Mittwoch, 18. August 2010

FR: EU-Umgang mit Personaldaten

EU-Umgang mit Personaldaten

"Haben Sie Hämorrhoiden?"

Wie ist der Name ihres Psychiaters? Wann hatten Sie ihre letzte Regelblutung? Das EU-Parlament interessiert sich nach FR-Informationen peinlich genau für den Gesundheitszustand der Assistenten seiner Abgeordneten. Von Thorsten Knuf

Während die EU-Verfassung Menschenrechte und Datenschutz garantiert, geht es im EU-Parlament in Sachen Personaldaten abenteuerlich zu.
Während die "EU-Verfassung" Menschenrechte und Datenschutz garantiert, geht es im EU-Parlament in Sachen Personaldaten abenteuerlich zu.
Foto: dpa

Brüssel. In der Debatte über Datenschutz für Arbeitnehmer gerät nun auch das Europäische Parlament in Erklärungsnot. Nach Informationen der FR lässt die Verwaltung neuerdings detaillierte Dossiers über den Gesundheitszustand der rund 1500 Parlaments-Assistenten erstellen. Die Abgeordnete Cornelia Ernst (Linke) sagt: "Der Umfang der erfassten, hochsensiblen Daten ist weder erforderlich noch verhältnismäßig."

Bei den Assistenten handelt es sich meistens um junge Hochschulabsolventen, die für begrenzte Zeit an der Seite eines Volksvertreters arbeiten.

Wie ein Sprecher des EU-Parlaments gestern auf Anfrage bestätigte, müssen sich inzwischen alle Assistenten vor ihrer Anstellung einer standardisierten Pflichtuntersuchung unterziehen. "Wer hier einen Vertrag unterzeichnet, der wird einmal gecheckt. Das ist das gleiche Prozedere wie bei Beamten."

Äußerst intime Fragen

Der Vorgang selbst und der Umfang der erhobenen Daten haben es allerdings in sich: Selbst Assistenten, die nur einen Ein-Jahres-Vertrag erhalten, müssen Blut- und Urinproben abgeben sowie eine Röntgenuntersuchung und EKG über sich ergehen lassen. Der Arzt arbeitet dann noch ein Formular ab, das äußerst intime Fragen enthält. Diese stehen zum Teil in keinerlei Zusammenhang zur künftigen Tätigkeit.

So soll der Assistent etwa mitteilen, ob er an einer oder mehreren von knapp 40 aufgeführten Krankheiten leidet - inklusive Hämorrhoiden und Hautproblemen. Doch auch die Angehörigen des künftigen Mitarbeiters sind von Interesse. Der Arzt will im Auftrag der Verwaltung wissen, ob Verwandte beispielsweise hohen Blutdruck, Krebs oder Geisteskrankheiten haben.

Eine weitere Frage an den Mitarbeiter lautet: "Haben Sie jemals einen Neurologen, Psychiater, Psychoanalytiker oder Psychotherapeuten aufgesucht?" Falls ja, soll der Arbeitnehmer den Grund dafür nennen und den Namen sowie die Adresse des Spezialisten angeben. Weitere Fragen betreffen die Entwicklung des Körpergewichts in den vergangenen drei Jahren sowie den Alkohol- und Tabakkonsum. Frauen sollen Auskunft über das Datum ihrer letzten Regelblutung geben.

Hintergrund der behördlichen Neugierde ist das sogenannte Assistenten-Statut. Es trat im Sommer mit Beginn der Legislaturperiode im EU-Parlament in Kraft. In der Vergangenheit waren die Mitarbeiter direkt bei den Abgeordneten beschäftigt. Inzwischen sind sie dem Parlament zugeordnet, was ihre soziale Absicherung verbessern soll.

Die Europa-Abgeordnete Ernst kritisiert diese Praxis: "Unter dem Deckmantel der gesundheitlichen Vorsorge sammelt die EU-Verwaltung Datenberge mit hochsensiblen Informationen über ihre Angestellten." Dies sei "ein Einfallstor für Diskriminierung".

Ähnlich hatte sich 2008 der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx geäußert. Er hält die Untersuchung für problematisch und fordert, diverse Fragen ganz zu streichen. Notwendig seien überdies klare Regeln zur Löschung der Daten.

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