedereinführung der Drachme rufen. Wohl wissend, dass dies Griechenland nur in eine noch tiefere Katastrophe stürzen würde. Und deshalb ist in diesen unsicheren Zeiten nur eines gewiss: Solange sich an dieser institutionellen Schwachstelle der Währungsunion nichts ändert, wird das Eurodrama weitergehen. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 18.06.2011, 17:36 Uhr

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