Kein Betriebsunfall
Das Drama der Südperipherie in der Eurozone ist kein Betriebsunfall, sondern Teil der systemischen Verwerfungen, sie basieren auf dem kräftigen Auseinanderdriften der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, den unhaltbaren Leistungsbilanz- und Staatshaushaltsdefiziten und in deren Folge die exzessive Kreditfinanzierung über das Bankensystem. Auf der einen Seite steht Deutschland mit seinen immensen Überschüssen aus dem Handel, resultierend aus hoher Arbeitsproduktivität, guten Produkten und einer Nichtteilhabe der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt! Auf der anderen Seite ist die mangelnde Leistungsfähigkeit der Südperipherie und der hoffnungslose Versuch einer dauerhaften Kreditfinanzierung der Defizite.
Ein folgender Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich an Hand einiger ausgewählter Daten zeigt, dass auch hier die aufgebauten Ungleichgewichte längst eine gefährliche Dimensionen erreichen.
Deutschlands nur mit Frankreich von Q1 1971 bis Q4 2010 im Chart. Seit der Euro-Einführung als Bargeld im Jahr 2002 kumulierten sich Deutschlands Leistungsbilanzüberschüsse respektive die Leistungsbilanzdefizite Frankreichs mit Deutschland auf 229,03 Mrd. Euro. Nicht ganz zufällig betrugen die Forderungen deutscher Banken Ende 2010, laut BIS, gegenüber Frankreich 189,4 Mrd. Euro!
Die Handelsbilanz bei Waren und Gütern, als Hauptbestandteil der Leistungsbilanz, von Deutschland (blau) und von Frankreich (rot) seit Q1 1991 bis Q1 2011 im Chart. Im 1. Quartal erzielte Frankreich im Handel mit der Welt, bei Waren und Gütern, als Hauptbestandteil der Leistungsbilanz, von Deutschland (blau) und von Frankreich (rot) seit Q1 1991 bis Q1 2011 im Chart. Im 1. Quartal erzielte Frankreich im Handel mit der Welt, bei Waren und Gütern, ein Quartals-Rekorddefizit von -18,796 Mrd. Euro. Im Jahr 2010 betrug das Defizit aus dem Handel Frankreichs mit der Welt -49,393 Mrd. Euro, Deutschland hingegen erzielte einen Überschuss von +153,360 Mrd. Euro.
Die Entwicklung der saisonbereinigten breit gefassten Industrieproduktionsindizes (Bergbau, Energieversorgung und Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren (2005=100)) von Januar 1991 bis März 2011 im Chart. Während der Output der französischen Industrie (rot) trotz Erholung noch auf einem Niveau des Jahres 1998 dümpelt, erreicht der Output der deutschen Industrie (blau) fast sein Rekordniveau (nur -4,2% zum Hoch im April 2008).
Die quartalsweise Entwicklung der saisonbereinigten nominalen Summe aller Arbeitnehmerentgelte aus der VGR, Jahr 2000=100. Deutlich erkennt man, dass der Anstieg der nominalen Arbeitnehmerentgelte in Frankreich weit oberhalb des Anstieges in Deutschland lag. Von 2000 bis Q1 2011 stiegen die nominalen Arbeitnehmerentgelte in Frankreich um +39,73% in Deutschland hingegen um +17,42%. Auch ein noch längerer Betrachtungszeitraum ergibt kein anderes Bild, von 1991 bis Q1 2011 stiegen in Frankreich die nominalen Arbeitnehmerentgelte um +100,1% und in Deutschland um +60,5%.
Regelrecht peinlich für Deutschland als Exportvizeweltmeister und Hort der industriellen Wertschöpfung wird es, wenn man die Fehlentwicklung an Hand der realen Arbeitnehmerentgelte betrachtet:
Die quartalsweise Entwicklung der saisonbereinigten realen Summe aller Arbeitnehmerentgelte aus der VGR, Jahr 2000=100. Die realen (verbraucherpreisbereinigten) Arbeitnehmerentgelte in Frankreich (rot) stiegen seit 2000 bis Q1 2011 um +16,6%, während sie beschämender Weise in Deutschland (blau) um -0,89% sanken.
Die Entwicklung der Summe aller nominalen Arbeitnehmerentgelte im Verhältnis zum nominalen BIP, je Quartal seit Q1 1991 im Chart. Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am BIP lag in Q1 2011 in Deutschland mit 50,37% deutlich unter dem Anteil von 1991. In Frankreich ging es zwar zuletzt auch leicht abwärts, auf 52,96%, aber man liegt wenigstens über dem Niveau von 1991.
Einen gewissen Frust beim deutschen Malocher, zugleich aber eine logische Folge der Fehlentwicklungen, dürfte dieser Chart auslösen:
Die Entwicklung der saisonbereinigten realen Einzelhandelsumsätze in Deutschland (blau) und in Frankreich (rot) seit Januar 1995 bis April 2011 im Chart. Wenn man Konsum als eine Messlatte für Wohlstand betrachtet, sieht es im wettbewerbsfähigen Deutschland beim Konsum der privaten Haushalte an Hand der realen Einzelhandelsumsätze traurig aus. Im April 2011 lagen die realen Umsätze im Einzelhandel um -5,23% unter dem Niveau vom Monatsdurchschnitt 1995. In Frankreich hingegen zogen die realen Einzelhandelsumsätze um knackige +58,33% zu 1995=100 an.
Selbst das Missverhältnis bei der Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und der Entwicklung der Arbeitnehmerentgelte und Einzelhandelsumsätze zwischen Deutschland und Frankreich ist atemberaubend und zeigt fundamentale Fehlentwicklungen, die Politik und die Institutionen im jeweiligen Nationalstaat und in der EU seit vielen Jahren ignorieren.
Es bedarf keiner komplizierten ökonomischer Modelle oder Theorien um zu erkennen, dass in der Eurozone die eingetretene Situation zwangsläufig war und diese nicht mit Griechenland- und Portugalhilfen enden wird. Nicht nur die Südschiene befindet sich in einem wirtschaftlichen Desaster, auch Frankreich wird an den Rand getrieben. Niemand kann dauerhaft Handelsbilanzdefizite als Hauptbestandteil der Leistungsbilanzdefitzite und Staatshaushaltsdefizite kreditfinanzieren bzw. nur solange wie ein dereguliertes aber mittlerweile schon technisch insolventes Bankensystem diesen Irrsinn noch ermöglicht. Auch das diese Position immer mehr von der EZB eingenommen wird, ändert an dem unhaltbaren Zustand nichts, zeugt aber von der Sackgasse in der sich der gemeinsame Währungsraum befindet. Und zuletzt, selbstverständlich ist ein Streben nach Gleichgewicht im Handel unmöglich, wenn der gewichtigste und stärkste Partner im gemeinsamen Währungsraum, weiterhin seine Wettbewerbsfähigkeit auch mittels der Nichtteilhabe seiner Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt zum Nachteil der Anderen ausbaut.
Quelle Daten: Eurostat.ec.europa.eu/Datenbank
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